Dom Karlos – Teil 2
Das Auto da Fe, welchem die königliche Familie und der ganze Hof beigewohnt haben, ist zu Ende, und Philipp kömmt mit einem Gefolge seiner Granden und der Inquisitoren nach dem Pallast zurük. Eine Ohnmacht der Königin hat sie genötigt, die Glaubenshandlung früher zu verlassen. Der Kardinal und Großinquisitor Spinola überreicht dem Monarchen ein geweihtes Schwerd, welches ihm der Papst als dem Beschüzer der römischen Kirche, und dem Vollstreker der göttlichen Gerichte im Namen der ganzen katholischen Christenheit sendet. Philipp küßt das Schwerd, und läßt sich dasselbe vom Herzog von Alba umgürten. Der Kardinal nimmt Gelegenheit, dem Könige einige zweideutige Ausrufungen zu hinterbringen, welche dem Prinzen Karlos wärend des schreklichen Festes entwischt waren, und Drohungen gegen das Inquisitionsgericht
enthielten. Der König trägt es den heiligen Vätern auf, ein wachsames Aug auf die Religionsmeinungen seines Sohns zu haben.
Indem läßt sich der Prinz durch den Grafen von Lerma bei dem Könige melden, und um eine außerordentliche Audienz ansuchen. Die Höflinge und Inquisitoren erschreken, und warten mit Beunruhigung auf die Antwort des Königs. Dieser entläßt den Grafen von Lerma mit dem Befehl, den Infanten hereinzuführen, und winkt dem Gefolge sich zu entfernen, dem Herzog von Alba aber befiehlt er, zu bleiben.
König Philipp der sich unter einem Tronhimmel niederläßt. Herzog von Alba in einer Entfernung von dem König mit bedektem Haupt. Dom Karlos, welchem Lerma den Saal öfnet.
Karlos
beugt ein Knie vor dem König, steht dann auf, und tritt einige Schritte weiter zurück. Es herrscht auf einige Augenblike ein allgemeines Stillschweigen. Der Prinz sieht mit Empfindlichkeit[1] und Befremdung auf den Herzog und dann auf den König…
Ich steh erwartend, welche beßre Stunde
die Majestät des Königs meiner Bitte
bestimmen wird.
Philipp.
Geht des Infanten Bitte
mich oder meine Stunden an? Entscheiden
wird sie mein königlicher Schluß, es sei
ihm zugestanden, sie mir vorzutragen.
Karlos.
Den Vortritt hat das Königreich. Sehr gerne
steht Karlos dem Minister nach. Er spricht
für Spanien – ich bin der Sohn des Hauses.
er tritt mit einer Verbeugung zurük.
Philipp.
Der Herzog bleibt, und der Infant mag reden.
Karlos
sich gegen Alba wendend.
So muß ich denn von Ihrer Großmut, Herzog,
den König mir als ein Geschenk erbitten.
Ein Kind – sie wissen ja – kann mancherlei
an seinen Vater auf dem Herzen haben,
das schwerlich für den Dritten taugt. Der König
soll ihnen unbenommen sein – ich will
den Vater nur für diese kurze Stunde.
Alba
heftet einen fragenden Blik auf den König.
Philipp.
Hier steht sein Freund.
Karlos
nach einigem Stillschweigen.
Hab ich es auch verdient,
den meinigen im Herzog zu vermuthen?
Philipp.
Auch je verdienen mögen? – Mir gefallen
die Söhne nicht, die beßre Wahlen treffen,
als ihre Väter.
Karlos.
Mir weit minder noch
die Günstlinge, die ihres Herren Gnade
verlustig giengen, träfe sie das Loos,
das Todesloos, von seinem Erstgebohrnen
geliebt zu werden … Kann der Ritterstolz
des Herzog Alba diesen Auftritt hören?
So wahr ich lebe, Grande, den Vasallen,
der zwischen zwei gebohrne Könige,
der zwischen Sohn und Vater, die geweihten
Mysterien der heiligen Natur,
sich einzudrängen nicht erröthet, der
in seines Nichts durchborendem Gefüle
so dazustehn verdammt ist, möcht ich auch
bei Gott! – und gält’s ein Diadem – nicht spielen.
Alba
greift an sein Schwerd, das er aber sogleich wieder fahren läßt.
