Die vierte deutsche Verbandskochkunst-Ausstellung zu Leipzig

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Autor: Valerius
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Titel: Die vierte deutsche Verbandskochkunst-Ausstellung zu Leipzig
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 146–150
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Morgenstern, Lina: Die Berliner Volksküchen : culturhistorisch-statistische Darstellung, 1870, MDZ München, ZLB: Ausgaben 1870 und 1868
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Die vierte deutsche Verbandskochkunst-Ausstellung zu Leipzig.

Von Valerius.0 Mit Abbildungen von G. Broling.

Der Krystallpalast im Alten Schützenhause der Messen- und Musenstadt Leipzig hat in den ersten Tagen des Monats Februar eine eigenartige Anziehungskraft auf alle Diejenigen ausgeübt, denen die Erzeugnisse der edlen Kochkunst nicht gleichgültig sind. Fast schien es, als ob die Tausende von Eisenstäben, aus welchen der schlanke Bau aufgerichtet ist, in Magnete verwandelt worden wären, in Magnete, die nicht das todte Eisen, sondern das leichtbewegliche Volk anzuziehen vermögen; denn zu allen Tageszeiten pilgerten dichte Menschenmassen durch die Wintergartenstraße in die Räume des Krystallpalastes, und in vier Tagen betrug die Zahl der Besucher mehr als 50,000.

Was dieses von dem energischen Unternehmer, Herrn Berthold, gegründete und erst vor Jahrefrist eröffnete Etablissement für Leipzig bedeutet, das hat diese Gelegenheit gelehrt: die Stadt besitzt in dem Krystallpalaste nicht nur einen für Vergnügungen sehr geeigneten Raum, sondern auch ein für Ausstellungen verschiedenster Art passendes Gebäude. Die gemüthlichen Bürger der Pleißestadt blicken mit einem gewissen Stolz auf diese neue Schöpfung, die, von dem Schützenhausgarten aus gesehen, in der That einen äußerst gefälligen Anblick bietet. (Vergl. das Initial!)

In den hellen Räumen des Krystallpalastes also fand, wie gesagt, vom 1. bis 5. Februar die vierte deutsche Verbandskochkunst-Ausstellung statt, welche ihre drei Vorgängerinnen in ungeahnter Weise übertraf und für die betreffenden Fachkreise von weittragender Bedeutung wurde. Darum zögern wir auch nicht, ihr an dieser Stelle einen ehrenden Nachruf zu widmen und einen Abstrahl ihres kurzdauernden Glanzes unseren Lesern in Bild und Wort vor Augen zu führen.

Ein Gang durch die mit Erzeugnissen der Kochkunst überfüllten Ausstellungsräume ist indessen nicht so leicht ausgeführt, [147] wie man denken möchte. Kaum haben wir die Eingangspforte im Rücken, und schon stehen wir mitten in einem Gewirre von allerlei Hummerpyramiden, Pasteten, Hlrschrücken, Marcipanbildsäulen, Tafelservicen und Kochgeschirren. Wir sind in ein wahres Labyrinth gerathen, und wenn wir bei dem Besuche der Ausstellung nicht allein sehen, sondern auch lernen wollen, so müssen wir einen Ariadnefaden zur Hand haben, der uns vor Verirrungen schützt. Glücklicher Weise ist ein zuverlässiger Führer durch diese Schlaraffia nicht schwer zu finden. Vergegenwärtigen wir uns nur den Stand und die Aufgaben der modernen Kochkunst, und wir werden das Bedeutende von dem Gewöhnlichen sicher unterscheiden können.

