Die Trauung Luther’s

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Textdaten
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Autor: L.
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Titel: Die Trauung Luther’s
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 205–207
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Die Trauung Martin Luthers mit Katharina von Bora
Über das Gemälde von Paul Thumann
Hierzu auch Thumann’s Luthertrauung in Heft 21
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Luther’s Trauung.
Nach seinem eigenen Oelgemälde auf Holz gezeichnet von Paul Thumann.

[206]
Die Trauung Luther’s.


Im vorigen Sommer vollendete Professor Thumann in Weimar, der den Lesern der Gartenlaube durch seine vortrefflichen Illustrationen längst rühmlich bekannt ist, ein großes Oelgemälde, „Die Trauung Luther’s“, welches die „Verbindung für historische Kunst“ auf Grund einer im Jahre 1869 zu ihrer elften Hauptversammlung in München eingesandten Skizze bestellt hatte.

Die Verbindung für historische Kunst, im Jahre 1854 vom Schulrath Looff in Langensalza und Professor Dr. Eggers in Berlin gegründet, hat sich die Aufgabe gestellt, der historischen Kunst und vorzugsweise der Geschichtsmalerei diejenige Pflege angedeihen zu lassen, welche zu gewähren den einzelnen Kunstvereinen nur selten möglich ist. Denn nur wenige Kunstvereine haben hinreichende Mittel, um größere Geschichtsbilder für bleibende Sammlungen zu erwerben; ihre Ankäufe werden meist nur zur Verloosung unter die Mitglieder gemacht; hierbei wird aber wie bei den Ankäufen von Seiten der Privaten hauptsächlich auf solche Bilder gesehen, welche zur Ausschmückung der Zimmer dienen können. Daher finden auf den Ausstellungen der Kunstvereine zwar Landschaften, Genrebilder und Stillleben, nicht aber größere Geschichtsbilder ihren Markt. Diese üben aber gerade die größte Anziehungskraft auf das Publicum, und eine größere Kunstausstellung erscheint mangelhaft, wenn die historische Kunst in derselben nur dürftig oder gar nicht vertreten ist. Wie ist es aber einem Künstler zuzumuthen, ein größeres Bild, auf welches er eine längere Zeit seines Strebens und Schaffens verwendet hat, ohne Aussicht auf Verkauf durch eine Reihe von Kunstausstellungen wandern zu lassen, um es dann nach einigen Jahren in beschädigtem Zustande unverkauft zurückzuerhalten? Jüngere talentvolle Künstler, welche durch die Kunst sich ihren Lebensunterhalt verschaffen müssen, werden gezwungen, der Schaffung eines größern Kunstbildes zu entsagen. Die Geschichtsbilder mußten daher auf den Ausstellungen immer seltener werden oder gänzlich verschwinden, wenn nicht in einzelnen Fällen die Liberalität hoher Kunstgönner den Vereinen solche Bilder zur Ausstellung gewährt hätte. Hierzu kam, daß zur Zeit der Gründung der Verbindung ausgezeichnete Geschichtsbilder deutscher Künstler, z. B. Lessing’s berühmtes Bild „Huß vor dem Scheiterhaufen“, aus der Werkstatt des Künstlers in das Ausland, ja über den Ocean wanderten und so dem deutschen Volke die bedeutendsten Kunstwerke seiner hervorragenden Künstler unbekannt blieben, während von Speculanten Bilder belgischer Künstler in den größeren Städten Deutschlands mit bedeutendem Gewinne ausgestellt wurden.

Ein von Looff und Eggers im Jahre 1854 an die deutschen Kunstvereine erlassener Aufruf fand daher vielfache Zustimmung. Vertreter der Kunstvereine beriethen in München die vorläufigen Statuten. Als Aufgabe der Verbindung wurde festgestellt: durch Erwerbung oder Bestellung größerer Geschichtsbilder nicht nur dem Zwecke der Kunstvereine, die höchsten Ziele der Kunst im Auge zu behalten und namentlich zur Pflege stilvoller Darstellung beizutragen, mehr als bisher zu genügen und den Künstlern des historischen Faches, namentlich den jüngeren Talenten, Gelegenheit zu bieten, größere Geschichtsbilder zu schaffen, sondern diese auch durch die Wanderung in die Ausstellungen der Mitglieder zur allgemeinsten Kenntniß in unserm Vaterlande zu bringen. Der jährliche Beitrag wurde auf fünfzig Thaler für jede Actie festgestellt, wofür das Recht zu vierzehntägiger Ausstellung und die Theilnahme an der Verloosung der Vereinsbilder nach beendigtem Umlaufe gewährt wird. Später wurde beschlossen, von jedem erworbenen Bilde Photographien zur Vertheilung an die Mitglieder anfertigen zu lassen.

