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Die deutsche Turnmacht!

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Textdaten
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Autor: Georg Hirth
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Titel: Die deutsche Turnmacht!
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 781–783
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[781]
Die deutsche Turnmacht!
Von Georg Hirth.


Deutschlands Turner eröffneten vor zwei Jahren jenen Reigen nationaler Feste, die seitdem von der größten Bedeutung für die Entwickelung des deutschen Volkslebens geworden sind. Die denkwürdigen Tage von Coburg (17–19. Juni 1860) zündeten wie ein Frühlingssonnenstrahl: Turnen und abermals Turnen ward die Losung des deutschen Jungthums, und was das Volk, gestützt auf die unabweisbaren Forderungen unserer vorwärtsschreitenden Zeit und auf dem Wege friedlicher Vorstellung, verlangte, konnten die Regierungen nicht mehr verwehren. Dem Turnen wurde wiederum seine Anerkennung, es wurde heimisch in Hunderten neuer Volksvereine; der Schule ward es, freilich nicht allerwärts und fast nirgends durchgreifend, als nothwendiger Erziehungstheil, dem Heere als unerläßliche Grundlage der Wehrtüchtigkeit beigeordnet; der Vereinszwang wurde in den meisten Staaten unseres zerklüfteten Vaterlandes aufgehoben, und so konnte sich ungehindert ein reges turnerisches Leben entfalten auf den Uebungsplätzen, auf Festen und Fahrten. Das zweite allgemeine deutsche Turnfest in Preußens Hauptstadt (10–12. August 1861) fand somit schon einen viel ergiebigeren Boden vor, zu dessen weiterer Bebauung es nicht wenig beitrug.

Ueberhaupt sind es die Feste, welche, gleich Brennpunkten die Strahlen der gesammten volksthümlichen Bestrebungen sammelnd und wiederausstrahlend, weit und breit befruchtend wirken. Wie im Kleinen die Hunderte von Gau- und Vereinsturnfesten die Sache fördern halfen, im engern Kreise anregten und Abschnitte in der Entwickelung einzelner Vereine und Vereinsgruppen bilden, so sind nun namentlich jene zwei größeren Feste zu Coburg und Berlin Abschnitte in der Geschichte des deutschen Turnwesens geworden. Ein Jahr vor dem Coburger Feste zählten wir in Deutschland 241 Turnvereine mit 23670 Mitgliedern. Im Winter nach dem Feste (1860/1861) bestanden schon 506 Vereinigungen mit etwa 50,000 Mitgliedern, während wir heute mehr als das Doppelte nachweisen können, nämlich 1309 Vereine mit etwa 120,000 Mitgliedern. Freilich ist das Turnen noch nicht in allen deutschen Gauen gleich heimisch. Verhältnißmäßig die meisten Vereine bestehen in Mitteldeutschland, im Königreich Sachsen allein 180.

Nur wenige von diesen Vereinen stammen also, wie aus den gegebenen Andeutungen hervorgeht, aus früheren Jahren, da fast alle, die sich zur Zeit Jahn’s im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts, sodann in den dreißiger und vierziger Jahren bildeten, wieder eingingen. Die ältesten der jetzt bestehenden Gemeinden sind die zu Friedland (1814), die Hamburger Turnerschaft und der Turnverein zu Neustrelitz (beide 1816). Vom Jahre 1828 her stammen noch München und Wolfenbüttel, vom Jahre 1832 die Schulturnvereine zu Hannover und Hildesheim, von 1833 die Vereine zu Frankfurt a. M. und Wismar, von 1838 Blankenburg i. H., von 1842 Königsberg i. Pr., Mainz und Parchim, von 1843 Neubrandenburg, Reutlingen, Schwerin. Von 1844 her haben sich 9, von 1845 5, von 1846 15, von 1847 8, von 1848 27 Vereine erhalten.

