Die weibliche Schönheit

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Textdaten
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Autor: Amely Bölte
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Titel: Die weibliche Schönheit
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 247–248
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Für Mädchen und Frauen.
Die weibliche Schönheit.

Als die Natur bei Erschaffung des ersten Paares ihr Meisterwerk ablegte, personifizirte sie uns in dem Manne die Kraft, in der Frau die Schönheit. Beide wurden damit zu gegenseitiger Ergänzung auf einander angewiesen, vereint erst sollten sie das Ganze bilden, das Vollendung heißt.

Die Kraft stellt sich uns als körperliche Eigenschaft, wie als geistige dar; eben so ist es mit der Schönheit, welche nicht allein in den Formen beruht, sondern auch in der Seele wohnt, aus welcher sie durch das Auge zu uns spricht, und das Antlitz erleuchtet und gleichsam verklärt.

Die ersten Menschen empfingen beide Eigenschaften als freie Gabe aus der Hand der Natur, und erst mit dem Biß in jenen berüchtigten Apfel gingen sie verloren, um dann später auf mühsamem Wege wieder gewonnen zu werden. Die Griechen waren es, welche sich zuerst bemühten dies verschwundene Ideal auf’s Neue in sich herzustellen, bei ihnen finden wir Kraft und Schönheit in ihrem schönsten Maaße, wie sie noch heute der Kunst als Typus dienen. Aber mit dem Volke der Helenen verschwand auch wieder von der Erde jenes Ideal der ersten Schöpfung, und nirgends finden wir seitdem einen Versuch gemacht es wieder zu gewinnen. – Die christliche Aera trat ein und mit dieser und durch diese wurde dem Geiste des Menschen ein Uebergewicht gestattet, das er nun auf Kosten des armen Körpers geltend machen konnte. Die Stubengelehrsamkeit der Männer, die Philologie und Philosophie dienten nur, um den Menschen sich selbst noch mehr zu entfremden und ihn in eine Welt der Abstraktion zu bannen, von wo er mit einem Lächeln des Mitleids auf das warme Leben herabblickte. Jede Minute Zeit, die er seinem Körper widmete, schien eine verlorene, nur die nothwendigen Speisen mußten gereicht werden; sonst aber war von einer Pflege des physischen Menschen keine Rede, Gesicht und Hände mochten wohl flüchtig ein paar Wassertropfen sehen, weiter aber erstreckte sich die Cultur der Haut gewiß nicht, und das Studirzimmer [248] in welchem Tabakswolken nie endend wirbelten, erfuhr nie den reinen Luftstrom, dessen die Gesundheit bedarf.

Die Existenz der Frau ist stets der Nachsommer dessen, was die Männer sind. Kein Wunder also, daß unsere Schönen nach und nach aufhörten schön zu sein, so wenig dies auch in ihrem Wollen lag. Es war nur die natürliche Folge. Immer mehr bleiche, sieche Kinder wurden geboren und Niemand bemühte sich der Natur jene bessere Gesundheit abzugewinnen, die das einzige wahrhaft ersprießliche Erbtheil des Menschen ist. – Die Aerzte ließen es an Arzneien nicht fehlen; wie manches arme Kind weiß nichts davon zu sagen, daß es nach und nach alle Büchsen unserer Apotheken durchgekostet; aber sie belehrten die Aeltern nicht, worin die Hauptbedingungen zu einem gesunden Dasein zu suchen seien. – Viel besser steht es auch heute nicht.

Bei den Griechen war schön und gut sein gleichbedeutend. Wir haben an die Stelle von Beiden das Wissen gestellt. Unendlich viel wissen, heißt unser Motto. Aber was damit beginnen, gilt uns gleich. Einem überladenen Kopfe geht es, wie einem überladenen Magen; das Zuviel der Nahrung belästigt ihn und bringt kein Gedeihen.

Schön und gut sein könnten auch wir, wenn jede Mutter am Lebensmorgen ihres Kindes diese Worte zu ihrem Wahlspruch machte. Schön und gut sein könnte die Menschheit, sobald die Frauen wollten, daß sie es wäre.

Um aber schön und gut zu sein, bedarf man zuvörderst der Gesundheit; ohne diese ist man Beides sicher nicht, und um gesund zu sein, muß man drei Dinge im Auge festhalten, das Wasser, die Luft und die Nahrung. Die Natur wies den Menschen auf diese, als Bedingungen zu seiner Existenz an, und die ganze Kunst seines körperlichen Wohlbefindens besteht darin, sich diese Dreie im rechten Maaße dienstbar zu machen. Um schön und gut zu sein, muß der Körper täglich eine Wassertaufe erfahren, muß eine Mutter die Mühe nicht scheuen ihre Kleinen von Jugend auf an jedem neuen Morgen von Kopf zu Fuß mit dem belebenden Elemente zu überstreichen, kalt, lau oder warm, wie sie will, im Winter, wie im Sommer, gleichviel, nur ohne Ausnahme muß es geschehen. Um schön und gut zu sein, muß sie ihr Kind täglich in die Luft führen, damit es den zu seiner Existenz nothwendigen Sauerstoff athme, von dem im Zimmer lange nicht genug übrig bleibt, um das kleine Leben gedeihlich damit zu versehen, muß das Schlafzimmer am Tage nicht bewohnt und die Fenster geöffnet sein, damit für die langen Stunden der Nacht ein hinreichender Bedarf an Lebenslust vorräthig sei, und keine faulen Dünste, kein Ueberfluß an Kohlensäure, keine dicke heiße Atmosphäre das Kind in seinem Wachsthum und Gedeihen störe.

Um schön und gut zu sein, bedarf es Drittens einer angemessenen Nahrung, bedarf es eines kleinen Studiums dessen, was nothwendig ist, um die täglich ausscheidenden Stoffe zu ergänzen. Die Frau hat daher nicht nur die Aufgabe den Tisch mit Speisen zu versehen, die dem Wohlgeschmack fröhnen und durch ihre Zubereitung das Auge befriedigen, sie muß auch überlegen, ob sie eine angemessene Nahrung bieten für Jene, welche dieselben genießen sollen. Dem Kinde gegenüber tritt diese Pflicht mit doppelt ernster Mahnung vor sie hin, denn sie mordet in dem Knaben den Mann, in der Tochter die Frau, indem sie sich hier nachlässig beweist. Ohne Phosphor kein Gedanke, ohne Fleisch kein Blut, ohne Sauerstoff keine Wärme. Schönheit und Kraft sind ein Produkt physischer Pflege, und daß nur in einem gesunden Körper eine gesunde Seele wohnt, ist eine uns sprüchwörtlich bekannte Sache, die wir aber leider, wie auch so manchen andern schönen, kernigen Spruch, als bloße Phrase im Munde führen. – Schön und gut sein könnten wir Alle, und schön und gut sein würden wir Alle, wenn unsere Mütter es verstanden hätten uns an Wasser, Luft und Nahrung so viel zukommen zu lassen, wie unsere physische Natur bedurfte, um eine würdige Trägerin unseres Geistes zu sein.
Amely Boelte.