Das zahlreiche Heer der Männer, deren Stand sich durch die weißen Mützen und Schürzen kennzeichnet, und das viel zahlreichere der Jungfrauen und Frauen, die den Quirl und Löffel als Küchenscepter schwingen, hat ihr Wirken und Streben in den Dienst einer und derselben Aufgabe gestellt: Was die Natur an verzehrungswerthen Gegenständen über Länder und Meere verstreut hat, das wissen die Köche und Köchinnen in menschenwürdige Kost zu verwandeln; sie Alle, ohne Ausnahme und ohne Unterschied, sind aufmerksame Diener des menschlichen Magens. Die Art und Weise jedoch, in welcher dieser zahlreichste unter allen Berufsständen für seinen Herrn und Gebieter Sorge trägt, ist von sehr verschiedenem Werth, wie überhaupt alle Dienstleistungen, die auf dieser Erde verrichtet werden.

Es giebt zunächst Meister und Meisterinnen der Kochkunst, die den Mantel auf zwei Schultern tragen und also zweien Herren dienen. Indem sie für den Magen arbeiten, berücksichtigen sie in entgegenkommendster Weise alle Wünsche seines Collegen, des Gaumens, der bekanntlich ein sehr launenhafter und wetterwendischer Gesell ist. Daß der Magen und mit ihm die Gesundheit dabei sehr oft schlecht fährt, ist allgemein bekannt. Und trotzdem ist die Zahl der Köche, die in solcher Weise handeln, die bei weitem größte, umfaßt sie doch namentlich alle höher Chargirten dieses Standes. An diesem Uebel, welches so alt ist wie die menschliche Cultur, tragen freilich die Köche selbst am wenigsten Schuld; denn immer gab es und immer wird es reiche Leute geben, welche an der einfachen spartanischen Kost kein Wohlgefallen finden. Ja, die Verbreitung dieser Feinschmecker ist so groß und ihr Beispiel so ansteckend, daß, wenn man überhaupt von der Kochkunst spricht, die Menschen nicht an die Herstellung der gewöhnlichen Hausmannskost denken, sondern darunter die Kunst, lucullische Mahlzeiten zu bereiten, verstehen. Diese Auffassung entsprach auch durchaus der Wahrheit, so lange die Köche nur Fürstendiener waren oder im alleinigen Sold des Reichthums standen.

Als aber in der Neuzeit Voksküchen entstanden, da feierte der spartanische Koch in neuer Gestalt seine Wiedergeburt, er, der weniger auf den Geschmack achtet und es sich vor Allem angelegen sein läßt, gesunde und kräftige Kost zu schaffen. Diese Art der Kochkunst war in früheren Zeiten unbekannt; sie ist ein Kind des modernen Fortschritts, der rastlos und unermüdlich daran arbeitet, die sociale Lage der untersten Schichten des Volkes günstiger zu gestalten.

Außerdem hat der Koch in Ausnahmefällen noch besondere Pflichten zu erfüllen, indem er nicht für den gesunden, sondern für den kranken Menschen arbeitet. Er ist alsdann kein selbstständiger Meister, sondern nur ein Handlanger des Arztes. Im grauen Alterthum war sein Ansehen in dieser Beziehung viel größer, als heutzutage; denn der Koch hatte auch die Arzneigetränke, die der Arzt verordnete, zu bereiten und zu verabreichen.

Der aufmerksame Leser weiß jetzt, wo hinaus wir wollen. Gemäß den verschiedenartigen Aufgaben der Kochkunst, gedenken wir die Ausstellung von den Gesichtspunkten der Luxusküche, der Volksküche und des Tisches für Kranke zu betrachten, und wir werden dabei keine Gefahr laufen, Unvergleichbares mit einander vergleichen zu wollen. Leider müssen wir im Voraus bemerken, daß der Tisch für Kranke sehr schwach beschickt wurde.

Wie man sich leicht denken kann, war die Luxus- oder die feine Küche auf der Leipziger Ausstellung am stärksten vertreten. Ihre Erzeugnisse eignen sich ja am besten zum Schaugepränge, und außerdem war ja die Ausstellung von den deutschen Gastwirthen in’s Leben gerufen worden, die bei ihren Table d’hôtes bekanntlich keine Volksnahrung auftischen. Alle diese Prachtstücke entzücken ohne Zweifel das Auge des Beschauers und schmecken vortrefflich, aber wir können sie in diesem Artikel nur flüchtig berühren.