[782] Das nächste Streben jedes einzelnen Vereins liegt selbstverständlich im Turnen; es bildet die Grundidee, der sich alle nebensächlichen Interessen unterordnen. Der Turnplatz ist der regelmäßige, wenn nicht tägliche Sammelplatz der Vereins-Mitglieder, die nach ihrem Alter oder ihrer bürgerlichen Stellung entweder eigentliche, d. h. stimmfähige Mitglieder oder Zöglinge, nach ihrer Theilnahme an den Turnübungen Turner oder Turnfreunde sind – die letzteren den sogenannten passiven Mitgliedern der Gesangvereine entsprechend. Durch den einfachen Zweck der Turngemeinschaft ist der Begriff einer geschlossenen Gesellschaft von selbst aufgegeben; der Eintritt steht jedem Manne, Jüngling und Knaben offen, der mit dem redlichen Streben erfüllt ist, zu seinem und des Vaterlandes Nutz und Frommen zur echten Männlichkeit sich auszubilden. So kommt es, daß wir auf dem freien Turnplätze alle sonst im bürgerlichen Alltagsleben sich schroff trennenden Stände und Berufsarten vertreten sehen – den Gelehrten neben dem Handwerker, den Kaufherrn neben seinen Markthelfern, den Lehrer neben dem Schüler, den Meister neben seinen Gehülfen und Lehrlingen. Gleichwohl ist die Vertretung der verschiedenen Berufsarten in den Turnvereinen durchschnittlich noch eine ungleichmäßige. Grade die Stände, auf die das Turnen vor allen andern segnend wirken kann, nämlich Gelehrte, Künstler, Beamte etc., sind ihm gegen alle Erwartung immer noch nicht in dem Maße zugethan, wie der Stand der Arbeitenden. Großen Antheil am Turnen hat, namentlich in den größeren Städten, wie Leipzig, Hamburg etc., der Kaufmannsstand genommen.

Die Mitgliederzahl ist natürlich in den einzelnen Vereinen, je nachdem sie in größeren oder kleineren Orten sind, sehr verschieden. Während nicht wenige über 1000, ja nahe an 2000 Mitglieder (wir erinnern an den Turnverein Leipzigs!) zählen, haben andere wiederum blos 20, 40. Im Allgemeinen ist eine Durchschnittszahl von 95 – 100 anzunehmen. In vielen, namentlich größeren Orten bestehen mehrere Vereine neben einander, die meisten in Berlin, nämlich 44, deren Vertreter zusammen den um die Förderung des Turnwesens so verdienten „Berliner Turnrath“ bilden.

Regelmäßigkeit und Stetigkeit sind die hauptsächlichsten Erfordernisse des Turnbetriebs. Die Turnerei will deshalb, wenn Witterung und Jahreszeit die Uebungen im Freien nicht gestatten, unter Dach und Fach gebracht sein. Am besten erfüllen diesen Zweck Turnhallen, bei deren Bau und innerer Einrichtung gleich auf ihre Bestimmung Rücksicht genommen worden ist, und es wird, wo nur immer die Verhältnisse es gestatten, auf die Erlangung solcher Gebäude hingestrebt. Hie und da, wo das Turnen als obligatorischer Unterrichtsgegenstand in die Schulen aufgenommen wurde, haben staatliche oder städtische Behörden die zum Erbauen von Turnhallen nöthigen Summen verwilligt und den Turnvereinen ihre Mitbenutzung gestattet; anderwärts haben auch die Turngemeinden selbst den Bau von Hallen, meist auf Actien, unternommen. Wir erwähnen die bedeutenden staatlichen Turnhallen in Hannover, Berlin, Darmstadt, München, Stuttgart, Dresden; ferner die städtischen und Vereinshallen in Altona, Amberg, Bremen, Breslau, Annaberg, Danzig, Elberfeld, Elbing, Ellwangen, Essen, Frankfurt a. M, Gießen, Glauchau, Gmünd, Görlitz, Hall, Hamburg, Hanau, Heidelberg, Jena, Köln, Königsberg, Magdeburg, Meerane, Meißen, Mühlheim, Offenbach, Ulm, Zittau, Zwickau etc. Die neuerbaute Turnhalle in Stettin kostet 24,000 Thlr., die in Barmen 11,000, in Gera 6,000, in Altenburg 5,000 Thlr., in Nürnberg (Vereinseigenthum) 20,000 fl., die in Leipzig 40,000 Thlr., in Berlin sollen drei Hallen und zwar zunächst eine für 72,000 Thlr. (incl. Bauplatz etc.) errichtet werden etc. Daß auch kleinere Vereine bei ernstlichem Streben in den Besitz von eigenen Hallen kommen können, haben wir in Nordhausen, Frankenberg, Limbach, Mylau, Lindenau und Schönefeld (zwei Dörfer bei Leipzig) gesehen. – Wo eine besondere Turnhalle fehlt, wird der Mangel, wenn auch sehr unvollkommen, durch irgend einen anderen Raum (Tanzsäle etc.) ersetzt, und es sind wohl nur sehr wenige Vereine, die den Winter über das Turnen gänzlich einstellen – sei es auch, wie dies oft vorkommt, daß sie ihre Zuflucht zu einer Remise, Scheune, zu einem Stall oder einer improvisirten Breterbude nehmen müssen.