Wer sagt mir das?
mit erzwungener Mäßigung
Prinz Karlos, wenn Verhöhnung
der königlichen Gegenwart den Einen
von uns zum Helden macht, so macht den andern
das Gegentheil zur Memme.
Philipp.
Diese Sprache
Infant? und wem? und wo?
Karlos.
Auf einem Boden
den Kaiser Karl, mein großer Aeltervater
an seinen Sohn Dom Philipp gab
sich zum Herzog kehrend
und einem,
den meiner Ahnen blinde Gnade groß
gezogen – ich verkürzen kann, trift ihn
das Unglük mir Gehorsam zu geloben.
Philipp
verläßt seinen Siz mit einem zornigen Blik auf den Prinzen.
Entfernt euch Herzog!
dieser geht nach der Hauptthüre, durch welche Karlos gekommen war, der König winkt ihm nach einer andern
Nein! – ins Kabinet,
biß ich euch rufe.
König Philipp und Karlos.
Karlos
geht, sobald der Herzog das Zimmer verlassen hat auf den König zu und fällt vor ihm nieder; im Ausdruk der höchsten Empfindung.
Jezt mein Vater wieder,
jezt wieder mein, und meinen besten Dank
für diese Gnade – Ihre Hand mein Vater –
o süßer Tag – die Wonne dieses Kußes
war ihrem Kinde lange nicht gegönnt.
Warum denn nicht? Warum nicht? – o mein König,
wie viele Wunden meiner Seele fangen
zu bluten an mit der Erinnerung!
Warum von ihrem Herzen mich so lange
verstoßen, Vater? Was hab ich gethan?
Unselger Argwohn, ewger Busenwurm
der Könige, der auch die feste Schlinge
des heiligen Instinkts zernägt! – Ists möglich?
schon drei und zwanzig Jahre nennt die Welt
mich Philipps Sohn – nur er hats nie erfahren.
Philipp.
Infant, dein Herz weiß nichts von diesen Künsten,
erspare sie, ich mag sie nicht.
Karlos
aufstehend.
Das war es!
Da hör ich ihre Höflinge – mein Vater,
es ist nicht gut, bei Gott nicht alles gut,
nicht alles was ein Priester sagt, nicht alles
was eines Priesters Kreaturen sagen.
Ich bin nicht schlimm, mein Vater – heißes Blut
ist meine Bosheit – mein Verbrechen Jugend.
Schlimm bin ich nicht, schlimm warlich nicht, wenn auch
oft wilde Wallungen mein Herz verklagen,
mein Herz ist gut – Wer wars der es gelästert?
Gewissenloses Bubenstük – Wer war’s
der meinem König seiner Schäze grösten
verheimlichte, ihn, wo er schwelgen konnte
zu darben zwang?
Philipp.
Genug. Gib dich zufrieden,
dein Herz ist rein und ohne Falsch, ich weiß es,
wie dein Gebet.
Karlos.
So mag des Welterlösers
Barmherzigkeit wie einen bösen Wurm,
mich von sich schleudern, heuchle ich – sehr ernst
und feierlich ist mir in dieser Stunde
zu muthe – Niemals oder Jezt – wir sind
allein – des Ranges Ketten abgefallen –
der Etikette bange Scheidewand
ist zwischen Sohn und Vater eingesunken.
Jezt oder nie. Ein Sonnenstral der Hoffnung
glänzt in mir auf, und eine süße Ahndung
fliegt durch mein Herz … Der ganze Himmel beugt
mit Schaaren froher Engel sich herunter,
voll Rührung sieht der Dreimalheilige
dem großen schönen Auftritt zu … Mein Vater!
Versönung!
er fällt ihm zu Füßen.
Philipp.
Laß mich und steh auf!
Karlos.
Versönung!
Jezt oder nie – Versönung, Vater – Philipp
von Spanien, Vergebung deinem Karl!
Philipp.
will sich von ihm losreissen.
Zu kühn wird dieses Gaukelspiel –
Karlos.
Zu kühn
Die Liebe deines Kindes?
Philipp.
Vollends Tränen?
Unwürdger Anblick – Geh aus meinen Augen.
Karlos.
Jezt oder nie – Versönung Vater!
Philipp.
Wilst
du deiner Mutter Mumie beschimpfen?
Aus meinen Augen! komm mit Schmach bedeckt
aus meinen Schlachten, meine Arme sollen
geöfnet sein, dich zu empfangen – So
verwerf ich dich!
er stößt ihn von sich.