Der Verbindung gehören jetzt an: elf deutsche Fürsten und die Kronprinzessin Victoria von Preußen und Deutschland, elf andere Kunstmäcene, die Städte Breslau, Köln und Offenbach, die allgemeine deutsche Künstlergenossenschaft und die Künstlergenossenschaften zu München, Wien und Zürich, das Städel’sche Kunstinstitut zu Frankfurt am Main, neunundzwanzig Kunstvereine und die Kunsthandlungen von Bismeyer und Kraus in Düsseldorf und von Pietro del Vecchio in Leipzig, zusammen mit siebenundsiebenzig Actien.

Obgleich die Zeit des politischen Zwiespalts in Deutschland der wünschenswerthen Ausdehnung der Verbindung hinderlich war, so repräsentirte sie doch in dieser Zeit, wenigstens auf dem Gebiete der Kunstbestrebungen, die sonst fehlende Einheit. Auch jetzt beschränkt sie sich nicht auf die politische Grenze des neuen deutschen Reichs, sondern erstreckt sich über ganz Oesterreich und die Schweiz, ja auch ein edler Deutscher in Amerika, Karl v. Bernuth in New-York, gehört der Verbindung an. Möge die mit so theuren Opfern erkämpfte Einigung Deutschlands auch der Verbindung größere Ausdehnung verschaffen, da die jetzt ihr jährlich zufließenden Geldmittel noch nicht voll viertausend Thaler betragen.

Beim Mangel an Angebot fertiger Bilder sah sich die Verbindung in den meisten Fällen genöthigt, auf Grund eingesandter Skizzen Bilder zu bestellen, wobei den Künstlern während der Arbeit Vorschüsse bis zur Hälfte des Kaufpreises gewährt werden können. Hierdurch hat sie besonders jüngeren talentvollen Künstlern Gelegenheit gegeben, größere Bilder auszuführen, was gewiß kein geringes Verdienst der Verbindung ist. Swoboda und Siegmund l’Allemand in Wien, Scholtz in Dresden, Baur in Düsseldorf, Bode in Frankfurt, Thumann in Weimar haben ihr erstes größeres Bild für die Verbindung gemalt. Die Zahl der bisher verloosten Bilder beträgt fünfzehn, auf der Wanderung befinden sich drei; Spangenberg’s „Geiserich und Eudoxia“ und Lindenschmitt’s „Ermordung Wilhelm’s von Oranien“ werden bald der Verbindung übergeben werden. Bis zum Ende des Jahres 1871 hat die Verbindung über 40,000 Thaler für Anschaffung historischer Bilder verwendet, der Cassenbestand betrug 9334 Thaler.

Wenden wir uns nun zum Thumann’schen Bilde. Hier könnte zunächst die Frage aufgeworfen werden, ob die Trauung Luther’s ein wirklich historisches Bild ist oder nur zum historischen Genre gerechnet werden kann.