Es liegt uns zwar durchaus fern, das hohe Verdienst, welches sich die Aussteller der fertigen Gerichte um die Ausstellung selbst erworben haben, in irgend welcher Welse schmälern zu wollen, aber eine Würdigung dieses Verdienstes kann hier nicht unsere Aufgabe sein; denn wie sollten wir unseren Lesern einen Begriff von der Pracht einer Hummerpyramide beibringen, die meterhoch auf dem Tische in die Höhe ragt, oder von dem gewaltigen Eindruck eines gebratenen Hirschrückens, der auf einem fußhohen Fettsockel ruht? Solche Kunstwerke kann man nur dann bewundern, wenn man sie mit eigenen Augen sieht, und nur dann würdigen, wenn man sie ißt. Nur einen flüchtigen Blick werfen wir daher auf die zahlreichen speisebeladenen Tische, die in dem großen Theatersaale des Krystallpalastes aufgestellt waren.

Schier gewaltig war das Frühstück, welches der „Verein Leipziger Gastwirthe“ servirte; fein säuberlich geputzt und geordnet standen da mehrere Hirschrücken, ein Wildschweinskopf, zwei große Rheinlachse, Truthähne, Birkwild, Fasanen, Salate, Hummerpyramiden, Pasteten u. dergl. m. Sehr gefällig präsentirte sich auch die Ausstellung des „Vereins der Hamburger Gastwirthe“, als deren Verfertiger Ph. Kern zu nennen ist; ein großes Schiff stand, mit dem Hamburger Wappen geziert, in der Mitte des Tisches; es barg einen mächtigen Lachs, der in Aspic, einer Art säuerlichen Gelées, eingebettet war. Ueberhaupt waren die Kunstwerke aus Gelée in den mannigfachsten Formen vertreten ; wir sahen zahlreiche Bassins, in denen Aspic die Stelle des klaren Wassers vertrat und in welche verschiedene Fische in schwimmender Stellung eingesetzt waren. Der „Verein Kieler Gastwirthe“ stellte sogar ein Aquarium mit verschiedenen Fischen in Aspic aus. Aber dieses Kunstwerk entstand keineswegs an dem bernsteinreichen Ostseestrande, sondern in der „Seestadt“ Leipzig; denn als Verfertiger desselben wurde uns der Leipziger Stadtkoch Karl Hoffmann genannt. Diese Aquariumfische waren selbstverständlich reine Zwerge im Vergleiche zu dem 37 Pfund schweren Hechte, mit welchem der „Verein der Gastwirthe von Frankfurt an der Oder und Umgebung“ die Ausstellung beschickte. So wechselte hier Großes mit Kleinem in mannigfachster Weise ab.

Nicht weniger zahlreich war auch die Verwendung der geflügelten Welt zum Aufputz der verschiedensten Aufsätze. Fasanen, Schnepfen, ja selbst Pfauen schmückten allerlei Pasteten, oft zu humoristischen Gruppen vereint, wie dies in der Schlußvignette zu diesem Artikel angedeutet ist.

Mit diesen Erzeugnissen der Kochkunst wetteiferten um die Siegespalme Producte der verschiedenartigen Conditoreien, und die Leipziger freuten sich ungemein, die Zierde ihres berühmten Augustusplatzes, das Neue Theater mit dem Schwanenteich in täuschender Aehnlichkeit auf einem Ausstellungstische zu sehen. Die gelungene Nachbildung des Hauses selbst bestand aus feinen Waffeln; das Wasser des Schwanenteiches war durch Aspic angedeutet, und in diesem Wasser sah man selbstverständlich Fische aller Art. Die letzteren waren leider viel zu groß für ihre Umgebung, und ein echtes Leipziger Kind hatte daran unendlich viel auszusetzen; das junge Dämchen betheuerte, solche Walfische gebe es gar nicht in dem herrlichen Schwanenteich, und der Verfertiger sollte statt der „Riesenfische“ doch lieber „Sardellen“ in Aspic gesetzt haben. Trotz des nicht unbegründeten Einwandes machte dieses Werk der Herren Uhlemann und Scheidhauer, welches aus der Kunstwerkstätte des Leipziger Theater-Restaurants hervorgegangen war, ein nicht geringes Aufsehen und zog viele Neugierige herbei.