Die faige Schuld allein
wird sich in solchen Quellen schimpflich waschen.
Wer zu bereuen nicht erröthet, wird
sich Reue nie ersparen.
Karlos
sieht den König eine Zeitlang mit furchtsamem Erstaunen an.
Wer ist das?
Durch welchen Misverstand hat dieser Fremdling
zu Menschen sich verirrt? – die ewige
Beglaubigung der Menschheit sind ja Tränen,
Sein Aug’ ist troken, ihn gebar kein Weib:
Was Wollust aus der Marter preßt, was selbst
Den Kummer neidenswürdig macht, den Menschen
noch einmal an den Himmel knüpft, und Engel
zur Sterblichkeit herunterloken könnte,
Des Weinens süße Freuden kennt er nicht.
O zwingen sie die nie benezten Augen
noch zeitig Tränen einzulernen,
sonst möchten sie’s[2] in einer harten Stunde
noch nachzuhohlen haben.
Philipp.
Hör ich das
von einem an, der sterblich ist?
Karlos.
Ein Blick,
wie dieser war, kann ihren Sohn nicht meinen,
ich hoff es zu dem gnädgen Gott. Die Allmacht
zernichtet auch die Teufel nicht, und ich,
ich flehte nur um meines Vaters Liebe.
Philipp.
Erst lerne sie verdienen.
Karlos
mit Feuer.
Kann ich das?
Ich kann es? kann es? Reden sie! Bei allem
was Menschen ehren, seien sie beschworen!
Wie kann ich das, wie lern ichs? – O mein Vater
was zwischen Himmel und auf Erden – was
wär ihrem Sohn um diesen Preiß unmöglich!
Was trennt uns noch? O eilen sie, es mir
zu nennen – welche traurige Gewalt
treibt der Natur noch nie verirrte Wellen
so seltsam gegen ihren Strom?
Philipp.
Umsonst
hofst du den schweren Zweifel deines Vaters
mit schönen Worten zu erschüttern.
Karlos.
Zweifel?
Ich will ihn tilgen diesen Zweifel – will
mich hängen an das Vaterherz, will reissen,
will mächtig reissen an dem Vaterherzen,
bis dieses Zweifels felsenveste Rinde
von diesem Herzen nieder fällt – Wer sind sie,
die mich aus meines Königs Gunst vertrieben?
Was bot der Mönch dem Vater für den Sohn?
Was wird ihm Alba fur ein kinderlos
verscherztes Leben zur Vergütung geben?
Wird ihres Karls freiwillige Ergebung
nicht süßer sein als die erpreßte Frohn
gebändigter Vasallen, die geheim
in ihres Eides spröde Ketten beissen?
Sie wollen Liebe? – hier in diesem Busen
springt eine Quelle, frischer, feuriger,
als in den trüben sumpfigten Behältern,
Die Philipps Gold erst öfnen muß.
Philipp.
Vermeßner
halt ein! – die Männer die du schändest,
sind die geprüften Diener meiner Wahl,
sind meines Trones Stüzen – Stolzer Knabe,
und du wirst sie verehren.
Karlos.
Nimmermehr.
Ich fühle mich. Was ihre Alba leisten,
Das kann auch Karl, und Karl kann mehr. Was frägt
ein Miethling nach dem Königreich, das nie
sein eigen sein wird? was bekümmerts den,
wenn Philipps graue Haare weiß sich färben?
Sein König bleibt, wenn Philipp nicht mehr ist,
und dort wie hier wird seine Münze gelten.
Ihr Karlos hätte sie geliebt – – Mir graut
vor den Gedanken, einsam und allein,
auf einem Tron allein zu sein. –
Philipp
von diesem Worte ergriffen, steht nachdenkend und in sich selbst gekehrt. Nach einer Pauße.
Ich bin
allein.
Karlos
mit Lebhaftigkeit und Wärme auf ihn zugehend.
Sie sinds gewesen. Hier, mein Vater,
bringt ihnen Karl sein kindlich Herz. Einst bin ich
was sie nun sind – der einzige des Reiches
der ihre Gnade mißen kann. Mich macht
ihr Haß nicht arm und ihre Gunst nicht reicher;
troz Philipp bleib ich Philipps Sohn. Wofür
solt’ ich ihm schmeicheln? Wahr und unverdächtig
ist mein Erbieten – hassen sie mich nicht mehr,
ich will sie kindlich lieben.