Es ist Viel über die sogenannten „mit dem Turnen verbundenen Ideen“ gesprochen und geschrieben und – gestehen wir es offen – von den Turnvereinen selbst viel Mißbrauch mit ihnen getrieben worden. Unter diese Mißbräuche zählen wir z. B. das unzeitgemäße Princip der (gezwungenen) Brüderschaft, die Sucht vieler jüngeren im Turnen meist faulen Vereinsmitglieder, durch Abzeichen, Bänder und eigenthümliche Redensarten sich und der Turngemeinschaft eine Art von studentischem Corpsgeist aufzudrücken, der auf das größere Publicum den widerlichsten Eindruck machen muß und leider noch so Viele von der Theilnahme am Turnen abhält; doch finden sich diese Mißstände fast nur noch in jüngeren und kleineren Vereinen, in den meisten der bedeutenderen Vereine sind sogar die Auswüchse des specifischen „Urturnerthums“ streng verpönt. Freilich soll nun das Turnen nicht Selbstzweck bleiben, sondern durch den Einzelnen das Wohl der Gesammtheit fördern. Wo dieser Grundsatz sich auf wirklich praktische Bedürfnisse anwenden ließ, haben denn auch die Turnvereine eine segensreiche Wirksamkeit begonnen; wir erinnern vor Allem an die in den meisten und wohl in allen größeren Vereinen bestehenden Turner-Feuer-Wehren, welche in Augsburg, Leipzig, Pforzheim etc. zu wahren Musteranstalten ihrer Art geworden sind. Fraglicher ist die neuerdings oft angeregte Wehrhaftmachung der Turnvereine, die – weil sie eben unzeitgemäß und nicht aus einem wirklich gefühlten Bedürfniß hervorgegangen – bisher nicht über den Standpunkt eitler Spielerei hinweggekommen ist. Die tüchtigeren Turnvereine sind diesen Bestrebungen gänzlich fremd.

Was überhaupt der Sache des Turnens erst einen höheren ethischen und nationalen Werth verleiht, das ist der in allen Turnvereinen herrschende Geist der Zusammengehörigkeit und der Vaterlandsliebe. Von diesem Geiste, der vom Turnerthum ganz unzertrennlich, aber weit entfernt ist von der „politischen Agitation“, waren die Feste von Coburg und Berlin und alle anderen im weiten deutschen Vaterlande getragen; durch diesen Geist wurden die Turnfeste zu Volksfesten, die Turnsache zur Volkssache. In dem Bewußtsein des einen strebend auf dem einen vaterländischen Boden treten die deutschen Turner als einige deutsche Turnerschaft auf, als geschlossenes Ganzes. Wie im einzelnen Verein dem Bedürfniß gegenseitiger Anregung durch gemeinschaftliche Gesangübungen, Turnfahrten und Versammlungen zu ernsten und heiteren Zwecken nachgekommen wird, so leben die Vereine unter einander in regem Verkehr. So sind zu den Turnfesten, an denen stilles Wirken anregend und werbend aus den engen Grenzen der Uebungsplätze heraustritt, nicht nur fremde Vereine herzlich eingeladen, sondern es haben sich, wo kein engherziges Landesgesetz im Wege stand, ganze Vereinsgruppen zu sogenannten „Gau-Turnverbänden“ zusammengethan, deren hauptsächlichster Zweck eben in der Regelung der Festangelegenheiten, bezüglich der Bestimmung eines jährlich wiederkehrenden Gaufestes, sodann in der Hinwirkung auf einen einheitlichen Turnbetrieb etc. besteht. Der Verein, welcher für das kommende Jahr das Fest übernimmt, erhält damit zugleich die Vorortschaft. So haben wir jetzt einen schwäbischen, einen bairischen, einen oberrheinischen, mittelrheinischen, niederrheinisch-westphälischen, einen nord-, süd- und ostthüringischen, einen Hennebergischen, niedersächsischen, einen Niederweser-Turnerbund und sieben schlesische Turngaue etc.

