Dom Karlos – Teil 4
III.
Dom Karlos.
Fortsezung.
In einem Karthäuserkloster.
Dom Karlos mit einiger Begleitung. Der Prior.
Karlos
zum Prior, indem er hereintritt.
Schon da gewesen also? – Das beklag ich.
Prior.
Seit heute Morgen schon das drittemal.
Vor einer Stunde gieng er.
Karlos
zu seinen Pagen.
Mein Gefolge
kehrt sogleich nach der Stadt zurück. Ich höre
die Meße hier. Laßt mich allein.
Die Pagen gehen ab.
Er will
doch wieder kommen? Hinterließ er nicht?
Prior.
Vor Mittag noch versprach er.
Karlos
an ein Fenster und sich in der Gegend besehend.
Euer Kloster
liegt weit ab von der Straße … Dorthin zu
sieht man noch Thürme von Madrid … Ganz recht
und hier fließt der Mansanares … Die Landschaft
ist wie ich sie mir wünsche … Alles ist
hier still wie ein Geheimniß.
Prior.
Wie der Eintritt
in’s andre Leben.
Karlos.
Eurer Redlichkeit,
gutherzger Mann, hab ich mein kostbarstes,
mein heiligstes vertraut. Kein Sterblicher
darf wissen oder nur vermuthen, wen
ich hier gesprochen und geheim. Ich habe
sehr wichtge Gründe, vor der ganzen Welt
den Mann, den ich erwarte, zu verläugnen.
Drum wählt’ ich dieses Kloster. Vor Verräthern,
vor Ueberfall sind wir doch sicher? Ihr
besinnt euch noch, was ihr mir zugeschworen?
Prior.
Vertrauen Sie uns, gnädger Herr. Der Argwohn
der Könige wird Gräber nicht durchsuchen.
Das Ohr der Neugier liegt nur an den Thüren
des Glükes und der Leidenschaft. Die Welt
hört auf in diesen Mauren.
Karlos.
Denkt ihr etwa
daß hinter diese Vorsicht, diese Furcht
ein schuldiges Gewissen sich verkrieche – –
Prior.
Ich denke nichts.
Karlos.
Ihr irrt euch, frommer Vater,
ihr irrt euch warlich. Mein Geheimniß zittert
vor Menschen, aber nicht vor Gott.
Prior,
nimmt ihn liebreich bey der Hand.
Mein Sohn,
das kümmert uns sehr wenig. Diese Freistatt
steht dem Verbrechen offen wie der Unschuld.
Ob, was du vorhast, gut ist oder übel,
rechtschaffen oder lasterhaft – das mache
mit deinem eignen Herzen aus.
Karlos,
mit Wärme.
Was wir
verheimlichen, kann euren Gott nicht schänden.
Es ist sein eignes schönstes Werk – – Zwar euch,
euch kann ich’s wol entdekken.
Prior.
Zu was Ende?
Erlassen Sie mir’s lieber Prinz. Die Welt
und ihr Geräthe liegt schon lange Zeit
versiegelt da auf jene große Reise.
Wozu die kurze Frist vor meinem Abschied
noch einmal es erbrechen? – Es ist wenig
was man zur Seligkeit bedarf – Die Glokke
zur Hora lautet. Ich muß beten gehn.
Der Prior geht ab.
Karlos
ihm nachblickend mit Verwunderung.
Doch sonderbar! Doch groß! – Und soviel kann
der Mensch! Mehr kostet es ihn nicht! Mehr nicht
dem süßen Reiz des Lebens abzusterben,
der Neugier abzusterben … und wofür? – – –
Karlos. Der Marquis von Posa.
Marquis,
noch außerhalb des Zimmers.
Der Prinz schon oben?
Karlos.
Seine Stimme!
Marquis
tritt herein.
Karl!
Karlos.
Ah endlich einmal, endlich –
sie umarmen sich.
Marquis.
Welche Prüfung
für eines Freundes Ungeduld! – Die Sonne
gieng zweimal auf und zweimal unter, seit
das Schiksal meines Karlos sich entschieden,
und jezt, erst jezt werd ich es hören – Sprich
ob das verziehen werden kann?
Karlos.
Und mir,
mir diesen Vorwurf Rodrigo? Kannst du
im Ernst so wenig billig sein, so eitel
an Sehnsucht mir voran zu fliegen? – Was
hat diese Stunde nicht gekostet!
Marquis.
Gut.
Es sei vorbei. Wir haben uns ja wieder.
Genug also. Vor allem meinen Glükwunsch.
Ihr seid versöhnt?
Karlos.
Wer?
Marquis.
Du und König Philipp,
und auch mit Flandern ists entschieden.
Karlos.
Daß
der Herzog morgen dahin reis’t? – das ist
entschieden, ja.
Marquis.
Du scherzest, will ich hoffen.
Karlos.
Das wolle Gott nicht. Es ist Ernst. Der Herzog
reis’t morgen ab. Ich bleibe.
Marquis.
Nimmermehr.
Das kann nicht sein. Das ist nicht. Soll das ganze
Madrid belogen worden sein? – Du hattest
geheime Audienz, sagt man. Der König,
das weiß ich, das erzählt sich mit Frohloken
die Residenz, entließ dich gnadenvoll,
und deine Feinde sind verlegen.
Karlos.
Sinds.
Aus Mitleid muß ich glauben. Wahr ist es,
Ich hatte Audienz bei ihm. Der Auftritt
war heftig aber unfruchtbar. Mein Vater
blieb unbewegt. Wir sind getrennt auf immer
und mehr als wir’s schon waren –
Marquis.
Du gehst nicht
nach Flandern?
Karlos.
Nein. Nein. Nein.
Marquis.
O meine Hofnung!
Karlos.
Nein, sei nicht traurig. Freue dich vielmehr.
Jezt bin ich fertig mit dem Vater. Nur
mit dem Gemahl der Königin hab’ ichs
hinfort zu thun – Auch dafür, dafür selbst
hat er gesorgt! O Rodrigo, seitdem
wir uns zum leztenmale sprachen, was
hab’ ich erlebt! Von welchen Wunderdingen
kann ich dich unterhalten! – doch vorjezt,
vor allem andern deinen Rath! Ich muß
sie sprechen –
Marquis.
Deine Mutter! – Nein – Wozu?
Karlos.
