Die weiße Dame (Gräve)

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Autor: Heinrich Gottlob Gräve
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Titel: Die weiße Dame
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aus: Volkssagen und volksthümliche Denkmale der Lausitz, S. 139–142
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: F. A. Reichel
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Erscheinungsort: Bautzen
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Quelle: MDZ München, Commons
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LX. Die weiße Dame.

Auf dem eine halbe Meile von Heydersdorf und Linde gelegenen Auerberge blickte stolz von seinem Felsennest herab in’s Thal Wilibald, ein zwar stattlicher, aber böser [140] Ritter, der nicht blos, nach damaliger Sitte, wegen seiner Raubfahrten übel berüchtiget, sondern auch von seinen Untergebenen – die ihm blos wegen des hohen Soldes, den er zahlte, dienten – gefürchtet und gescheut wurde.

Sein unrecht erworbenes Gut häufte er in den geräumigen Kellern und Gewölbern, die noch heutigen Tages sichtlich sind und hielt sich für die Mühsale bei seinen Weglagerungen an reich besetzter Tafel, wo der bekränzte Pokal kreißte, schadlos.

Einsam trauernd saß in ihrem Gemach Gertrude, sein holdes Gespons, entweder mit weiblichen Arbeiten beschäftiget oder betend für ihres Gemahls Wohl. Schüchtern und scheu wagte sie es oft unter Liebkosungen und sanften begütigenden Worten ihn von seinem Leben abzumahnen, allein wildanschnaubend wurde sie von ihm zurückgestoßen; denn er grollte ihr, weil sie ihm keine Leibeserben gab, bitter.

So vergingen Tage und Jahre und je dringender und herzlicher ihre Bitten wurden, desto wilder und toller ward er, gleichsam ihr zum Spott und Hohn seine Räubereien und zügelloses Wesen treibend.

Einst – es traf just das Dreifaltigkeitsfest – hatte er seine saubern Gesellen zum rauschenden, wilden Vergnügen geladen, indeß seine Gemahlin in ihrem Kämmerlein zu Gott um Besserung für ihn flehte. Da aber das Tosen und Lärmen immer zunahm und das schallende Gelächter und die rohen Scherze der wilden ungeschlachteten Sippschaft zu ihr hinauf schollen, faßte sich die Gute Herz, um [141] noch einmal – leider war es das Letzte – den unbändigen Gemahl anzugehen, wenigstens an diesem heiligen Tage vom Bösen abzustehen und zum Guten sich zu wenden. Zitternd wankte sie zum Saal und ließ ihren Herrn durch einen Diener herausrufen. „Wer stört mich in meinen Freuden?“ brüllte er, zur Thüre hinaustaumelnd. – „Fort, Betschwester!“ erscholl’s aus seinem Munde, als er die Sanfte erblickte. Da fiel sie auf ihre Kniee, bat und beschwor ihn, in sich zu gehen, sich doch einmal zu bessern, und malte ihm Hölle und Himmel vor. Alles vergebens, vielmehr nur ärger fuhr er fort zu toben und zu rasen, und da sie ihm zärtlich um den Hals fiel und unter unablässigen Bitten liebevoll Mund und Stirn ihm küßte, donnerte er ihr ein rauhes: Fort! entgegen, entriß sich gewaltsam und schleuderte sie – als sie ihm nacheilte – mit Riesenstärke zurück, daß sie rückwärts die Treppe hinabstürzte, er hingegen eilte zu seinen Saufgenossen, ohne sich weiter um die Gattin zu bekümmern. Kaum hatte er wieder Platz genommen und den Becher gefüllt, als ihm ein eintretender Diener Etwas in’s Ohr raunte. – „Sie ruhe im Frieden!“ rief er lachend und leerte den schäumenden Becher.

Ausgeduldet hatte die Arme, da durch den Sturz von der Treppe sie den Hals gebrochen.

Allein auch ihn ereilte der Finger der rachekundigen Nemesis, indem wohlverdientermaßen das nämliche Schicksal seiner Gattin auch ihn, als er einen Auerochsen in blinder Wuth verfolgte, traf.

[142] Wohlthätig und gütig wie im Leben übt auch der Verklärten Geist noch Gutes; denn in der Nacht des Dreifaltigkeitstages entsteigt er im hellen Lichtgewande seiner Schlummerstätte mit einem Palmenzweige in der linken und einen Lilienstängel in der rechten Hand. Wer sie erblickt, sieht in ihr einen Friedensengel, der Trost den Leidenden, Unterstützung den Armen und Genesung den Kranken spendet, sobald er sie mit dem Palmenzweige berührt; wem er hingegen mit dem Lilienstängel winkt, dem werden Glücksgüter zu Theil.