Philipp.
O verspare
den Wohlgeruch auf meine Leiche.
Karlos.
Vater,
ich will sie kindlich, will sie feurig lieben,
nur hassen sie mich nicht mehr – wie entzükend
und süß’ ist es in einer schönen Seele
verherrlicht sich zu fühlen, es zu wissen,
daß unsre Freude fremde Wangen röthet,
daß unsre Angst in fremden Busen zittert,
daß unsre Leiden fremde Augen wässern –
Wie schön ist es und herrlich, Hand in Hand
mit einem theuren vielgeliebten Sohn
der Jugend Rosenbahn zurük zu eilen,
des Lebens Traum noch einmal durch zu träumen,
wie groß und süß in seines Kindes Tugend
unsterblich unvergänglich fortzudauern
wohlthätig für Jahrhunderte – Wie schön
und göttlich groß im Orient des Sohnes
noch einmal zu der Nachwelt umzukehren,
der Sonne gleich, die in der Spiegelscheibe
des Mondes wieder aufersteht – Wie süß
zu pflanzen, was ein lieber Sohn einst erndtet,
zu sammeln was ihm wuchern wird, zu ahnden
wie hoch sein Dank einst stammen wird … Mein Vater,
von diesem Erdenparadiese schwiegen
sehr weislich ihre Mönche.
Philipp
nicht ohne Rührung.
O mein Sohn,
mein Sohn! Du brichst dir selbst den Stab. Sehr reizend
mahlst du ein Glück, das du mir nie gewährtest.
Karlos.
Das richte der Allwissende! – Sie selbst –
Sie schlossen mich, wie aus dem Vaterherzen,
von ihres Zepters Antheil aus. Bis jezt,
bis diesen Tag – o war das gut, wars billig? –
bis jezt mußt ich, der Erbprinz Spaniens,
in Spanien ein Fremdling sein, Gefangner
auf diesem Grund, wo ich einst Herr sein werde.
War das gerecht? wars gütig? – O wie oft,
wie oft, mein Vater, sah ich schaamroth nieder,
wenn die Gesandten fremder Potentaten,
wenn Zeitungsblätter mir das Neueste
vom Hofe zu Aranjuez erzählten.
Mit schwerem Herzen scherzt’ ich dann: „Der König
thut darum nur mit seinem Reich so heimlich,
den guten Sohn einst desto herrlicher
am Krönungstag zu überraschen.“
Philipp
einen ernsten Blik auf ihn richtend.
Karlos,
sehr viel sprichst du von jenen Zeiten, wo
dein Vater nicht mehr sein wird.
Karlos.
Nein bei Gott!
von jenen nur, wo ich ein Mann sein darf:
und wer ist Schuld, wenn beide gleich viel heißen?
Philipp.
Es ist ein ehrenvolles Amt, mein Sohn,
das du bei mir bekleidest – ein genauer
Minutenweiser meiner Sterblichkeit –
mich deinen Vater, der dir Leben gab,
aus Dankbarkeit nur an den Tod zu mahnen.
Karlos
unterbricht ihn mit Feuer.
Beschäftigung, mein Vater, und ihr Zepter
mag dauren bis zum Weltgericht.
Philipp.
Geduld!
Zu heftig braußt das Blut in deinen Adern,
du würdest nur zerstören.
Karlos.
Geben sie
mir zu zerstören, Vater – heftig braußts
in meinen Adern – drei und zwänzig Jahre,
und König Philipps Sohn, und nichts gebaut,
und nichts zertrümmert unter diesem Monde.
Ich bin erwacht, ich fühle mich – Allmächtig
regt sichs in mir, wie Lebensglut im Lenz
durch alle Röhren dringt und alle Pulse
der todten Schöpfung munter macht. Ich höre
das Rufen meines Gottes. Meine Weihung
zum Könige pocht wie ein Gläubiger
aus meinem Schlummer mich empor und alle
verlorne Stunden meiner Jugend mahnen
mich laut wie Ehrenschulden. Er ist da
der große schöne Augenblick, der endlich
des hohen Pfundes Zinsen von mir fodert,
mich ruft die Weltgeschichte, Ahnenruhm,
und des Gerüchtes[3] donnernde Posaune,
mein angebornes Zepterrecht ist nur
ein Darlehn, Vater, schon in Mutterleibe
auf meiner künftgen Thaten Sicherheit,
auf meines Geistes Bürgschaft mir voraus bezahlt.