Ich habe Hofnung – du wirst blaß? – Sei ruhig.
Ich soll und werde glüklich sein. Jezt darf ich,
der Himmel wills, ich darf und soll sie lieben.
Jezt fürcht’ ich kein Verbrechen mehr – doch davon
ein andermal. Jezt schaffe Rath, wie ich
sie sprechen kann –
Marquis.
Was soll das? Worauf gründet
sich dieser neue Fieber–Traum?
Karlos.
Nicht Traum!
Beim wundervollen Gott nicht! – Wahrheit, Wahrheit!
den Brief des Königs an die Fürstin von Eboli hervorziehend,
in diesem wichtigen Papier enthalten!
Die Königin ist frei. Vor Menschenaugen
wie vor des Himmels Augen frei. Der König,
Er selbst hat ihrer Pflichten sie entbunden.
Auch meine Mutter ist sie nicht mehr – Dank
dem Laster meines Vaters! – Dieser Mann
ist meines Opfers unwerth. Nimm und lies,
und höre auf, dich zu verwundern.
Marquis
den Brief eröfnend.
Was?
Was seh ich? Eigenhändig vom Monarchen?
nachdem er gelesen,
An wen ist dieser Brief?
Karlos.
An die Prinzeßin
von Eboli.
Marquis.
Von Eboli? Prinzeßin
von Eboli? – Und kam in deine Hände?
Karlos.
Durch einen Irrthum – einen Irrthum, den
der Wahrheit Schöpfer absichtsvoll erfunden.
Entscheide selber – So vernünftig fallen
des Zufalls blinde Würfel nicht.
Marquis.
Den Irrthum!
Ich zittre – – Sprich!
Karlos.
Vorgestern bringt ein Page
der Königin von unbekannten Händen
mir einen Brief und einen Schlüßel. Man
bezeichnet mir im linken Flügel des
Pallastes, den die Königin bewohnt,
ein Kabinet, wo eine Dame mich
erwarte, die ich längst geliebt. Ich folge
sogleich dem Winke –
Marquis.
Rasender, du folgst?
Karlos.
Ich kenne ja die Handschrift nicht – Ich kenne
nur eine solche Dame. Wer als sie
wird sich von Karlos angebetet wähnen?
Voll süßen Schwindels flieg ich nach dem Plaze,
ein göttlicher Gesang der aus dem Innern
des Zimmers mir entgegen schallt, dient mir
zum Führer – ich eröfne das Gemach –
und wen entdek ich? – fühle mein Entsezzen!
Wem will ich in die Arme stürzen? Wem?
Marquis.
O ich errathe alles. Dich verließ
auch noch der Mut, die Gegenwart des Geistes
das Uebel zu verbessern.
Karlos.
Meine Täuschung
ist noch nicht überwunden. Ich befürchte
nichts schlimmers, als verirrt zu sein.
Marquis.
Verirrt?
Und nur verirrt? – – Unseliger Gedanke,
dich tiefer zu verstrikken!
Karlos.
Ohne Rettung
war ich verloren Rodrigo, wär ich
in eines Engels Hände nicht gefallen.
Welch unglükselger Zufall! – Hintergangen
von meiner Blikke unvorsichtger Sprache
gab sie der süßen Täuschung sich dahin,
Sie selber sei der Abgott dieser Blikke.
Gerührt von meiner Seele stillen Leiden,
beredet sich, großmütig unbesonnen,
ihr weiches Herz mir Liebe zu erwiedern.
Die Ehrfurcht schien mir Schweigen zu gebieten,
sie hat die Kühnheit es zu brechen – Offen
liegt ihre schöne Seele mir, und vor
dem königlichen Wollüstlinge sucht
sie Schutz in meinen Armen.
Marquis,
nach einigem Stillschweigen.
So gelassen
erzählst du das? – Die Fürstin Eboli
durchschaute dich. Kein Zweifel mehr. Sie drang
in deiner Liebe innerstes Geheimniß.
Du hast sie schwer beleidigt. Sie beherrscht
den König deinen Vater …
Karlos.
zuversichtlich.
Sie ist tugendhaft.
Marquis.
Aus Eigennuz der Liebe – Diese Tugend,
ich fürchte sehr, ich kenne sie – wie wenig
reicht sie empor zu jenem Ideale
das aus der Seele mütterlichem Boden
in stolzer schöner Grazie empfangen
freiwillig sproßt und ohne Gärtners Hilfe
verschwenderische Blüthen treibt. Es ist
ein fremder Zweig, mit nachgeahmtem Süd
in einem rauhern Himmelstrich getrieben;
Erziehung, Grundsaz, nenn es wie du willst,
erworbne Unschuld, dem erhizten Blut
durch List, durch manchen zweifelhaften Kampf
und kriechende Verträge abgerungen,
dem Himmel der sie fodert und bezahlt
gewissenhaft sorgfältig angeschrieben.
Erwäge selbst. Wird sie der Königin
es je vergeben können, daß ein Mann
an ihrer eignen schwer erkämpften Tugend
vorübergieng, sich vor Dom Philipps Frau
in hofnungslosen Flammen zu verzehren?
Karlos.
Kennst du die Fürstin so genau?
Marquis.
Gewiß nicht,
Kaum daß ich zweimal sie gesehn; doch nur
ein Wort laß mich noch sagen. Mir kam vor,
daß sie geschikt des Lasters Blößen mied,
daß sie sehr gut um ihre Tugend wußte.
Dann sah ich auch die Königin – O Karl,
wie anders alles, was ich hier bemerkte!
In angebohrner stiller Glorie,
mit sorgenlosem Leichtsinn, mit des Anstands
schulmäßiger Berechnung unbekannt
nicht bang vor nie geahndeten Gefahren,
gleich ferne von Verwegenheit und Furcht,
mit festem Heldenschritte wandelt sie
die schmale Mittelbahn des Schiklichen,
unwissend daß sie Anbetung erzwungen,
wo sie von eignem Beyfall nie geträumt.
Erkennt mein Karl auch hier in diesem Spiegel,
auch jezt noch seine Eboli? – Die Fürstin
ich glaub es gerne, zittert vor der Gränze
der sie so nah gewesen war. Ihr Herz
begeistert sich erkenntlich für den Gözen,
der ihre Unschuld aus den Flammen riß;
Nur kleine Seelen knieen vor der Regel,
die große Seele kennt sie nicht.
