Die Tafelprobe

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Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Die Tafelprobe
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aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1910, Erster Band, Seite 237–238
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Erscheinungsdatum: 1910
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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[232] Die Tafelprobe. – Der Erzkanzler Napoleons I., Cambacérès, war wegen seines Geizes in ganz Paris berüchtigt. [233] Eines Tages lieferte ihm ein Möbelfabrikant eine bestellte Tafel für sechzig Personen ab. Der Kanzler befahl, sie im Speisesaale aufzustellen, und als dies geschehen war, sagte er dem Tischler, sie sei entschieden zu klein ausgefallen. Er hoffte durch diese Bemängelung den Preis etwas herabzudrücken. Nach langem Streiten kam man überein, eine entscheidende Probe zu machen. Sechzig Maurergesellen wurden herbeigerufen, die gerade auf dem Karusselplatz arbeiteten. Diese wuschen sich schnell Gesicht und Hände und eilten in den Palast. Hier wurden sie in den Speisesaal geführt und um die Tafel gesetzt. Vor jedem Platz waren Teller, Messer, Gabel und Trinkglas, so daß die Leute annehmen konnten, sie würden von dem Erzkanzler bewirtet werden. Alle warteten daher freudig der Dinge, die da kommen sollten.

Allein statt dessen kommandierte Cambacérès plötzlich: „Stellt euch, als ob ihr trinken wolltet! Tut, als ob ihr etwas auf dem Teller zerschnittet!“

Die Leute taten wie befohlen, und der geizige Kanzler überzeugte sich, daß die Tafel völlig ausreichend für sechzig Personen war. Darauf wurden die Maurergesellen wieder fortgeschickt, ohne daß sie auch nur ein Trinkgeld erhielten.

Für Cambacérès kam jedoch das dicke Ende noch nach. Napoleon hörte von dieser Tafelprobe und, da er sich schon lange über den unanständigen Geiz des Kanzlers geärgert hatte, befahl er diesem, die sechzig Maurergesellen an derselben Tafel in aller Form auf das beste zu bewirten. Und da der Kaiser sich das Gastmahl selbst ansah, soll es Cambacérès ein schönes Stück Geld gekostet haben.
W. K.