Nun ist die Zeit gekommen mir des Ruhmes
glorreiche Schranken aufzuthun – – Mein König,
darf ich die Bitte auszusprechen wagen,
die mich hieher geführt?
Philipp.[WS 1]
Noch eine Bitte? –
entdeke sie.
Karlos.
Der Aufruhr in Brabant
wächst drohend an. Der Starrsinn der Rebellen
heischt starke kluge Gegenwehr. Ein Volk
das Freiheit, Güter, Leben, Blut und Glauben
zu rächen geht, wird fürchterlich. Die Wut
der Schwärmer zu bezähmen soll der Herzog
ein Heer nach Flandern führen, von dem König
mit souverainer Vollmacht ausgestattet.
Wie ehrenvoll ist dieses Amt und wie
so ganz dazu erfunden, Philipps Sohn,
des Kaiser Karlos Enkel, bei der Welt
und Nachwelt einzuführen! – Mir, mein König,
mir übergeben sie das Heer. Mich lieben
Die Niederländer, ich erkühne mich
mein Blut für ihre Treue zu verbürgen.
Philipp.
Du redest wie ein Träumender. Dies Amt
will einen Mann und keinen Jüngling …
Karlos.
Will
nur einen Menschen, Vater, und das ist
Das einzige was Alba nie gewesen.
Philipp.
Und Schreken bändigt die Empörung nur,
Erbarmung hieße Wahnsinn – – deine Seele
ist weich, mein Sohn – der Herzog wird gefürchtet –
steh ab von deiner Bitte.
Karlos.
Schiken sie
mich mit dem Heer nach Flandern. Wagen sie’s
auf meine weiche Seele. Schon der Name
des königlichen Sohnes, der voraus
vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert,
wo Herzog Albas Henker nur verheeren.
Auf meinen Knieen bitt’ ich drum. Es ist
die erste Bitte meines Lebens – Vater,
vertrauen sie mir Flandern.
Philipp
nach einer langen Pauße, unter welcher er den Infanten mit einem durchdringenden Blick betrachtet.
Und zugleich
mein bestes Kriegsheer deiner Herrschbegierde?
Das Messer meinem Mörder?
Karlos
betroffen zurüktretend.
O mein Gott!
Bin ich nicht weiter, und ist das die Frucht
von dieser längst erbetnen großen Stunde?
nach einigem Nachdenken mit gemildertem Ernst.
Antworten sie mir sanfter. Schiken sie
mich so nicht weg, mit dieser übeln Antwort
möcht ich nicht gern entlassen sein, nicht gern
entlassen sein mit diesem schweren Herzen.
Antworten sie mir sanfter. Meine Bitte
hat einen sonderbaren ernsten Sinn,
den sie nicht lösen. –
Philipp
gebieterisch auffahrend.
Was ist das? der Sohn,
der Unterthan will Rätzel mit mir spielen?
Was für ein Ding ist das, das Königen
zu lösen aufgegeben wird?
Karlos.
Mein Vater,
umsonst nicht – Vater, nicht umsonst hab ich
den halbverweß’ten Leichnam ihrer Liebe
aus seiner Gruft gerissen. Thun sie etwas,
das meine kindliche Verpflichtung schärft,
das mich als ihren Schuldner ewig bindet,
behandeln sie mich gnädiger. Es ist
mein dringendes Bedürfniß, ist mein lezter
verzweifelter Versuch. Nur Dankbarkeit
kann meine Tugend retten. Schiken sie
mich mit dem Heer nach Flandern.
Philipp
sehr streng und gebieterisch ihm ins Wort fallend.
Deine Tugend?
Ein scharfes Beil kann das noch weit geschwinder.
Karlos
erschroken.
Gott! was hab ich gesprochen? – – Mein Gehirne
brennt fieberhaft – – ich fürchte, Vater, ich
war außer mir – ich kanns nicht fassen, kanns
nicht standhaft tragen wie ein Mann, daß sie
mir alles alles alles so verweigern – –
Jezt lassen sie mich von sich. Unerhört,
von tausend süßen Ahndungen betrogen
geh ich von ihrem Angesicht – Auf ewig,
ich weiß es, schließt sich hinter mir das Ohr
des Königs. Sein Alba, sein Domingo
und sein Granvella werden siegreich tronen,
wo jezt sein Kind im Staub geweint. Die Schaar
Der Höflinge, die bebende Grandezza,
Der Mönche sünderbleiche Zunft war Zeuge,
als sie mir feierlich Gehör geschenkt.
