Die Steinkolosse am Elbberge

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Buchdruckerhumor Die Steinkolosse am Elbberge (1893) von Otto Richter
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Hans Jenitz, Geheim-Sekretär des Kurfürsten August
  Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
[87]
Die Steinkolosse am Elbberge.

Auf dem ehemaligen Netztrockenplatze der Elbfischer am Ausgange des „Elbberges“ ragten seit Menschengedenken die Kopf- und Rückentheile zweier sandsteinerner Kolossalfiguren aus dem Boden heraus und gaben den Vorübergehenden Anlaß zu allerhand Vermuthungen. Vermeintliche Geschichtskundige wollten die geheimnißvollen Riesensteine für Grenzmarken zwischen Stadt und Vorstadt oder zwischen Raths- und Amtsgerichtsbarkeit oder auch für Merkmale der Stapelgerechtigkeit erklären, andere, der Wirklichkeit näher kommend, erblickten darin Skulpturenreste von einem der Vorstadtthore oder von dem Brühl’schen Belvedere, wozu aber die riesigen Formen der Steine schlechterdings nicht passen wollten. Nun wurden sie im vorigen Jahre bei den Ausschachtungsarbeiten zum Bau der vierten Elbbrücke vollständig bloßgelegt und haben sich als die roh behauenen Blöcke zu zwei halbliegenden Kolossalfiguren, anscheinend einer männlichen und einer weiblichen, erwiesen. Offenbar hat man die Blöcke in den Sandsteinbrüchen, um die riesige Last einigermaßen zu vermindern, roh zugearbeitet, dann hierhergeschafft und ausgeladen, aber infolge eingetretener Hindernisse nicht weiter bearbeitet und unbenutzt liegen lassen. – Ueber ihre ursprüngliche Bestimmung hat ein geschichtskundiger hiesiger Arzt bereits vor etwa 30 Jahren Erörterungen angestellt und deren Ergebniß damals in der „Konstitutionellen Zeitung“ veröffentlicht. Am glaubwürdigsten erschien ihm und erscheint auch uns die Aussage des in der Nachbarschaft wohnenden alten Fischermeisters Krüger, wonach die Figuren bestimmt gewesen wären, am Eingange des Großen Gartens aufgestellt zu werden. Möglicherweise stammen sie schon aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts und hat vielleicht der siebenjährige Krieg ihre Vollendung und Aufstellung verhindert. Geschichtlichen Werth besitzen die Steine, die nun in die Gründungsgrube des Brückenwiderlagers versenkt worden sind, nicht.

O.R.