Karlos.
Und was
kann denn geschehen? Was besorgst du?
Marquis.
Was?
Sie liebte und blieb standhaft. Liebe war
in ihre Tugend wörtlich einbedungen,
Du hast sie nicht beloht – sie fällt,
Karlos,
mit einiger Heftigkeit.
Nein. Nein.
Marquis.
Ist, fürcht ich, schon gefallen – und von jezt
gehört sie seinen Mönchen. O mein Karl,
urtheile selbst, dein kostbarstes Geheimniß
der Kreatur Domingos überliefert –
Karlos.
Nein, sag ich, Nein. – O wüßte Rodrigo
wie treflich es ihn kleidet, seinem Karl
der Seligkeiten göttlichste, den Glauben
an menschliche Vortreflichkeit zu stehlen!
Marquis.
Verdien ich das? – Nein Liebling meiner Seele,
das wollt ich nicht, bei Gott im Himmel nicht! –
O diese Eboli – sie wär ein Engel
und andachtstrunken wie du selbst stürzt ich
vor ihrer Glorie mich nieder, hätte
sie – dein Geheimniß nicht erfahren.
Karlos.
Sieh,
wie eitel deine Furcht ist! Hat sie andre
Beweise wol als die sie selbst beschämen?
Wird sie der Rache trauriges Vergnügen
mit ihrer Ehre kaufen?
Marquis,
mit Bedeutung.
Ein Erröthen
zurükzunehmen haben manche schon
der Schande sich geopfert.
Karlos,
mit Heftigkeit aufstehend.
Nein, das ist
zu hart, zu grausam. Sie ist stolz und edel
ich kenne sie und fürchte nichts. Umsonst
versuchst du meine Hoffnungen zu schrökken.
Ich spreche meine Mutter.
Marquis.
Jezt? Wozu?
Beim nahen Anblik der Gefahr? Umringt
von wachenden Verräthern?
Karlos.
Mir gleichviel.
Ich habe jezt nichts mehr zu schonen – muß
mein Schiksal wissen. Sorge nur, wie ich
sie sprechen kann.
Marquis.
Und diesen Brief willst du
ihr zeigen? Wirklich, willst du das?
Karlos.
Befrage
mich darum nicht. Das Mittel jezt, das Mittel,
daß ich sie spreche!
Marquis,
mit Bedeutung.
Sagtest du mir nicht
du liebtest deine Mutter? – du bist willens,
ihr diesen Brief zu zeigen?
Karlos sieht zur Erde und schweigt.
Karl, ich lese
in deinen Mienen etwas – mir ganz neu –
ganz fremde bis auf diesen Tag – du wendest
die Augen von mir? warum wendest du
die Augen von mir? … O so ist es wahr?
So hab ich nicht umsonst gezittert? – Dich
entzükt der Brief und des Gemahls Verbrechen
ist dir willkommen?
Karlos,
mit affektirtem Leichtsinn.
Was für ein Verbrechen?
Für ein Verbrechen – weiß ich – ist mein Vater
zu heilig.
Marquis.
Ich verstehe. O mein Karl,
so höhnst du unsre edelsten Gefühle.
Sehr wohl erinnerst du dich noch, was wir
sonst über diese Heiligkeit beschlossen.
Jezt fliehest du die Stralen beßrer Weißheit,
weil Blindheit dich gewinnen macht … Ob ich
denn wirklich recht gelesen? Laß doch sehen –
Karlos giebt ihm den Brief. Der Marquis zerreißt ihn.
Karlos,
Was, bist du rasend?
mit gemäßigter Empfindlichkeit.
Wirklich – ich gesteh es –
An diesem Briefe lag mir viel.
Marquis.
So schien es.
Darum zerriß ich ihn.
Der Marquis ruht mit einem durchdringenden Blik auf dem Prinzen, der ihn zweifelhaft ansieht. Langes Stillschweigen.
Verzeih mir Karl.
Es gab kein andres Mittel unsre Freundschaft
zu retten.
Karlos.
Sie zu retten?
Marquis.
Und ein gleiches
will ich von dir erwarten, Karl, lauf ich
Gefahr, mich deiner unwerth zu beweisen.
Karlos.
einige Bitterkeit verbergend.
Ich muß es dulden, du hast recht, wenn du
mir noch weit schlimmre Dinge sagst …
Marquis
Was haben
Entweihungen des königlichen Bettes
mit deiner – deiner Liebe denn zu schaffen?
War Philipp dir gefährlich? Welches Band
kann die verlezten Pflichten des Gemahls
mit deinen kühnern Hofnungen verknüpfen?
Hat er gesündigt wo du liebst? Vermißest
du noch Befriedigungen, die der Gattin
Empfindlichkeit vollenden soll? – Nun freilich
lern’ ich dich fassen. O wie schlecht hab ich
bis jezt auf deine Liebe mich verstanden.
Karlos,
unruhig.
Wie Rodrigo? Was denkst du von mir?
Marquis.
Nein.
Spott will Gelassenheit. Ich habe keine
und darf jezt keine haben – O mein Karl!
Wo such ich dich? Wo bist du hingeflohen?
Kaum kenn’ ich deiner Stimme Klang. Wer hat
die unglükselige Duldung dich gelehrt?
Ein königlicher Greis, der glükliche
Gemahl des liebenswürdigsten der Weiber,
entehrt sich selbst, die Unschuld zu verderben.
Du überwindest deinen Schmerz. Warum?
Weil dieser Frevel deinen Wünschen schmeichelt.
O sprich, kann eine tugendhafte Freude
aus diesem giftgen Beete blühn? Doch das
ist noch bei weitem nicht das schlimmste. Prüfe
in des Gewissens richterlicher Waage
die Hofnung die dich schwindeln macht – Worauf
ist sie gegründet? – – Hätte dieser Brief
dich wirklich zu dem Glüklichen gemacht,
der du sein möchtest, o entscheide selbst,
was wäre deine Königin? … Wie seltsam
welch ungeheurer Widerspruch! Du schwörst
auf eines Mädchens Tugend dem du Liebe
verweigertest, und zweifelst an der Ehre
der Einzigen die du anbetest!
Karlos.
Sinnreich!
Ich muß gestehen. In der That. Sehr sinnreich.
