Die sterbende Meduse

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Autor: Conrad Ferdinand Meyer
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Titel: Die sterbende Meduse
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 188-189
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von H. Haessel
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
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[188]

Die sterbende Meduse.[WS 1]

Ein kurzes Schwert gezückt in nerv’ger Rechten,
Belauert Perseus[WS 2] bang in seinem Schild
Der schlummernden Meduse Spiegelbild,
Das süße Haupt mit müden Schlangenflechten.

5
Zur Hälfte zeigt der Spiegel längs der Erde

Des jungen Wuchses athmende Geberde –
„Raub’ ich das arge Haupt mit raschem Hiebe,
Verderblich der Verderberin genaht?
Wenn nur die blonde Wimper schlummernd bliebe!

10
Der Blick versteint! Gefährlich ist die That.

Die Mörderin! Sie schließt vielleicht aus List
Die wachen Augen! Sie die grausam ist!
Durch weiße Lider schimmert blaues Licht
Und – zischte dort der Kopf der Natter nicht?

15
Medusen träumt daß einen Kranz sie winde,

Der Menschen schöner Liebling der sie war,
Bevor die Stirn der Göttin Angebinde
Verschattet ihr mit wirrem Schlangenhaar.
Mit den Gespielen glaubt sie noch zu wandern

20
Und spendet ihnen lockenschüttelnd Grüße,

In blüh’ndem Reigen regt sie mit den Andern
Die freudehellen, die beschwingten Füße,
Ihr Antlitz hat vergessen, daß es tödte,
Es glaubt, es glaubt an die barmherz’ge Lüge

25
Des Traums. Es lauscht dem Hauch der Hirtenflöte,

Der weich melodisch zieht durch seine Züge.

[189]
Es lächelt still, von schwerem Bann befreit,

In unverlorner erster Lieblichkeit.

Der Mörder tritt an ihre Seite dicht

30
Und dunkler träumt Medusens Angesicht.

Ihr ist, sie habe Haß empfunden schon,
Vor sich geschaudert, dumpf und bang gelitten,
Die Menschen habe scheu sie erst geflohn,
Dann ihnen nachgestellt mit Meuchlerschritten –

35
Sie sinnt was Unheilbares sie gequält,

Daß sie dem eignen Leben feind geworden
Und andres Leben sich ergötzt zu morden –
Sie sinnt umsonst. Ihr hält’s der Traum verhehlt.
Die grause Larve, die sie lang geschreckt,

40
Ist wie mit einem Purpurtuch bedeckt.

Das Graun ist aufgelöst in Seligkeit,
Begonnen hat der Seele Feierzeit.
Der Dämmer herrscht. Das harte Licht verblich.
Als eine der Erlösten fühlt sie sich.

45
Sie fürchtet keines Schreckens Wiederkehr,

Sie weiß, die Qualen kommen nimmermehr,
Nein, nimmermehr, und nun ist Alles gut!
Sie liegt, den Hals gebogen, auf dem Rasen,
Sie hört die Hirtenflöte wieder blasen

50
Und lauscht. Sie zuckt. Sie windet sich. Sie ruht.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Meduse, Gestalt aus der griechischen Mythologie
  2. Perseus, Gestalt aus der griechischen Mythologie