Hierauf ist zu erwidern, daß die Ehelosigkeit der Priester und die dadurch hervorgerufene Unsittlichkeit, nicht blos im Priesterstande, sondern im ganzen Volke, eine der wichtigsten Ursachen der Reformation war. Bald nach Beginn der Reformation hatten evangelische Geistliche Ehen geschlossen; Franz von Sickingen hatte schon 1522 den Geistlichen auf seiner Herrschaft gestattet, sich zu verheirathen. Allein die Gegner der Reformation schalten die Priesterehe ein Concubinat, wie dasselbe noch heute hinsichtlich der Civilehe von den ultramontanen Pfaffen behauptet wird. Das deutsche Volk aber, das in seiner Mehrheit der Reformation zujauchzte, forderte die Priesterehe als Schutzmittel für das Familienleben. Auch an Luther trat diese Frage heran, aber große Bedenken erhoben sich in ihm dagegen. Schon im Jahre 1524 hatte ihn die „fromme und belobte“ Argula von Stauffen durch Friedrich’s des Weisen Hofcaplan und Geheimsecretär Spalatin auffordern lassen, in den Ehestand zu treten. Luther antwortete darauf an Spalatin ablehnend und schloß mit den Worten: „Wie mein Herz bisher gestanden, so werde ich gewiß keine Frau nehmen. Nicht daß ich von Holz oder Stein wäre und nicht fühlen könnte, daß ich Fleisch und Blut habe, sondern mein Herz und Sinn ist fern vom Heirathen, weil ich täglich meinen Tod erwarte und daß ich als ein Ketzer werde hingerichtet. Indessen will ich Gott kein Ziel seines Werkes in mir setzen und mir selbst auch nichts vornehmen. Ich hoffe aber, Gott werde mich nicht lange mehr leben lassen.“ Hieraus kann man ersehen, wie schändlich Diejenigen logen, die Luther schuld gaben, er sei schon lange mit Heirathsgedanken umgegangen und in Katharina von Bora verliebt gewesen, lange bevor er sich mit ihr verehelicht.

[207] Wie Luther zu dem Entschlusse, zu heirathen, gekommen, erzählt Scultetus in den evangelischen Annalen von 1525 folgendermaßen:

„Als Lutherus vorgehabt, die gewesene Klosterjungfrau, Katharina von Bora, an Dr. Glacium, Pfarrer in Orlamünde, zu verheirathen, kommt selbe zu Amsdorfen und klagt ihm, Lutherus wolle sie an Dr. Glacium verloben, es sei aber ganz wider ihren Willen. Weil sie nun wisse, daß Amsdorf ein vertrauter Freund von Luthero sei, so bitte sie ihn, er sollte doch Lutherum auf andere Gedanken bringen. Wenn einer von ihnen beeden, Lutherus oder Amsdorf, sie verlangte, wollte sie sich gar nicht weigern, in eine christliche Ehe einzuwilligen. Zu Dr. Glacio könne sie sich nimmermehr entschließen. – Da Lutherus hiervon Nachricht bekommen und Dr. Schurf (er war kurfürstlich sächsischer Rath und Luther’s Rechtsbeistand in Worms) gesagt: Wenn dieser Mönch eine Frau nehmen sollte, würde die ganze Welt und der Teufel selbst darüber lachen, – hat er der Welt und dem Teufel zum Trotz und sonderlich auch seinem Vater zu Gefallen den Schluß gefaßt, sich mit der Katharina selbst zu verheirathen.“

Nachdem Luther einmal den Entschluß gefaßt, schritt er unverweilt zur Ausführung. Am 13. Juni 1525 wurde er mit Katharina von Bora von Dr. Bugenhagen, dem ersten Prediger an der Pfarrkirche zu Wittenberg, im Hause des dortigen Stadtschreibers Reichenbach getraut. Zeugen waren der Maler und Rathsverwandte Lucas Cranach, der Geistliche Dr. Justus Jonas (nach einer andern Angabe, welcher der Künstler gefolgt ist, Nicolaus v. Amsdorf) und Dr. Apel, der im Bilde sinnend das Haupt auf die Hand stützt. Thumann hat noch eine Frau und ein Kind hinzugefügt, dessen liebliche Züge dem Töchterlein des Künstlers entlehnt zu sein scheinen.

