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Die brave Bertha und die böse Lina

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Textdaten
Autor: Lothar Meggendorfer (Illustration), Franz Bonn (Text)
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Titel: Die brave Bertha und die böse Lina
Untertitel: Ein lehrreiches Bilderbuch für Kinder
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Herausgeber:
Auflage: 6. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [um 1890]
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: UB Frankfurt, Commons
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[U1]

[1]
Die brave Bertha und die böse Lina.
Ein
lehrreiches Bilderbuch für Kinder
von
Lothar Meggendorfer.


Mit Versen von Franz Bonn.


6. Auflage.


Verlag von Braun & Schneider in München.


[2]

Früh Morgens kaum die Sonne lacht,
Vom Schlafe Bertha schon erwacht
Und hebt, daß Er zur Seit’ ihr steht,
Zu Gott die Hände im Gebet.

[3]

Die Lina aber keinen Tag
Zur rechten Zeit erwachen mag.
Wenn and’re längst zur Schule geh’n,
Pflegt sie sich nochmals umzudreh’n.

[4]

Zur Arbeit aufgelegt schon früh,
Scheut Bertha keine Plag’ und Müh’;
Sie holet, was zum Frühstück not –
Die süße Milch, das frische Brot.

[5]

Die Lina in der Speisekammer
Macht ihren Eltern großen Jammer;
Statt daß sie schafft das Frühstück her,
Trinkt sie den ganzen Rahmtopf leer.

[6]

Den lieben, guten Vögelein
Bringt Bertha Wasser frisch und rein,
Und wo sie waltet ihrer Pflicht,
Fehlt’s auch an gutem Futter nicht.

[7]

Der bösen Lina macht’s Plaisir,
Zu ängstigen das arme Tier;
Kommt mit dem Besen sie heran,
Flieh’n Gans und Taube, Huhn und Hahn!

[8]

Wie fleißig schreibet Bertha hier
Mit Tint’ und Feder aufs Papier
Und nimmt gar sorglich sich in Acht,
Daß ja sie keinen Fehler macht.

[9]

Dagegen schaut die Lina an.
Was hat das böse Kind gethan?
Sie wirft in ihrem Übermut
Das teure Lernzeug in die Flut!

[10]

Es ist gewiß recht mühevoll
So abzuhaspeln Garn und Woll’,
Allein die brave Bertha thut,
Was man ihr aufträgt, gern und gut.

[11]

Doch hier die böse Lina, seht
Wie sinnlos die zu Werke geht,
Sie schneidet, nur aus Tändelei,
Den Vorhang mit der Scheer’ entzwei.

[12]

In Feld und Garten emsiglich
Macht gern die Bertha nützlich sich.
Sie gießt und recht, die liebe Maus,
Und jätet alles Unkraut aus.

[13]

Die Lina aber rührt die Hand
Nur wenn sie was zum Naschen fand.
Sie klettert auf den Kirschbaumast,
Treibt’s frecher als die Spatzen fast.

[14]

Im Herbst, wenn’s stürmt und regnet drauß’
Da spielt die Bertha brav zu Haus
Und lehrt dem Schwesterl manchen Spruch
Aus einem schönen Bilderbuch.

[15]

Die böse Lina – o wie dumm!
Treibt sich im Regen gern herum,
Und patscht, als müßt’ es eben sein,
In alle Pfützen tief hinein.

[16]

Und wenn der Schnee im Winter liegt,
Die Bertha wie ein Rößlein fliegt,
Fährt mit dem Schlitten querfeldein
Ihr liebes, kleines Schwesterlein.

[17]

Die Lina aber freut sich d’ran,
Wenn sie es irgend machen kann,
Daß tüchtig hinschlägt auf dem Eis
Ihr Brüderlein – sie thut’s mit Fleiß.

[18]

Doch sehet, wenn das Christkind kommt,
Wozu das Bös- und Bravsein frommt!
Der Bertha, die des Lobes wert,
Wird hundertfaches Glück beschert.

[19]

Die böse Lina, frosterstarrt,
In ihrer Kammer harrt und harrt
Umsonst auf Tannenbaum und Licht,
Das liebe Christkind kommt halt nicht!