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Die Wenden-Glocken im Wirchow-See

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Textdaten
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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Die Wenden-Glocken im Wirchow-See
Untertitel:
aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 332–333
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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282. Die Wenden-Glocken im Wirchow-See.

In Pommern liegt ein See, der Wirchow- oder Würchow-See geheißen. An der westlichen Spitze desselben ist ein Dörfchen, welches gleichfalls den Namen Wirchow führt. An der östlichen Spitze liegt das Dorf Sassenburg. In alten Zeiten wohnten in dieser Gegend die Wenden. Besonders hatten sie in dem Dorfe Sassenburg ihre Wohnsitze, welches aber damals den Namen Wirchow hatte. Sie hatten daselbst eine große schöne Kirche, und in dem Kirchthurm hingen die schönsten Glocken des ganzen Landes. Da geschah es vor vielen hundert Jahren, daß die Sachsen in das Land einwanderten, und sich zu Herren machten, die armen Wenden aber verachteten und unterdrückten. Denen gefiel auch das schöne Dorf, so damals Wirchow hieß, und sie vertrieben die Wenden daraus, und ließen sich darin nieder, nannten es auch von nun an Sassenburg. Die verjagten Wenden zogen darauf an die andere Seite des Sees und gründeten dort ein neues Dorf, welches sie zum Andenken an das alte auch Wirchow nannten, wie es noch jetzt geheißen wird. Aus ihrem alten Wohnsitze hatten sie nichts mitnehmen können, als die schönen Kirchenglocken. Ueber diese freuten sie sich aber sehr, denn sie waren das einzige Andenken, das ihnen von dem Dorfe geblieben war, in dem sie geboren waren, und in dem ihre Eltern und von so Manchen die Kinder begraben lagen. Allein auch dieses Andenken wollten ihnen die Sachsen nicht lassen. Diese erschienen auf einmal in dem neuen Dorfe Wirchow, nahmen die Glocken mit Gewalt fort, um sie in [333] ihren Schiffen über den See nach Sassenburg zu bringen. Wie sie aber mitten auf dem Wasser waren, da erhob sich auf einmal ein schrecklicher Sturm, der ihre Schiffe gegen einander trieb, daß sie eins das andere zerschellten und zerbrachen, und die Sachsen einen erbärmlichen Tod in den Wellen fanden. Die Glocken gingen mit ihnen zu Grunde. Die Leute sagen, von den Glocken allein sey dieses Unglück hergekommen, denn die hätten nicht von den Wenden lassen und den Sachsen dienen wollen; darum wären sie lieber in dem See zu Grunde gegangen. Sie liegen noch unten in dem Wasser, und es kann sie Niemand heraufholen. Zu gewissen Zeiten kann man sie dort hören; sie singen dann, wie mit menschlichen Stimmen, ein Klagelied, daß sie da unten auf dem Grunde liegen müssen, und nicht zu den Wenden zurückkönnen.

Mündlich.