Marquis,
mit Ernst.
Nein Karlos. Es ist etwas mehr. Ich fühle
wovon ich mich entwöhnen muß. Ja einst
einst wars ganz anders. Da warst du so reich,
so warm, so reich! Ein ganzer Weltkreis hatte
in deinem weiten Busen Raum. Das alles
ist nun dahin, von einer Leidenschaft,
von einem kleinen Eigennuz verschlungen.
Dein Herz ist ausgestorben. Keine Träne,
dem ungeheuren Schiksal der Provinzen
nicht einmal eine Träne mehr – O Karl
wie arm bist du, wie bettelarm geworden
seitdem du niemand liebst als dich!
Karlos,
wirft sich in einen Sessel … nach einer Pauße mit kaum unterdrüktem Weinen.
Ich weiß,
daß du mich nicht mehr achtest.
Marquis.
Hörst du denn
daß ich dir schmeichle ? – Nicht so Karl. Nicht also.
Ich kenne diese Aufwallung. Sie war
Verirrung lebenswürdiger Gefühle.
Die Königin gehörte dir, war dir
geraubt von dem Monarchen – doch bis jezt
mistrautest du bescheiden deinen Rechten.
Vielleicht war Philipp ihrer werth. Du wagtest
nur leise noch, das Urtheil ganz zu sprechen.
Der Brief entschied. Der Würdige warst du.
Mit stolzer Freude sahst du nun das Schiksal
der Tirannei, des Raubes überwiesen.
Du jauchztest der Beleidigte zu sein,
denn Unrecht leiden schmeichelt großen Seelen.
Doch hier verirrte deine Phantasie,
dem Stolz empfand Genugthuung – dein Herz
versprach sich Hofnung. Sieh ich wußt es wol,
du hattest diesmal selbst dich misverstanden.
Karlos.
gerührt.
Nein Rodrigo du irrest sehr. Ich dachte
so edel nicht, bei weitem nicht als du
mich gerne glauben machen möchtest.
Marquis.
Bin
ich denn so wenig hier bekannt? Sieh Karl,
wenn du verirrest, such’ ich allemal
die Tugend unter hunderten zu rathen
die ich des Fehlers zeihen kann. Doch nun
wir besser uns verstehen wie ich meyne,
nun unterschreib’ ich deinen Wunsch. Du sollst
die Königin jezt sprechen – mußt sie sprechen –
Ich selbst – ich gebe dir mein Wort – ich selbst
will es befördern.
Karlos,
ihm um den Hals fallend.
Bruder meiner Seele!
O wie erröth ich neben dir – Verzeihung!
Wie wenig bin ich deiner werth!
Marquis.
Weißt du
Denn so gewiß ob nicht geheime Wünsche,
nicht Furcht vielmehr und Eigennuz mich leiten?
– Doch davon wenn es Zeit ist mehr. Du hast
mein Wort. Nun überlaß mir alles andre.
Ein wilder schöner schreklicher Gedanke
steigt auf in meiner Phantasie – Du sollst
ihn hören Karl, aus einem schönern Munde.
Ich dränge mich zur Königin. Vielleicht
daß morgen schon der Ausgang sich erwiesen.
Bis dahin, Karl, vergiß nicht, daß „ein Anschlag
den höhere Vernunft gebar, das Leiden
der Menschheit preßt, zehntausendmal vereitelt
nie aufgegeben werden darf“ – Hörst du?
Erinnre dich an Flandern!
Karlos.
Alles, Alles,
was du und hohe Tugend mir gebieten.
Marquis.
Und jezt die einzge Bitte noch. – So drängend
auch Ungeduld und Leidenschaft dich mahnen.
Erwarte ruhig den Erfolg. Versprich,
nichts ohne deinen Bruder zu beschließen.
Versprichst du dieses?
Karlos,
Ja, aufs heiligste.
Marquis.
geht an ein Fenster.
Die Zeit ist um. Ich höre dein Gefolge.
Sie umarmen sich.
Jezt wieder Kronprinz und Vasall.
Karlos.
Du fährst
sogleich zur Stadt?
Marquis.
Sogleich.
Karlos.
Halt! Noch ein Wort!
Wie leicht war das vergessen! – Eine Nachricht
dir äußerst wichtig – „Briefe nach Brabant
erbricht der König“ Sei auf deiner Hut.
Die Post des Reichs, ich weiß es, hat geheime
Befehle –
Marquis.
Wie erfuhrst du das?
Karlos.
Dom Raimond
von Taxis ist mein guter Freund.
Marquis,
nach einigem Stillschweigen.
Auch das!
So nehmen sie den Umweg über Deutschland!
sie gehen ab zu verschiedenen Thüren.
Das Schlafzimmer des Königs. Eine Nische, vor welche Gardinen gezogen sind. Auf dem Nachttisch zwei brennende Lichter. Im Hintergrund des Zimmers einige Pagen auf den Knien eingeschlafen. Der König von oben herab halb ausgekleidet steht vor dem Tische, einen Arm über den Sessel gebeugt, in einer nachdenkenden Stellung. Vor ihm liegt ein Medaillon und Papiere.
König,
in einen tiefen Traum verloren.
Daß sie Bedürfniß haben muß … wer kann
es läugnen? Wie konnt ich ihr Liebe geben
und dennoch – schien sie Mangel je zu fühlen?
So ists erwiesen, sie ist falsch.
Hier macht er eine Bewegung, welche ihn zu sich selbst bringt. Er steht mit Befremdung auf.
Wo war ich?
Wacht denn hier niemand als der König? … Was?
die Lichter schon herabgebrannt? doch nicht
gar Morgen schon?
Er läßt eine Uhr repetiren – es schlägt vier.
Ich bin um meinen Schlummer.
Bescheide dich Natur. Ein König hat
nicht Zeit, verlorne Nächte nachzuholen,
jezt bin ich wach und Tag soll sein.
Er löscht die Lichter und öfnet eine Fenstergardine – indem er auf und niedergeht bemerkt er die schlafenden Knaben,
und bleibt eine Zeitlang schweigend vor ihnen stehen; darauf zieht er die Glokke.
Schläfts irgend
vielleicht in meinem Vorsaal auch?
Der König. Graf Lerma.
Lerma.
mit Bestürzung, da er den König gewahr wird.