Die eigentliche Hochzeit wurde erst vierzehn Tage später, am 27. Juni, gefeiert. Der Rath der Stadt schickte zum Feste vier Maß Malvasier, vier Maß Rheinwein und sechs Maß Frankenwein; der Preis ist in den noch vorhandenen Stadtrechnungen mit dreiunddreißig Gulden verzeichnet: der Malvasier kostet zwanzig, der Rheinwein sechs und der Frankenwein sieben Gulden. In die Wirthschaft, die nun erst beginnt, denn bis dahin war die junge Frau im Reichenbach’schen Hause geblieben, schickte der Rath noch ein Faß Einbecker Bier und eine Anweisung auf freien Wein aus dem Rathskeller auf ein Jahr, wofür in den Stadtrechnungen drei Thaler vier Groschen sechs Pfennige aufgeführt werden. Die Universität schenkte ihm einen prächtigen vergoldeten silbernen Kelch mit Deckel. Unter den sonstigen Geschenken sind am bemerkenswerthesten zwei Eheringe, welche der Nürnberger Rathsherr Wilibald Pirckheimer von dem berühmten Goldschmied Albrecht Dürer hatte arbeiten lassen. Der Ring Luther’s ist mit einem Diamanten und einem Rubin, den Sinnbildern der Treue und der Liebe, geschmückt und enthält außer den Buchstaben M. L. D. die Worte: WAS. GOT. ZU. SAMEN. FIEGET. SOL. KEIN. MENSCH. SCHEIDEN. Der andere, welchen Katharina getragen, hat oben einen in einen runden kegelförmigen Kasten gefaßten, ziemlich großen Rubin und besteht aus einem Haupt- und zwei Nebenreifen, die fest miteinander verbunden und ringsherum mit Vorstellungen aus der Leidensgeschichte Jesu in durchbrochener und erhabener Arbeit verziert sind, worunter sich die bis zu den Muskeln ausgearbeitete Figur des Gekreuzigten besonders auszeichnet. Der erstere befindet sich jetzt auf der Wolfenbüttelschen Bibliothek, der letztere ist in Privathänden.

Luther’s Verheirathung sanctionirte die Priesterehe mehr, als es ein vom Reichstage oder einem Concil gegebenes Gebot vermocht hätte. Sie war daher eine That von der größten geschichtlichen Bedeutung, denn die hierdurch legitim gewordene Priesterehe führte die Geistlichen wieder in das Familienleben, in das einträchtige Zusammenleben mit der Gemeinde zurück und wurde hierdurch ein Haupthebel zur Wiederherstellung sittlichen Lebens im evangelischen Deutschland. Die Culturgeschichte zeigt uns die Folgen in dem großen Contraste zwischen der protestantischen und katholischen Bevölkerung Deutschlands im siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Dort strenge, oft rauhe Zucht und Arbeitsamkeit, hier das Gegentheil.

Mit Recht kann man daher Thumann’s „Trauung Luther’s“ ein historisches Bild nennen, für dessen Bestellung sich bei den Verhandlungen in München der Graf Franz v. Thun-Hohenstein, seit der Begründung der Verbindung bis zu seinem am 22. November 1870 erfolgten Tode Mitglied des Vorstandes, obwohl Katholik, in der entschiedensten Weise aussprach, indem er das darzustellende Ereigniß ein „eminent historisches“ nannte. Das Thumann’sche Bild ist bereits in Weimar, Gotha, Hamburg, Kiel, Berlin, Kassel, Hannover ausgestellt worden und hat überall die größte Anerkennung gefunden. Wenn gleich der beste Holzschnitt nur unvollkommen den Eindruck, welchen das Bild selbst macht, wiedergeben kann, so gewährt er uns doch eine Anschauung von der Gruppirung und Zeichnung. Alles im Bilde ist wohl gelungen: Luther’s Portrait kann zu den besten gezählt werden, die wir von ihm besitzen. Mit Andacht schaut er auf zu Bugenhagen, dem die Wichtigkeit der Handlung, die er vollzieht, Begeisterung zu verleihen scheint. Katharina ist das Bild echter deutscher Jungfräulichkeit. Auch die Gruppe der Zeugen stimmt vortrefflich zur vorderen Gruppe.

Die Trauung Luther’s war ursprünglich vom Künstler als Gegenstand zu einem Bilde in der für die Wartburg bestimmten Reihe von Lutherbildern in Vorschlag gebracht, aber aus besonderen Rücksichten ausgeschieden worden. Nunmehr wird der Stein, der vom Baumeister verworfen, zum Eckstein für des Künstlers Ruhm.

L.