Wenn nun auch neuerdings auf den Turntagen zu Coburg und Berlin von der Gründung eines allgemeinen deutschen Turnerbundes (woraus man von gewisser Seite den Turnvereinen einen Vorwurf hat machen wollen) abgestanden wurde, so ist dies keineswegs ein Beweis für Mangel an einigem Geiste und einigem Handeln. Denn so schön der Gedanke an solchen Bund, dessen eigentliche Bedeutung schließlich doch nur in äußerlichem Satzungs- und Formenwesen bestehen würde, bei oberflächlicher Betrachtung erscheint, so wenig entspricht er dem wirklichen Bedürfniß. Diesem zu genügen, ernannten die zu Berlin versammelten Turner einen ständigen Ausschuß, dessen Mitglieder, 15 an der Zahl, aus den verschiedenen Theilen des Vaterlandes gewählt wurden und durch welchen die laufenden Angelegenheiten der deutschen Turnerschaft endgültig erledigt werden. Der Ausschuß hielt seine erste Berathung in Gotha am 27. und 28. December v. J., deren hauptsächliche Ergebnisse wir hier mittheilen wollen, da sie zugleich einen Einblick in die turnerischen Tagesfragen gewähren.

Das nächste allgemeine deutsche Turnfest wird im Sommer 1863 in Leipzig, das übernächste im Sommer 1865 in Nürnberg abgehalten werden. (Das Leipziger Comité hat die Tage des Festes auf 2. – 5. August 1863 festgesetzt und seine vorläufigen Bestimmungen nach der Größe der zu erwartenden Festgenossenschaft – etwa 12–14000 Turner – getroffen.)

[783] An das Comité zur Errichtung eines Jahndenkmals stellte der Ausschuß den Antrag: das Denkmal (zu dem beim Berliner Turnfest der Grundstein gelegt wurde) soll auf der Hasenhaide in Form eines Malhügels aus den von den Turnvereinen aus allen deutschen Gauen und selbst über’s Meer her eingesandten Steinen, geziert durch ein einfaches Brustbild oder eine Platte, ausgeführt werden.

Im Hinblick auf die mancherlei unrichtigen und unklaren Urtheile über die Stellung der Turnvereine im staatlichen Leben gab der Ausschuß die Erklärung ab: „Das Turnen kann nur dann seine reichen Früchte entfalten, wenn es als Mittel betrachtet wird, dem Vaterlande ganze tüchtige Männer zu erziehen; jedwede politische Parteistellung jedoch muß den Turnvereinen als solchen unbedingt fernbleiben, – die Bildung eines klaren politischen Urtheils ist Sache und Pflicht des einzelnen Mannes“ Mit der Frage der politischen Stellung der Turnvereine ist die der Wehrhaftmachung eng verknüpft. Der Ausschuß erklärte, und wohl in richtiger Erwägung der Verhältnisse und namentlich der den Turnvereinen zu Gebote stehenden Mittel: „Waffenübung mit Ausschluß aller Äußerlichkeiten kann der Ausschuß nur denjenigen Vereinen empfehlen, welche dazu genügende Lehrkräfte besitzen; der treue, regelrechte Betrieb eines Turnens, welches den Körper zu allen männlichen Leistungen befähigt, muß Hauptsache bleiben.“

Als alleiniges Organ der Turnerschaft wurde die von Dr. Goetz in Lindenau redigirte und seit 1856 bei Ernst Keil in Leipzig erscheinende „Deutsche Turnzeitung“ anerkannt. (Die deutschen Turnlehrer benutzen als Organ die wissenschaftlichen, von Dr. Moritz Kloss in Dresden herausgegebenen „Neuen Jahrbücher für die Turnkunst“.)

