Die im Hafen von Sebastopol versenkten russischen Schiffe

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Titel: Die im Hafen von Sebastopol versenkten russischen Schiffe
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 104-106
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die im Hafen von Sebastopol versenkten russischen Schiffe.

Ein russisches Linienschiff auf dem Meeresgrunde.

Im Anfange des Krimfeldzuges versenkten die Russen bekanntlich eine Anzahl großer, aber alter Kriegsschiffe am Eingange des Hafens von Sebastopol, um denselben der Flotte der Westmächte zu sperren. In dem ungeheuren Sturme, der bald darauf in dem schwarzen Meere wüthete und den dort befindlichen englischen und französischen Schiffen so verderblich war, wurde auch die Reihe jener russischen Versenkten so sehr erschüttert, daß die feindlichen Flotten, wäre ihnen dieser Umstand bekannt gewesen, ungehindert hätten in den Hafen hineinfahren können. Die Russen sahen sich dadurch veranlaßt, hinter jener ersten Reihe, nach der Mitte des Hafens zu, eine größere Anzahl Schiffe in einer zweiten Reihe zu versenken. Endlich, als man erkannte, daß Sebastopol trotz aller [105] Anstrengungen nicht lange mehr sich werde halten können, entschloß man sich, auch alle von der Flotte noch übrigen Schiffe in das Meer zu senken. Es lagen nun in demselben fünf Linienschiffe, siebzehn Fregatten, sechs Corvetten, zehn Kriegsbriggs, sechs Kriegsschooner, fünfzehn Kriegsdampfer, dreiundzwanzig Transportschiffe, neunzehn Kauffahrteischiffe und mehrere kleinere Fahrzeuge, die im Ganzen einen Werth von etwa einhundert Millionen Thalern hatten, abgesehen von den Schiffen, welche die Russen in Kertsch versenkten.

Natürlich hatte, man aber keineswegs die Absicht, die Schiffe und alles Material auf denselben für immer zu vernichten und zu opfern. Im Gegentheil, man dachte schon damals daran, nach Wiederherstellung des Friedens so viel als möglich zu retten. Man ergriff deshalb auch Maßregeln, das Werthvollste vor dem Verderben in dem Meerwasser so viel als möglich zu schützen; man bestrich z. B. alle Maschinentheile von den Kriegsdampfern mit einer dicken Talgschicht, um sie vor dem Rosten zu schützen.

Der Taucher auf dem Meeresboden.

Das war bekannt und nach dem Frieden machten dreizehn Privatpersonen oder Vertreter von Gesellschaften, darunter auch der Pariser Credit mobilier, der Regierung in Petersburg Vorschläge und Anträge, die in dem Hafen von Sebastopol versenkten Schiffe wieder heraus zu schaffen, selbstverständlich, weil sie ein gutes Geschäft dabei machen zu können glaubten. In ernstliche Unterhandlungen ließ sich die russische Regierung nur mit dem Amerikaner John E. Gowan ein und mit ihm schloß sie bald auch wirklich einen Contract.

Gowan ist ein noch ziemlich junger Mann, steht an der Spitze der Submarine Company (unterseeische Gesellschaft) in Boston, hat sich ausschließlich mit dem Studium der Mittel beschäftigt, gesunkene Schiffe an die Oberfläche wieder herauszubringen, und von seiner in diesem eigenthümlichen Fache erlangten außerordentlichen Geschicklichkeit bereits mehrfach Proben abgelegt. Abgesehen davon, daß er mehrere (gegen dreißig) Schiffe, die im Mississippi und Hudson gesunken waren, emporgehoben, machte er sich in weitern Kreisen bekannt, als er vor einigen Jahren ein amerikanisches Schiff in der Bai von Gibraltar mit ziemlich leichter Mühe von dem Meeresgründe heraufhob, nachdem die Versuche englischer und anderer Ingenieure gescheitert waren, das Wrack des Schiffes emporzuheben oder wenigstens zu zerstören.

Taucher in einem gesprengten Schiffe.

Die Vorrichtungen und Maschinen, die Gowan anwendet, sind an sich staunenswerth und Wunder der Mechanik, vorzugsweise eine ungeheuere neuerfundene Pumpmaschine. welche, mit aller Kraft [106] arbeitend, tausend Tonnen Wasser in einer Minute entfernen kann, so daß es mittelst derselben leicht ist, ein selbst achtzig Fuß tief im Wasser liegendes Schiff (der Hafen von Sebastopol hat nur 66 Fuß Tiefe) auszupumpen, mit Luft zu füllen und dann unbeschädigt emporzuheben. In gleich riesenhaftem Maßstabe sind die andern Maschinen und Werkzeuge eingerichtet. Die Kette z. B., welche man anwendet, die Schiffe emporzuziehen, ist gegen dreihundert Ellen lang; jedes einzelne Glied oder Gelenk daran wiegt dreihundert Pfund und ist einzeln durch eine Last von 2000 Centnern geprüft worden.

Nachdem Gowan an Ort und Stelle, im Hafen von Sebastopol, die genauesten Besichtigungen gehalten hatte, auch in einem Taucheranzuge dort selbst auf den Meeresgrund hinabgestiegen war, um die da liegenden Schiffsleichen zu mustern, wiederholte er gegen die russische Regierung, daß die versenkten Schiffe theils ganz, theils in Stücken heraufgebracht werden könnten. Nach dem Contracte, den er abgeschlossen, sollte Gowan gegen zweihundert amerikanische erprobte Arbeiter, darunter mehrere der besten Taucher, die Taucheranzüge und alle nöthigen Maschinen liefern, während ihm die russische Regierung vier- bis fünftausend Arbeiter zur Beifügung stellt, sowie alles nöthige Material, dessen Kosten sich auf mehr als zwei Millionen Thaler berechnen, und ihm gewisse Procente an dem Werths der geretteten Schiffe und Schiffsmaterialien gewährt.