Befinden
sich Ihro Majestät nicht wol?
König.
Nicht wol?
wovon? Habt ihr vielleicht besondre Gründe
dies zu befürchten?
Lerma.
Keinen, mein Monarch!
als was ich eben sehe. Es ist Morgen
und Ihro königliche Majestät
noch angekleidet oder schon.
König.
Im linken
Pavillon war Feuer. Hörtet ihr
den Lermen nicht?
Lerma.
Nein Ihro Majestät.
König.
Nein? Wie? und also hätt’ ich nur geträumt?
Das kann von Ongefehr nicht kommen. Schläft
auf jenem Flügel nicht die Königin?
Lerma.
Ja ihro Majestät.
König.
Der Traum erschrökt mich.
Man soll die Wachen künftig dort verdoppeln,
hört ihr? sobald es Abend wird … Doch ganz,
ganz in geheim – ich will nicht haben, daß –
Ihr prüft mich mit den Augen?
Lerma.
Ich entdekke
ein brennend Auge, das um Schlummer bittet.
Darf ich es wagen Ihro Majestät
an ein kostbares Leben zu erinnern,
an Völker zu erinnern, die die Spur
durchwachter Nacht mit fürchtender Befremdung
in solchen Mienen lesen würden – Nur
zwei kurze Morgenstunden Schlafs –
König.
mit zerstörten Blikken.
Schlaf?
Schlaf find ich in Eskurial … Solange
der König schläft ist er um seine Krone,
der Mann um seines Weibes Herz. Der Schlaf
der Könige macht Königinnen fruchtbar
und Greise noch zu Vätern … Gift und Tod!
Hinweg –
Lerma.
Befehlen Ihro Majestät,
daß ich die Edelknaben wekke?
König.
Laß
sie schlafen. Sie gefallen mir so besser.
Ich traue Menschen gerne wenn sie schlafen.
Der hier vergißt mirs, wenigstens so lange
er schläft, daß seines Vaters Blut durch mich
auf dem Schaffot geflossen ist … Und so
bin ich bedient? In meinen Reichen allen
fand niemand sich mich zu bewachen, niemand
in allen, als der Missethäter Söhne
die ich zum Tode bringen ließ?
Lerma.
Es sind
ja Kinder Ihro Majestät –
König.
Noch besser.
Laßt aus Neapel Freudentöchter holen,
gebt sie der Königin zu Frauen … O
hinab mit der Erinnerung … Weg! Weg!
ich will allein sein.
Lerma will gehen. Der König folgt ihm mit den Augen, und ruft ihn zurük.
Doch es ist vielleicht
mein guter Engel den ich von mir weise?
Bleibt Graf von Lerma … Sagt mir, aber sagt
mir Wahrheit – Wahrheit, ich belohne euch
die Lüge nicht … Hat man euch auch davon
erzählt?
Lerma.
Erzählt wovon mein König?
König.
Nein, es ist Lästrung – War es nicht ein Weib,
ein Weib, das mir es flüsterte? Der Name
des Weibes heißt Verläumdung. Das Verbrechen
ist nicht gewiß, bis mirs ein Mann bekräftigt.
Zu den Pagen, welche sich unterdessen ermuntert haben.
Schikt nach Toledo!
Pagen gehen.
Tretet näher Graf …
Ists wahr? … er bleibt forschend vor dem Grafen stehen.
O eines Pulses Dauer nur
Allwissenheit … In ganz Kastilien
bin ich der einzige vielleicht, der hier
nur fürchtet … Schwört mir ist es wahr? Ich bin
betrogen? Bin ichs? Ist es wahr?
Lerma.
Mein guter,
mein theurer König –
König.
König! König nur
und wieder König … Keine beßre Antwort
als leeren hohlen Widerhall? Ich schlage
an diesen Felsen und will Wasser, Wasser
für meinen heissen Fieberdurst – Er gibt
mir glüend Gold.
Lerma.
Was sollte wahr sein, was?
König.
Nichts. Nichts. Fragt mich nicht weiter. Geht.
Der Graf will sich entfernen, er ruft ihn noch einmal zurük.
Graf Lerma
Ihr seid vermählt? Seid Vater?
Lerma.
Ja mein König.
König.
Vermählt, und könnt es wagen eine Nacht
bei eurem Herrn zu wachen? Euer Haar
ist silbergrau und ihr erröthet nicht
an eures Weibes Redlichkeit zu glauben?
O geht nach Hause. Eben treft ihr sie
in eures Sohns blutschändrischer Umarmung.
Glaubt eurem König, geht … Ihr steht bestürzt?
Ihr seht mich mit Bedeutung an? … Weil Ich,
Ich selber etwa graue Haare trage?
Unglüklicher besinnt euch. Königinnen
beflekken ihre Tugend nicht. Ihr seid
des Todes wenn ihr zweifelt …
Lerma,
mit Hizze.
Wer kann das?
In allen Staaten meines Königs wer
ist frech genung mit giftigem Verdacht
die engelreine Tugend anzuhauchen?
die beste Königin so tief –
König.
Die Beste?
Und eure Beste also auch? Sie hat
sehr warme Freunde um mich her find ich,
das muß ihr viel gekostet haben – mehr
als mir bekannt ist, daß sie geben kann.
Die Beste? wirklich? - - Von der Besten spricht
kein zweiter Mann, das überlegt Graf Lerma.
Ihr seid entlassen. Laßt den Herzog kommen.
Lerma.
Ich hör ihn schon im Vorsaal –
im Begriff zu gehen.
König,
mit gemildertem Ton.
Graf – Was ihr
vorhin bemerkt, ist doch wol wahr gewesen.
Mein Kopf glüht von durchwachter Nacht … Vergeßt
was ich im wachen Traum gesprochen. Hört ihr?
Vergeßt es. Ich bin euer gnädger König.
er reicht ihm die Hand zum Kusse. Lerma geht und öfnet dem Herzog von Alba die Thüre.
Der König und Herzog von Alba.
Alba,
nähert sich dem König, mit ungewisser Miene.
Ein mir so überraschender Befehl –
zu dieser außerordentlichen Stune?
er stuzt, wie er den König genauer betrachtet.
Und dieser Anblik …
König.
hat sich niedergesezt und das Medaillon auf dem Tische ergriffen; er sieht den Herzog eine lange Zeit schweigend an.