Auch die Bildhauerkunst wurde der Kochkunst-Ausstellung dienstbar gemacht, aber wo sah man je Bildsäulen in solcher Größe und aus solchem Material gehauen? Wer sich schon beklagt über die kurze Dauer von Marmor und Erz, der würde ohne Zweifel mit Verachtung an dem Kunstwerke vorbeischreiten, das wir hier zu nennen haben. Aber wir sind nicht so wählerisch in Sachen des Ruhmes und zollen gern Lob und Anerkennung der Huster’schen Marcipanfabrik in Hannover, welche uns Siegfried den Drachentödter, ein aus freier Hand gearbeitetes Kunstwerk, vorführte. Das Pferd war aus Tragant und Zucker, und süß war auch der Körper des Reiters und der Leib des Drachen; denn sie bestanden ebenso wie der Sockel aus reinem Marcipan.

Doch wir hätten diesen reichbesetzten Speisesaal beinahe verlassen, ohne zwei Specialitäten zu erwähnen. Wir hätten euch beinahe [148] ganz vergessen: dich, du ausgestopfter, vielgepriesener Haidschnuck aus der Lüneburger Haide, und euch, ihr Schweinsknochen, die ihr als Leipziger Specialität neben dem Allerlei und den Producten des Schlachtfestes euch den Blicken der Beschauer darbotet.

Mit übersättigten Augen, mit schier von allerlei pikanten Gerüchen betäubten Geruchsnerven, aber mit leerem laut knurrendem Magen kehren wir endlich allen diesen Leckerbissen den Rücken, und wehmütig gedenken wir der Fleischtöpfe, die da am häuslichen Herde so schlicht und einfach, aber zur Sättigung bereit dampfen. Was wir bisher sahen, das war die feine Küche im letzten Stadium ihrer Vollendung; jetzt kommen die Rohmaterialien, welche sie verarbeitet, an die Reihe.

Da begegnen uns wieder Fische, wieder Lachse, Hechte und Karpfen; nur sind sie noch unberührt von der Kochcultur und schwimmen lustig in dem großen Aquarium oder lagern, grün und geräuchert, auf den daneben stehenden Tischen. Welche Anziehungskraft übt das Leben auf die Menschen aus! Zu diesem Aquarium, welches der Leipziger Fischhändler J. A. G. Händel ausstellte, drängte sich Alt und Jung, und es ist wirklich zu bedauern, daß dieser Theil der Ausstellung von auswärtigen Firmen nicht reichlicher beschickt wurde.

Vielseitiger war schon die Wild- und Geflügel-Ausstellung, deren geschmackvolles Arrangement eine unserer Abbildungen wiedergiebt. In der einen Ecke der oberen Colonnade des Krystallpalastes wurde ein künstlicher Wald aufgebaut, in dem allerlei eßbares Gethier und auch manches Raubwild ausgestopft figurirte. Da machte der arme Lampe ein zierliches Männchen, und gierig schaute ihn der Ränkeschmied Reinecke an, als ob er zu seiner Frau Hermelyn sagte:

„Komm nur … und essen wir schnell! Denn fett ist der Hase,
Guten Geschmackes. Er ist wahrhaftig zum ersten Mal etwas
Nütze, der alberne Geck.“

Hier war auch Humor mit im Spiele; denn in diesem Walde stand eine Warnungstafel mit der höflichen Inschrift: „Man bittet, die Thiere nicht zu reizen!“

Die Chinesen auf der Kochkunst-Ausstellung zu Leipzig.

