Die Wehklage (Grässe)

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Die Wehklage
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 199–200
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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804) Die Wehklage.
Schmaler, S. 269. Gräve S. 46 sq. Winter in der Const. Z. 1853. Nr. 113. nach Hortschanski in d. Lausitz. Provinzialbl. Leipzig 1782. St. III. S. 260.

Die Wenden stellen sich die Boze sedleschko oder Wehklage als ein Wesen in Gestalt eines schönen weißgekleideten Kindes oder auch einer weißgefiederten Henne vor und halten es für eine Art Schutzgeist, welcher eine bevorstehende Gefahr oder ein bald zu befürchtendes Unglück durch Klagen und Weinen anzeige und hierdurch davor zu warnen suche. Wenn es sich hören läßt, so kann man auch eine Frage nach dem Grunde seines Weinens thun, worauf man aber meist eine unbestimmte Antwort erhält. Als im Jahr 1766 die Stadt Muskau der unglückliche Brand betraf, soll es sich zu verschiedenen Malen in dem Hause, wo das Feuer auskam, haben hören lassen und endlich auf Befragen geantwortet haben: „es (das Unglück) wird nicht nur bei Dir sein, sondern auf allen Gassen.“ Als auch vor einigen Jahren bei der Neißemühle daselbst drei Personen ertranken, habe es der Müller einige Tage vorher gehört, und da er gefragt, die Antwort erhalten: „es betrifft nicht Dich, sondern einen Andern“. In Wittichenau hörte man sie angeblich vor dem Brande von 1822, und in Bautzen hatte sie ihren Sitz an dem Orte, wo jetzt das Schauspielhaus steht. Dort ließ sie sich stets hören, wenn der Stadt ein Unglück drohte, so z. B. vor der Pest von 1519, 1586, 1611, 1612 und 1614, bei dem großen Brande von 1634 und bei einer Ueberschwemmung 1552, jetzt hat man sie aber längst nicht mehr gehört. Indessen soll dieser Schutzgeist nicht von Jedermann, sondern nur von Einigen gehört und gesehen werden, und der Glaube an denselben geht so weit, daß viele Wenden bei Abseihung eines kochenden Topfes oder Ausgießung siedenden Wassers die Vorsicht brauchen und zu sagen pflegen: „gehe weg, damit ich Dich nicht verbrühe.“ Thäten sie dieses nicht, so besorgen sie, sie möchten sich selbst verbrühen, und wenn [200] bei Manchen Hitzblattern ausfahren oder sich ein Ausschlag zeigt, so gerathen sie auf den Gedanken, sie wären von diesem Geiste verbrühet worden. Daher sagen sie: „die Wehklage hat Dich verbrüht!“ Dafür gebrauchen sie folgende Kur: Sie schmieren das Ofenloch mit Butter und sprechen: „Wehklage ich schmiere Dich, heile mich, Du hast mich verbrühet!“ Dann nehmen sie den Brausch (d. h. den Schaum) von einem kochenden Topfe und schmieren den Schaden, welches gewiß helfen soll.[1]


  1. Nach Winter in d. Const. Z. 1852. Nr. 108. S. 431. zeigt sich bei Krummhermsdorf am Unger, einer Fortsetzung des Gebirgskammes, wo der Wachberg bei Saupsdorf im Meißner Hochlande liegt, bis nach Hinterhermsdorf hin eine gespenstige Frau in blendend weißer Gestalt, die denen, welche sie erblicken, Unheil verkündet und sie warnt. Sie ist sehr schön, und wenn sie sich sehen läßt, so neigen sich die Bäume vor ihrer Schönheit zur Erde. Dies wäre auch eine Art Wehklage.