Also wirklich wahr?
Ich habe keinen treuen Diener?
Alba,
steht betreten still.
Wie?
König.
Ich bin aufs tödlichste gekränkt – Man weiß es
und niemand der mich warnte.
Alba,
mit einem Blik des Erstaunens.
Eine Kränkung
die meinem König gilt und meinem Aug’
entgangen ist?
König.
Nein! Unter euren Augen
erduld ich sie und ihr verhehlt! … Ihr hättet
so stumpfen Blik für Sünden eines andern?
Ihr hättet mir aus Edelmut, aus Stolz,
die wichtige Entdekkung vorenthalten,
die euren fürchterlichsten Feind vertilgt?
Ich glaub es kaum. Ich kenn euch besser … Herzog
ihr schwiegt, weil der verstohlene Triumph
mein Schiksal zu beklagen, eurem Stolze
noch weit weit süßer war, als eurer Rache
des Nebenbulers Untergang? Ihr habt
es reiflich bei euch überlegt daß hier
das größre Uebel Schweigen ist – drum schwiegt ihr.
Alba.
So sei die Gunst des Königs mir verloren,
wenn ich den Inhalt dieses Vorwurfs …
König,
zeigt ihm das Medaillon.
Kennt
ihr dieses Bild?
Alba.
Es ist nicht zu verfehlen.
Dom Karl –
König,
zeigt ihm die Briefe.
Und kennt ihr diese Hand?
Alba.
Es ist
Dom Karlos Hand –
König,
Pauße, worinn er den Herzog scharf beobachtet.
Vermuthet ihr noch nichts? –
Ihr habt vor seinem Ehrgeiz mich gewarnt?
War’s nur sein Ehrgeiz? Dieser nur, wovor
ich zittern sollte?
Alba.
Ehrgeiz ist ein großes –
ein weites Wort, worin unendlich viel
noch liegen kann.
König.
Und wißt ihr nichts besondres
mir zu entdekken?
Alba,
nach einigem Stillschweigen, mit verschlossener Miene.
Eure Majestät
vertrauten meiner Wachsamkeit die Krone.
Der Krone hab ich meine leisesten
Befürchtungen verpfändet. Was ich sonst
vermuthe, denke oder weiß, gehört
mir eigen zu. So sind geheiligte
Besizzungen, die der verkaufte Sklave
wie der Vasall den Königen der Erde
zurükzuhalten Vorrecht hat. – – Nicht alles,
was klar vor meiner Seele steht, ist reif
genug für meinen König. Will er doch
befriedigt sein, so muß ich bitten, nicht
als Herr zu fragen.
König,
gibt ihm die Briefe.
Les’t.
Alba,
ließt und wendet sich erschrokken gegen den König.
Wer war
der Rasende, dieß unglüksel’ge Blatt
in meines Königs Hand zu geben?
König.
Was?
So wißt ihr, wen der Inhalt meint? – Der Name
ist, wie ich weiß, auf dem Papier vermieden.
Alba
betroffen zurüktretend.
Ich war zu schnell.
König.
Ihr wißt?
Alba,
nach einigem Bedenken.
… Es ist heraus.
Mein Herr befiehlt … ich darf nicht mehr zurüke …
ich läugn’ es nicht – ich kenne die Person.
König,
aufstehend in einer schreklichen Bewegung.
O einen neuen Tod hilf mir erdenken
Der Rache fürchterlicher Gott! – – – So klar
so weltbekannt, so laut ist das Verständniß,
daß man des Forschens Mühe überhoben,
schon auf den ersten Blik es räth – Das ist
zu viel! Das hab ich nicht gewußt! Das nicht!
Ich also bin der lezte der es findet!
Der lezte durch mein ganzes Reich –
Alba.
Weil man
nur vor dem königlichen Auge zittert,
für dieses nur die Maske spart – wozu
sich vor der Sklaven Wachsamkeit verkriechen,
wenn man gewiß sein kann, daß der Monarch
beschlossen hat, nur seinem Aug zu glauben?
Nicht unserm Forschen – der Vermessenheit,
dem stolzen Taumel des Infanten, der
sich nicht gescheut, mit diesem strafbaren
Verständnisse zu pralen, danken wir
die frühere Entdekkung – Kaum bezwangen
wir die gerechte Wallung unsers Zorns
die Ehre eurer Majestät so laut
so öffentlich verlezt zu sehen!
König.
Laut!
Alba.
Zu hören, wie sein ausgelaßner Wiz
selbst seines Vaters heilige Person
mishandelte – in Gegenwart sogar
der Königin mishandelte. Jüngst sprach
man von dem Vorsaz Eurer Majestät,
das Königreich persönlich zu durchreisen.
Er foderte ein Blatt Papier und schrieb
er sucht in einer Brieftasche.
dieß beißende Pasquill, das er die Reisen
Dom Philipps nannte.
König,
durchblättert es.
„Reise von dem Garten
Buenretiro nach Eskurial;
vom Prado nach Aranjuez.“
Der König legt das Papier stillschweigend nieder.
Alba,
nach einer Pauße, worinn er seine Antwort erwartet.
Wer gegen
die Majestät des Königs und in seiner
Gemahlin Beisein diese Scherze sich
erlauben darf, muß in genaueren
Verbindungen –
König,
nachdem er einigemal mit starken Schritten auf und niedergegangen.
Und jezt – erst jezt Toledo
erfahr ich das? Bis heute konntet ihr
in meinem Schlummer mich verharren lassen?
Ihr, den ich meinen Freund genannt? Der mir
ein treuer Spiegel immer war von allen
Gedanken, die in meinen Reichen keimen,
ihr konntet dißmal mir –
Alba,
wirft sich dem König zu Füßen.
Ja ich bekenne
mich schuldig gnädigster Monarch. Ich schäme
mich einer feigen Klugheit, die mir da
zu schweigen rieth wo meines Königs Ehre
Gerechtigkeit und Wahrheit laut genug
zu reden mich bestürmten … Weil doch alles
verstummen will – weil Furcht vor einem Weibe,
weil die allmächtige Bezauberung
der Schönheit aller Männer Zungen bindet,
so seis gewagt, ich rede; weiß ich gleich,
daß eines Sohns einschmeichelnde Betheurung,
daß die verführerischen Reizungen,
die Tränen der Gemahlin laut genug
mich überstimmen werden – daß sogar
die Freundschaft meines Königs vor dem Zorne
der Schönheit mich nicht schüzzen kann – vielleicht
nur eine Nacht –
König,
rasch und heftig.