Unterhalb dieser Scenerie haben die Wildpret- und Geflügelhändler ihre Lager aufgeschlagen. Rechts war die Firma Heynemann u. Comp. in Leipzig vertreten, links die von Ernst Krieger ebendaselbst. Die letztere brachte als Curiosum Bärentatzen und Bärenschinken, sowie frisches Renthierfleisch. Das letztere wird schon seit langer Zeit in gefrorenem Zustande aus Rußland importirt und dient vielfach als Ersatz des Hirschfleisches. Neben diesen Curiositäten lenkte die Ausstellung der Firma Ed. Nathan in Hamburg die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Im Februar stellte sie uns junge, im Zimmer gezüchtete Hühner und Gänse vor, und unter dem feingespickten Geflügel hatte sie auch „Kücken in Trauer und Halbtrauer“ vorgeführt. Die schwarze Farbe war hier durch Trüffeln vertreten, mit denen die fetten Vögel kunstvoll gespickt wurden.

In derselben oberen Colonnade befand sich auch die Ausstellung der Firma Taen Arr-Hee aus Nanking, vertreten durch Reichert und Richter in Leipzig. Originalchinesen verkauften hier alle Sorten des chinesischen Thees, und die leutseligen Mongolen trugen viel zur Belebung des Ausstellungsbildes bei; sie gaben ihm einen internationalen Anstrich.

Nicht weit von dem Tische der Chinesen erblickten wir auch unser täglich Brod, würdig vertreten durch ein vierzig Kilogramm wiegendes Laib aus der Brodfabrik Voigtländer und Kittler in Leipzig. Aber dieses tägliche Brod mahnt uns daran, daß wir noch andere Pflichten zu erfüllen haben. So nehmen wir denn Abschied von den verschiedenartigen hier aufgestapelten Rohmaterialien und wandern zurück in die Räume des Zwischensaales, in welchem wir über ernste Fragen unterrichtet werden.

Hier finden wir die Bestrebungen vertreten, welche darauf hinausgehen, dem Volke gesunde und billige Nahrung zu bieten. Leider war dieses Gebiet der Kochkunst, auf welchem in der Neuzeit so glänzende Fortschritte gemacht worden sind, so stiefmütterlich beschickt wvrden, daß die hier ausgestellten Gegenstände selbst nur wenig Belehrung boten. Umsomehr sind also die Verdienste Derjenigen anzuerkennen, welche hier erschienen und Mühe und Kosten nicht scheuten, um für die gute Sache zu werben.

Zwei Ausstellungen, einzig in ihrer Art, waren die des „Vereins der Berliner Volksküchen“ und die der Kochschule des „Berliner Hausfrauenvereins“, beide durch deren Vorsitzende, Frau Lina Morgenstern, vertreten. Diese war mit einer Vorstandsdame der Volksküchen, mit einer Schülerin der Kochschule, sowie der Küchenmeisterin der letzteren und einer Wirthschafterin und Köchin der Voksküchen nach Leipzig gekommen, um Propaganda für beide so glücklich ausgeführte Ideen zu machen, was wohl auch gelungen ist, da beide Abtheilungen eine so ununterbrochene Anziehungskraft auf das schaulustige Publicum ausübten.

Die Querwand des Zwischensaals im Krystallpalast nahm die Berliner Voksküche ein. Auf der mittleren Tafel standen die Portionsnäpfe, [150]

wie in Berlin üblich; sie enthielten 4/5 Liter Gemüse mit einem Stück Fleisch für 15 Pfennig, oder 1 Liter Gemüse mit drei Stück Fleisch für 25 Pfennig, und ein Anschlag an der Wand bekundete, daß außer diesen das ganze Jahr hindurch gereichten Mittagsspeisen im Winter des Abends 4/5 Liter Suppe à 6 Pfennig oder 1/2 Liter Thee mit Zucker, Milch und Brödchen für 6 Pfennig verabreicht würden. Auch die Brödchen à 2 Pfennig waren täglich frisch aus Berlin geschickt worden, und erregten deren Wohlgeschmack und Größe ebenso das stets wiederholte Erstaunen, wie die vortrefflichen Speisen: Schmorkohl, Brühkartoffeln, Erbsen mit Sauerkohl, Linsen und Bohnen in Fleischbrühe, Milchreis, Bouillonreis, Reis und Pflaumen. Alle diese Gerichte wurden in einer Küche des Krystallpalastes vorbereitet und auf fünf Gasapparaten, die links eine Tafel einnahmen, fertig gestellt und warm gehalten. Zu gleichem Zwecke diente ein Grude-Ofen.