Beschämen sie mich nicht. So tödlich, Vater,
verwunden sie mich nicht, dem frechen Hohn
des Hofgesindes schimpflich mich zu opfern,
daß Fremdlinge von ihrer Gnade schwelgen,
ihr Karlos nichts erbitten kann. Zum Pfande
daß sie mich ehren wollen, schicken sie
mich mit dem Heer nach Flandern.
Philipp.
Wiederhole
Dis Wort nicht mehr bei deines Königs Zorn.
Karlos.
Ich wage meines Königs Zorn, und bitte
zum leztenmal: Vertrauen sie mir Flandern.
Ich soll und muß aus Spanien. Ein Uebel
das niemand ahndet tobt in mir. Mein Hiersein
ist Odemholen unter Henkershand,
schwer liegt der Himmel zu Madrid auf mir,
wie das Bewußtsein eines Mords. Die Luft
ist Pest um mich, und Pest in meinem Busen.
Ich fürchte Wahnsinn – nur die schleunigste
Veränderung des Himmels kann mich heilen.
Wenn sie mich retten wollen – – schiken sie
mich ungesäumt nach Flandern.
Philipp
mit erzwungener Gelassenheit.
Solche Kranke,
wie du mein Sohn, verlangen gute Pflege
und Wohnen unterm Aug des Arzts. Du bleibst
in Spanien: der Herzog geht nach Flandern.
Karlos
außer sich.
O jezt umringt mich gute Geister – – –
Philipp
der einen Schritt zurück tritt.
Halt!
Was wollen diese Mienen sagen?
Karlos
mit schwankender Stimme.
Vater,
unwiderruflich bleibts bei der Entscheidung?
Philipp.
Sie kam vom König.
Karlos.
Mein Geschäft ist aus.
er macht eine Verbeugung, und will sich entfernen.
Philipp
sieht ihm eine Weile starr und schweigend nach, dann ruft er ihn zurücke.
Infant, dein stilles Weggehn ist nicht Demut.
Karlos.
Nein.
Philipp.
Nein?
Karlos.
Denn eben träumte mir, ich sähe
das Testament des Kaisers, ihres Vaters,
auf einem Scheiterhaufen rauchen[4]
Philipp
schrikt zusammen.
Ha! was soll das?
Karlos.
Ein großer Mann, ein so vollkommner Kaiser!
und das Insekt will klagen? – Ich empfange,
Er aber gab – und wie unendlich viel
mag noch zu einem solchen Sohn mir fehlen,
als er ein Vater war – –
Philipp
verhüllt das Gesicht, und schlägt wider seine Brust.
Zu schwer, o Gott!
zu schwer liegt deine Hand auf mir – Mein Sohn,
mein eigner Sohn – entsezliches Gericht –
ist deiner Rache Diener.
Karlos.
O voll Hoffnung
bin ich hieher gekommen. Schlechter gieng
von seinem Vater kein Matrosenknabe.
Das ist das Vorrecht eines Königssohns.
Philipp.
Das rechnest du für keines, deinen Kopf
nach dieser Unterredung wegzutragen?
Karlos.
Mein Kopf gehört dem Volke. Zwar man spricht
von meiner Mutter Niederkunft – – Wer weiß,
was in der Zeiten Hintergrunde schlummert – –
Ich bin entlassen, Ihro Majestät? –
Erst aber muß ich meinen Plaz besezen.
er öffnet das Kabinet, in welches Alba getreten war.
Triumph Toledo! – Der Monarch ist Ihre.
er geht ab.
- ↑ Vorlage: Empfindung (Berichtigung. Siehe Heft 3, S. 140)
- ↑ Berichtigung. Siehe Heft 3, S. 140
- ↑ Vorlage: des Gerichtes (Berichtigung. Siehe Heft 3, S. 140)
- ↑ Es ist bekannt, daß Philipp der Zweite das Testament seines verstorbenen Vaters bei einem Auto da Fe durch den Henker verbrennen ließ, und durch diese Handlung sein Andenken öffentlich schändete.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Philpp.
« Dom Karlos – Teil 1 | Thalia/Erster Band | Dom Karlos – Teil 3 » |
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