Eh wird sie mit dem Tode
zu Bette gehen. Stehet auf. Ihr habt
mein Königliches Wort … Wißt ihr noch mehr?
Sprecht unerschrokken.
Alba,
aufstehend.
Eure Majestät
besinnen sich vielleicht noch jenes Vorfalls
im Garten zu Aranjuez. Sie fanden
die Königin, von allen ihren Damen
verlassen – mit zerstörtem Blik – allein
in einer abgelegnen Laube.
König.
Ha!
Was werd ich hören? Weiter –
Alba.
Die Marquisin
von Mondekar ward aus dem Reich verbannt,
weil sie Großmut genug besaß, sich schnell
für ihre Königin zu opfern – Jezt
sind wir berichtet – Die Marquisin hatte
nicht mehr gethan, als ihr befohlen worden.
… Der Prinz war Dort gewesen.
König,
schreklich auffahrend.
Dort gewesen!
Doch also –
Alba.
Eines Mannes Spur im Sande
die von dem linken Eingang dieser Laube
nach einer Grotte sich verlor, wo noch
ein Schnupftuch lag, das der Infant vermißte,
erwekte gleich Verdacht. Ein Gärtner hatte
dem Prinzen dort begegnet und das war,
beinah auf die Minute ausgerechnet,
dieselbe Zeit, wo Ihro Majestät
sich in der Laube zeigten.
König,
aus einem finstren Nachsinnen zurükkommend.
Und sie weinte,
als ich Befremdung blikken ließ? Sie machte
vor meinem ganzen Hofe mich erröthen!
Erröthen vor mir selbst! – Bei Gott! Ich stand
wie ein Gerichteter vor ihrer Tugend! –
eine lange und tiefe Stille. Er sezt sich nieder und verhüllt das Gesicht.
Ja Herzog Alba – ihr habt Recht – Das könnte
zu etwas schreklichem mich führen … Laßt
mich einen Augenblik allein.
Alba.
Mein König,
selbst das entscheidet noch nicht ganz –
König.
nach den Papieren greifend.
Auch das nicht?
Und das? Und wieder das? Und dieser laute
Zusammenklang verdammender Beweise?
- O es ist klarer als das Licht … Was ich
schon lange Zeit vorausgewußt … Der Frevel
begann schon da, als ich von euren Händen
sie in Madrid zuerst empfieng – Noch seh ich
mit diesem Blik des Schrekens, geisterbleich,
auf meinen grauen Haaren sie verweilen.
Da fieng es an das falsche Spiel!
Alba.
Dem Prinzen
starb eine Braut in seiner jungen Mutter.
Schon hatten sie mit Wünschen sich gewiegt,
in feurigen Empfindungen verstanden,
die ihr der neue Stand verbot. Die Furcht
war schon besiegt, die Furcht, die sonst das erste
Geständniß zu begleiten pflegt und kühner
sprach die Verführung in vertrauten Bildern
erlaubter Rükerinnerung. Verschwistert
durch Harmonie der Meinung und der Jahre,
durch gleichen Zwang erzürnt, gehorchten sie
den Wallungen der Leidenschaft so dreister.
Die Politik griff ihrer Neigung vor;
ist es zu glauben mein Monarch, daß sie
dem Staatsrath diese Vollmacht zuerkannte?
Daß sie die Lüsternheit bezwang, die Wahl
des Kabinets aufmerksamer zu prüfen?
Sie war gefaßt auf Liebe und empfieng
… ein Diadem.
König,
beleidigt und mit Bitterkeit.
Ihr unterscheidet sehr …
sehr weise Herzog. Ich bewundre eure
Beredsamkeit. Ich dank euch.
Aufstehend, kalt und stolz.
Ihr habt recht.
Die Königin hat sehr gefehlt mir Briefe
von diesem Inhalt zu verbergen – mir
die strafbare Erscheinung des Infanten
im Garten zu verheimlichen. Sie hat
aus falscher Großmut sehr gefehlt. Ich werde
sie zu bestrafen wissen.
er zieht die Glokke.
Wer ist sonst
im Vorsaal? – Eurer Herzog Alba,
bedarf ich nicht mehr. Tretet ab.
Alba.
Sollt’ ich
durch meinen Eifer Eurer Majestät
zum Zweitenmal misfallen haben?
König,
zu einem Pagen der hereintritt.
Laßt
Domingo kommen.
Der Page geht ab.
Ich vergeb es euch,
daß ihr beinahe zwei Minuten lang
mich ein Verbrechen hättet fürchten lassen,
das gegen euch begangen werden kann.
Alba entfernt sich.
Der König. Domingo.
Der König.
geht etlichemal auf und ab, sich zu sammeln.
Domingo.
tritt einige Minuten nach dem Herzog herein, nähert sich dem König den er eine Zeitlang mit feierlicher Stille betrachtet.
Wie froh erstaun ich, Eure Majestät
so ruhig, so gefaßt zu sehn.
König.
– erstaunt ihr –
Domingo.
Der Vorsicht seis gedankt, daß meine Furcht
doch also nicht gegründet war! Nun darf
ich um so eher hoffen.
König
Eure Furcht?
Was war zu fürchten?
Domingo.
schweigt wieder still und wirft einen bedeutenden Blik auf den Tisch, wo das Medaillon und die Briefe liegen.
Alles wenigstens
von einem zürnenden Gemahl.
Der König sieht ihn befremdet und unwillig an.
Ich darf
nicht läugnen Eure Majestät, daß ich
um ein Geheimniß weiß …
König.
finster.
Hab ich denn schon
den Wunsch geäußert, es mit euch zu theilen?
Wer kam so unberufen mir zuvor?
Sehr kühn bei meiner Ehre!
Domingo.
Mein Monarch,
der Ort der Anlaß wo ich es erfahren,
das Siegel unter dem ich es erfahren,
spricht wenigstens von dieser Schuld mich frei.
Am Beichtstuhl ward es mir vertraut – vertraut
als Missethat – die das empfindliche
Gewissen der Entdekkerin belastet
und Gnade bei dem Himmel sucht. Zu spät
beweint die Fürstin eine That, von der
sie Ursach hat, die fürchterlichsten Folgen
für ihre Königin zu ahnden.