Die Amerikaner sind mit ihren Maschinen im vorigen Sommer in Sebastopol angekommen, und haben ihre Operationen fortgesetzt, bis der Eintritt des Winters sie unterbrach. Wir hatten Gelegenheit, einen Brief von einem dabei beschäftigten Ingenieur zu lesen und theilen die Hauptsachen daraus mit, weil er einen Einblick in das Verfahren bei diesem bewundernswürdigen und riesenhaften Unternehmen gibt.

Man vermuthete oder vermuthet vielleicht, heißt es in dem Briefe, daß die Schiffe ganz, nicht zerstört, emporgehoben werden würden; da sie aber bereits so lange im Wasser gelegen haben und von den Würmern sehr zerfressen sind, ist es zweifelhaft, ob sie bei dem Emporheben zusammenhalten. Würden sie aber auch wirklich ganz an die Oberfläche heraufgebracht, so dürften sie doch als Kriegsschiffe keinen Werth haben, und die Kosten der Ausbesserung so bedeutend sein, daß man neue dafür würde bauen können. Es kann also nur auf den Werth des Materials gerechnet werden. Einige eiserne Dampfer und einige wenige von Holz wird man allerdings ganz herausheben; die andern werden unter dem Wasser gesprengt. Das ist bereits mit drei Schiffen von 120 Kanonen, z, B. den „zwölf Aposteln“ und einigen andern geschehen.

Das Zersprengen ist von höchstem Interesse, erfordert aber die größte Vorsicht und Genauigkeit. Vor allem wird ein erfahrener Taucher hinuntergeschickt, der das Schiff zu besichtigen und über den Befund zu berichten hat. Das Taucherboot wird dann gerade über das Schiff gelegt oder doch so nahe als möglich. Von dem Boote reicht bis hinunter auf den Meeresgrund eine Strickleiter, auf welcher der Taucher auf- und niedersteigt, der überdies ein Tau um den Leib geschlungen hat, das im Boote oben befestigt ist, mit dem er Signale gibt und durch das man ihm auch heraufhilft. Auf dem Kopfe trägt der Taucher eine Art Helm, der eine gewisse Luftmenge enthält, welche immer frisch erhalten wird durch eine Luftpumpe in dem Boote und einen Gutta-Percha-Schlauch. Manchmal bleibt ein solcher Taucher acht bis zehn Stunden ununterbrochen unten auf dem Meeresboden oder im Schiffe, und verrichtet da schwere Arbeiten, indem er z. B. starke eiserne Ketten mit Meißel und Hammer zu trennen, Balken zu zersägen, starke Bolzen herauszutreiben hat und anderes, was man unter solchen Umständen fast für unmöglich halten sollte. Alles Bewegliche, Ketten, Anker, Geschütz u. s. w. wird von dem Taucher unten, wie man auf der Abbildung sieht, an ein Tau gebunden und dann von der Mannschaft oben im Boote hinaufgewunden. Ist Alles bereit das Schiff zu sprengen und das Pulver zu legen, so bringt man ein großes Pulverboot mit zehn bis zwanzig Gutta-Percha-Pulversäcken in die Nähe. Diese Pulversäcke, die natürlich wasserdicht sind, haben an dem einen Ende einen Holzpflock, durch welchen zwei Kupferdrähte bis in die Mitte des Pulvers gehen, wo sie durch ein ganz kleines Platinastückchen verbunden sind. Der Taucher trägt einen solchen Pulversack hinunter in den Theil des Schiffes, der zuerst gesprengt werden soll, und steigt dann wieder hinauf in das Pulverboot, welches etwa zehn Mann und die galvanische Batterie trägt. Bringt man die Drähte oben in Verbindung, so entzündet sich unten das Pulver, es erfolgt die Explosion, das Wasser wird aufgewühlt und Holzstücke schwimmen empor (nebst einer großen Anzahl todter Fische). Gewöhnlich dauert es drei bis vier Stunden, bis das Wasser wieder so ruhig und hell geworden ist, daß der Taucher von Neuem hinuntersteigen und seine Arbeit fortsetzen kann. Alles Werthvolle, was emporgeschleudert oder sonst von dem Schiffe unten losgerissen worden ist, wird geborgen und der Versuch wird so lange fortgesetzt, bis das Schiff gänzlich zerstört ist.

Bisher sind alle diese Sprengungen sehr glücklich von statten gegangen, die Arbeiten aber nicht gleich leicht. Einige der Fahrzeuge liegen unten auf festem Boden und sie bieten gar keine Hindernisse; andere aber sind tief in Schlamm gesunken und sehr schwer zugänglich.

Ein Unglück ist doch auch schon vorgekommen, wenn auch nicht unter dem Wasser. Es mußte an dem einen Ufer ein Schuttdamm aufgeräumt werden. Dabei gelangten die Arbeiter auf gefüllte Bomben und, aus welcher Ursache es geschehen, weiß man nicht, sie platzten. Sechs der Arbeiter blieben auf der Stelle todt und viele andere wurden verwundet.