Dr. Lion (seit 1. October d. J. Director des gesammten Turnwesens in Leipzig) wurde mit der Veröffentlichung eines gemeinsamen Leitfadens der Frei- und Ordnungsübungen beauftragt; ferner wurden zunächst die Vereine zu Leipzig, Dresden, Köln, Königsberg, Stuttgart, München, Gera, Berlin, Stettin, Bielefeld u. a. aufgefordert, Gelegenheit zur Ausbildung von Vereins-Vorturnern und Turnlehrern zu geben.

Auch für weitere Kreise und namentlich das gesammte deutsche Vereinswesen (Schützen-, Gesang-, Bildungs-, Vorschußvereine etc.) von großem Interesse ist die vom Ausschuß unternommene „Statistik des deutschen Turnwesens“. Wenn auch der Gedanke an die Sache nicht ganz neu ist (schon vor zwei Jahren gab der Berliner Turnrath eine statistische Uebersicht der Turnvereine heraus, und Gutzkow sagt irgendwo: „Eine Vereinsstatistik unserer Zeit müßte außerordentlich lehrreich sein“), so ist die Anlage des heurigen Unternehmens doch so ursprünglich und den gegebenen Verhältnissen nach so vortrefflich, daß ein näheres Eingehen an dieser Stelle wohl gerechtfertigt erscheint. – Nur bei zweckmäßiger Vertheilung der statistischen Arbeiten war für diese Tüchtiges und Gediegenes zu erwarten; daher übertrug der Ausschuß jedem Einzelnen seiner Mitglieder einen bestimmt abgegrenzten Wirkungskreis, und es hat laut dieses Beschlusses, während der Schreiber dieses für die Gesammt-Redaction der Statistik verantwortlich ist, von den 15 Ausschußmitgliedern jeder Einzelne für die gewissenhafte Ausführung derselben in seinem Kreise zu haften. Die 15 deutschen Turnkreise deren Zusammensetzung nach politischen Gebieten und Vereinen aus Nr. 15 der Deutschen Turnzeitung hervorgeht) und ihre Vertreter im Ausschuß sind folgende:

1. Kreis Nordosten. (39 Vereine.) Dr. K. Friedländer in Elbing.
2. „ Schlesien und Südposen. (78 Vereine.) Oberturnlehrer Rödelius in Breslau.
3. „ Mark und Pommern. (185 Vereine.) Dr. Ed. Angerstein in Berlin.
4. „ Norden. (59 Vereine.) Kaufmann G. Jacobi in Hamburg.
5. „ Unterweser und Ems. (42 Vereine.) Dr. J. C. Lion, Turnlehrer, in Bremerhaven (jetzt in Leipzig).
6. „ Hannover. (50 Vereine.) H. Schäfer in Lüneburg.
7. „ Oberweser. (34 Vereine.) Turnlehrer E. Boppenhausen in Cassel.
8. „ Niederrhein und Westphalen. (97 Vereine.) W. Angerstein, Turnlehrer in Köln.
9. „ Mittelrhein. (168 Vereine.) F. Wilhelmi, Turnlehrer in Neustadt a. H.
10. „ Oberrhein. (28 Vereine.) Dr. med. Gißler in Pforzheim.
11. „ Schwaben. (64 Vereine.) Rechtsanwalt Th. Georgii in Eßlingen.
12. „ Baiern. (115 Vereine.) Inspector G. H. Weber in München.
13. „ Thüringen. (140 Vereine.) Reallehrer E. Hausmann in Neustadt a. D.
14. „ Sachsen. (180 Vereine.) Dr. med. Ferd. Goetz in Lindenau b. Leipzig. (Geschäftsführer des Ausschusses.)
15. „ Oesterreich. (30 Vereine.) Konr. Lecher in Wien.[1]