Das warme Essen wurde von Tausenden geprobt und erfreute sich größter Anerkennung; die Größe der Portionen schien bei der Billigkeit des Preises voraussetzen zu lassen, daß der Verein materielle Unterstützung erhalte, doch besagte das auf dem Tische aufgelegte Buch „Die Volksküchen, culturhistorisch-statistische Darstellung“, daß die Berliner Volksküche auf Selbsterhaltung basire und diese auch ohne alle Beiträge glänzend erzielt habe. Auf den Tischen standen auch die Wasserkrüge, Essigflaschen, Salz- und Pfeffernäpfe und andere in den Berliner Anstalten zur Benutzung kommende Geräthe, wie die Ruder, das Essen zu rühren, die Maßkellen etc. An den Wänden sah man die Sentenzsprüche zur Ermuthigung der Arbeiter und anderer Speisenden, ferner die Verhaltungsmaßregeln, das Verzeichniß der vierzehn Volksküchen in Berlin und das Menu. Die zweiundfünfzig Kochrecepte der Berliner Volksküchen, welche hier à 25 Pfennig verkauft wurden, waren schnell vergriffen.

Vertrat die Volksküche die gesunde, schmackhafte und billigste Massenspeisung, so sah man rechts auf einer Tafel kleine culinarische Meisterwerke als Schülerinnen-Arbeiten der Kochschule des Berliner Hausfrauenvereins, deren praktische Lehrmeisterin bemüht war, dem Publicum durch Vertheilen der Speisen zu zeigen, daß dieselben keine Schaugerichte waren, sondern eine strenge Prüfung auch des feinsten Geschmacks vertragen können.

An der Wand hingen Karten, welche den Geld- und Nährwerth der Speisen und die chemischen Umwandlungen derselben durch das Kochen andeuteten. Außerdem zeigte ein Torso, dem die vordere Oberhülle abgenommen war, die Organe der Verdauung und der Athmung. Endlich lagen auf einem Tische die von Frau Lina Morgenstern verfaßten Lehrbücher der Kochschule: das „Universalkochbuch für Gesunde und Kranke“, „Die menschliche Ernährung und culturhistorische Entwickelung der Kochkunst“ und „Praktische Studien über Hauswirthschaft“.

Dem Vernehmen nach ist diese Kochschule die einzige in Deutschland, welche systematisch außer dem praktischen Unterricht im Kochen, Backen und Braten, – theoretische Lehrstunden giebt in der Lehre vom menschlichen Organismus und seiner Ernährung, in der Nahrungsmittellehre, der Theorie der Kochkunst und Haushaltungskunde. Die Anstalt besteht seit fünf Jahren und bildete über 680 Schülerinnen aus. Am Ende jedes Quartals findet eine öffentliche Prüfung statt. Ausbildung erhalten in derselben Privat- und Hôtelköchinnen, Wirthschafterinnen und Lehrerinnen der Kochkunst, sowie solche Frauen und Mädchen, welche nur dem häuslichen Beruf dienen wollen.

Der Leser ersieht aus dieser Schilderung zur Genüge, daß die beiden Institute auf sehr festen Füßen stehen, und daß ihre nutzbringende Thätigkeit unsere vollste Anerkennung verdient.

Neben der Berliner Volksküche befand sich die Ausstellung der Gesellschaft „Carne pura“, welche die weniger bemittelten Volksclassen mit billigen aus Südamerika stammenden Fleischpräparaten versorgen will. Wir werden bei einer anderen Gelegenheit das neue und wichtige Unternehmen unsern Lesern ausführlich schildern.

