Die Straßenschleppe verschwindet wieder
[644] Die Straßenschleppe verschwindet wieder! Diese Thatsache ist hauptsächlich darum so hocherfreulich, weil sie von einem großen geistigen Fortschritt der deutschen Frauenwelt unzweifelhaftes Zeugniß ablegt. Was noch im Jahre 1867 unmöglich war, das allgemeine Tragen der unsinnigen und unappetitlichen Schleppe zu verhindern, das ist heute so ziemlich durchgeführt, und zwar viel mehr durch weibliche Einsicht als durch männlichen Spott. In Berlin hat sich ein großer Kreis von Frauen einmüthig dagegen erhoben, auf den Promenaden aller großen Städte sieht man die Damen entweder mit fußfreiem Rocke oder das lange Kleid mit der Hand tragend. Es hinterher schleifen zu lassen, ist heute schon ein untrügliches Zeichen von geringer Bildung oder zweifelhafter Lebensstellung.
Darum Ehre den vernünftigen deutschen Frauen, die hier einmal durch die That bewiesen haben, daß ihr Geschlecht geistig vorwärts gekommen ist und sein Urtheil über den blinden Modedrang zu setzen versteht!
Der Zug unserer Zeit nach dem Zweckmäßigen und Praktischen hat auch seinen Antheil an dem glänzenden Fiasko der Straßenschleppe, deshalb liest man bereits aus Paris, daß die dortigen „tonangebenden Häuser“ für die Herbstmode auf die neue Form wieder verzichten wollen. Aber Deutschland hat dazu den Anstoß gegeben, worüber sich zu freuen die deutschen Frauen alle Ursache haben. Bn.