Jedes Ausschußmitglied bekam eine entsprechende Anzahl von gedruckten Fragebogen, die unterm 1. Juni dieses Jahres an die einzelnen Vereine zur Ausfüllung übersandt wurden. Die Ausfüllung von Seiten der Vereine geschah nach dem Thatbestand des 1. Juli und an diesem Tage. Die so mit einem getreuen Bilde des Turnwesens am Orte versehenen Bogen wurden dann unverzüglich an die Absender, bez. die einzelnen Ausschußmitglieder, zurückgeschickt, die nun aus dem vorliegenden Stoff einen vollendeten Bericht über ihre betreffenden Turnkreise zusammenstellten, so jedoch, daß alle diese Arbeiten nach einer gemeinsamen Anweisung, einem bestimmten Schema, gleichmäßig durchgeführt wurden. Bis Ende September d. J. sollten sämmtliche 15 Berichte zur Schlußredaction und Zusammenstellung in den Händen des Verfassers sein; das Ganze aber wird in Form eines „Jahrbuchs der deutschen Turnvereine auf 1863“ (Leipzig bei Ernst Keil) erscheinen.

Endlich heißt es in der Erklärung des Ausschusses: „Die Turnerschaft wird aufgefordert, in den einzelnen Staaten immer und immer wieder durch Petitionen an die Kammern und sonstige Mittel besonders für Hebung des Schulturnens und Errichtung von Turnlehrerbildungsanstalten nach deutschem System, auf Grundlage des Coburger Aufrufs von 1860 und unter wirklich praktischen Vorschlägen, zu wirken. Namentlich mögen die Turner allenthalben auch durch die Presse für das Turnen, besonders das der studirenden Jugend, wirken.“ Wir fügen Dem folgende Erläuterung bei, die zugleich unsere Mittheilungen passend abschließen möge: Trotz aller Anerkennung des Turnens als eines nothwendigen Erziehungs- und Bildungsmittels ist in der Mehrzahl der deutschen Staaten die Einführung desselben immer nur erst halbe Maßregel geblieben. Zwar ist neuerdings, z. B. von der königlich sächsischen, der würtembergischen und weimarischen Regierung, Umfangreiches für das Turnen auch in den Volksschulen gethan worden – aber grade die Länder, welche größere Bevölkerungen umfassen, haben bisher in der That nur für die Einführung in den höheren Unterrichtsanstalten gesorgt. Möge in Preußen das naturgemäße, vaterländische deutsche Turnen, für welches bekannterweise die heurige Volksvertretung so wacker eingestanden (Virchow, Techow u. A.), recht bald einen gründlichen Sieg über die importirte unnütze „schwedische Heilgymnastik“ feiern, wie sie leider noch in der Berliner Centralturnanstalt betrieben und von da dem ganzen Lande aufgedrungen wird; daß dieser Sieg kommen muß, steht über allem Zweifel, aber es muß dennoch von dem guten Willen der Regierung abhängen, dem deutschen Turnen durch energische Einführung in Schule und Heer die Anerkennung zu verschaffen, die es verdient. Soll das Turnen seine vollen Segnungen spenden, soll es mit einem Worte „eine neue kräftigere Generation heranbilden“, so muß es auf das ganze Volk, also vor Allem auf die Dorf- und städtischen Schulen sowie auf das Heer ausgedehnt und hier auch wirklich mit allem Ernste betrieben werden; als gerechte Folge hiervon aber erscheint die Forderung, daß von Seiten der Regierungen allen turnerisch Vorgebildeten eine Abkürzung der militärischen Dienstzeit gewährt werde.

So kann und wird es wahr werden, was Vater Jahn von der Turnerei prophezeit: „Das Turnen, aus kleiner Quelle entsprungen, wallt jetzt als freudiger Strom durch Deutschlands Gauen. Es wird künftig ein verbindender See werden, ein gewaltiges Meer, das schirmend die heilige Grenzmark des Vaterlandes umringt!“

  1. Die Statistik besorgt für Thüringen E. Debes in Gotha, für Sachsen Ed. Strauch in Leipzig, für den Mittelrhein Dr. Weber in Gießen, für Baiern G. Hoffmann in Bayreuth.