Es ist sehr zu bedauern, daß die Volksernährung auf der Leipziger Ausstellung so schwach vertreten war, und der Wunsch ist mehr als berechtigt, daß man in Zukunft auf dieselbe mehr Nachdruck legen möge. Die nächste Gelegenheit hierzu wird sich auf der in diesem Jahre stattfindenden hygienischen Ausstellung in Berlin bieten, und alle Interessenten sollten die Beschickung derselben mit voller Kraft anstreben. Dasselbe gilt von der Küche für Kranke, die, wie gesagt, in Leipzig fast gar nicht vertreten war.

Die unteren Räume des Krystallpalastes waren schließlich mit Kochmaschinen und Geräten förmlich überfüllt, und namentlich die Universalküchenmaschinen fesselten die Aufmerksamkeit des Publicums. W. Hilmer aus Berlin brachte sehr praktische Schälmesser, die von Damen und Herren vielfach gekauft wurden. Auch Kochtöpfe und Mikroskope, Eis-, und Geldschränke, Wiege- und Hackstöcke, Fleisch- und Kaffeemühlen, kurz Alles, was mit der Küche irgendwie zusammenhängt, war hier in buntem Wirrwar zu schauen. Ja selbst eine „Schwester der Nähmaschine“ hat sich in diesen Saal begeben und stellte sich uns bei näherer Betrachtung als eine höchst praktische Waschmaschine vor. Eine genaue Beschreibung aller dieser Maschinen erfordert jedoch so viel Raum, daß wir hierauf in diesem Artikel verzichten und die Leserinnen, die sich für Küchenneuheiten interessieren, auf die nächsten „Zwanglosen Blätter“, die neue Beilage zur „Gartenlaube“, verweisen müssen. In diesen Räumen fanden wir auch die verschiedenartigsten Kochherde für große und keine Wirthschaften, unter denen namentlich die Ausstellungsobjekte von Paul Kretschmann in Leipzig und Gebrüder Demmer in Eisenach hervorgehoben zu werden verdienen.

Daß auch Bacchus und Gambrinus auf einer Kochkunst-Ausstellung nicht fehlen durften, ist wohl selbstverständlich. Das stärkere Geschlecht fand an diesen Ausstellungsstücken seine besondere Freude, und namentlich von dem Freibier wurde ein ausgiebiger Gebrauch gemacht. Auch „Schnäpschen“ wurden tapfer probirt, und noch am letzten Tage der Ausstellung trug ein verspäteter Ausstellungsbesucher, ein ehrwürdiges bemoostes Haupt, eine Flasche Aepfelwein-Champagner zu 1,75 Mark von der bekannten Leipziger Firma C. W. Kämpf als Siegestrophäe langsamen Schrittes davon.

Nun aber bedeckte in Folge des durch die Besucher aufgewirbelten Staubes eine dicke schwarze Kruste alle die Küchenherrlichkeiten; die blumengezierten Blöcke des Kunsteises, welche Adolf Schütte-Felsche aus Leipzig, die Firma des bekannten Café Français, ausgestellt hatte, waren auf dem vollständigen Einschmelzungspunkte angelangt, und es war die höchste Zeit, die Ausstellung zu schließen.

Die Idee, solche Schaustellungen zu veranstalten, erwies sich in Leipzig wiederum zeitgemäß und lebenskräftig, und dem „Deutschen Gastwirthsverbande“ gebührt der Dank und Ruhm, sie angeregt zu haben. Das Gelingen und die glückliche Durchführung des Unternehmens verdanken wir aber der opferfreudigen und umsichtigen Thätigkeit des Leipziger Central-Comités; es darf mit Stolz auf sein Werk zurückblicken; denn es ist ihm gelungen, mehr als 50,000 Personen in vier Tagen die Herrlichkeiten der deutschen Küche vor Augen zu führen.