König.
Wirklich?
Das gute Herz! … Ihr habt ganz recht vermuthet,
weßwegen ich euch rufen ließ. Ihr sollt
aus einem dunkeln Labirinth mich führen,
worein mich blinder Eifer, Eigennuz
geworfen hat – Hier liegen Zeugniße,
die meine Gattin meinen Sohn verdammen,
noch andre weiß ich, die das schreklichste
mich fürchten lassen – Aber schwer, Domingo,
schwer wird es mir, an eines nur zu glauben.
So tief, als man die Königin bezüchtigt,
herabzusinken kostet viel. So leicht,
als man mich überreden möchte, reissen
der Ehe heilge Bande nicht, zerreißt
die Sittsamkeit den Schleier nicht. Das Blut,
das stolzer fließt in königlichen Adern,
verschmäht das Gift der lüsternen Begierde,
die nur in Sklavenherzen brennt … Wer endlich
wer klagt sie an? Daßelbe feile Weib,
das kaum zuvor den Gürtel seiner Ehre
mir hinzugeben nicht erröthet hatte?
Ein würdges Zeugniß gegen meine Gattin
und Königin! – Und wenn sie fähig sollte
gewesen sein, so tief sich zu entehren,
sie – sie – o wie viel mehr ist mir zu glauben
erlaubt, daß eine Eboli verläumdet!
Mein Weib ist mehr werth als sie alle. Haßt
nicht Herzog Alba meinen Sohn und sie?
Ihr kennt den Menschen auch und seid gerechter.
Von euch erwart’ ich Wahrheit. Redet offen
mit mir. Was soll ich glauben? was beschließen?
Von eurem Amte fodr’ ich Wahrheit.
Domingo.
Wenn
auch meines Standes Mildigkeit mir nicht
die süße Pflicht der Schonung aufferlegte,
doch würd ich Eure Majestät beschwören,
um ihrer Ruhe willen sie beschwören,
bei dem entdekten still zu stehn – das Forschen
in ein Geheimniß ewig aufzugeben,
das niemal freudig sich entwikkeln kann.
Was jezt bekannt ist, kann vergeben werden,
Ein Wort des Königs – und die Königin
hat nie gefehlt. Der Wille des Monarchen
verleiht die Tugend wie das Glük – und nur
die immer gleiche Ruhe meines Königs
kann die Gerüchte mächtig niederschlagen,
die sich die Lästerung erlaubt.
König.
Gerüchte?
Von mir und unter meinem Volke?
Domingo.
Lügen!
Verdammenswerthe Lügen! Ich beschwör es.
Doch freilich gibt es Fälle wo der Glaube
des Volks – und wär er noch so unerwiesen –
bedeutend wie die Wahrheit wird.
König.
Bei Gott!
Und hier gerade wär es – –
Domingo.
Guter Name
ist das kostbare einzge Gut, um welches
die Königin mit einem Bürgerweibe
wetteifern muß – –
König.
Für den doch, will ich hoffen,
hier nicht gezittert werden soll?
er ruht mit ungewissem Blik auf Domingo. Nach einer Pause.
Kaplan,
ich soll noch etwas schlimmres von euch hören;
verschiebt es nicht. Schon lange les’ ich es
in diesem unglükbringenden Gesichte.
Heraus damit. Seis was es wolle. Laßt
nicht länger mich auf dieser Folter beben.
Es ist ein harter Augenblik und dann vorbei.
Was glaubt das Volk?
Domingo.
Noch einmal mein Monarch,
Das Volk kann irren – irrt gewiß. Was es
behauptet, darf den König nicht erschüttern:
Nur daß es soweit schon sich wagen durfte,
das zu behaupten – –
König
ungeduldig.
Was? … Muß ich so lange
um einen Tropfen Gift euch bitten? … Was?
Domingo
Dem Volk das gern in dem Kalender blättert
fällt ein besondrer Umstand auf. Es findet
den unglüksvollen Monat angeschrieben,
der Eure königliche Majestät
dem Tode nahe brachte … Dreißig Wochen
nach diesem liest es von der glüklichen
Entbindung seiner – –
König
ist ohnmächtig auf den Sessel zurükgesunken.
Domingo
erschrokken auf ihn zustürzend.
Gott – Was ist das? Hilfe!
er zieht die Glokke.
Toledo – Lerma –
Der König. Domingo. Herzog Alba.
Alba,
stürzt in das Zimmer.
Hilfe wird gerufen.
Domingo.
Der König … Eilt!
Alba.
Der König! Welcher Zufall!
König
schlägt die Augen auf.
Wo war ich?
Domingo.
Er erhohlt sich. Bleibt. Es ist
vorüber … Eure Majestät –
König.
noch wie im Traume.
Ha! Recht!
solch eine Stimme wars, die meine Tochter
zum Bastard machte.
Alba.
Nicht so bester König.
König.
Ihr auch da? O euch schikte mir die Gnade!
Ihr seid ein Mann – schüzt mich vor diesem Priester.
er lehnt sich an den Herzog.
Alba.
Besinnen sie sich mein Monarch.
König
er erkennt den Herzog und weicht einen Schritt zurük.
Was thu ich?
Bin ich in solchen Händen? – Einer Schlange
will ich bei einem Krokodill entlaufen?
Sonst also hab ich keine Wahl? – Sonst keine?
Allgütge Vorsehung – da steh ich arm
und einsam! Keines guten Menschen Busen,
wo ich mein Haupt zur Ruhe könnte wiegen!
Domingo,
er und Herzog Alba geben sich verlegene Blikke, und schweigen. Endlich wendet sich Domingo zum König.
Wenn wir voraus es hätten wissen können,
daß diese Nachricht an dem Ueberbringer
geahndet werden sollte –
König,
ohne ihn anzusehen auf Einem Gedanken geheftet.
Bastard, sagt ihr,
Ein Bastard wär es was ich Tochter nannte?
Ich war, sagt ihr, vom Tode kaum erstanden,
als sie sich Mutter fühlte … Wie? Das war
ja damals, wenn ich anders mich nicht irre,
als ihr mit allen Priestern eures Ordens
den heiligen Dominikus an allen
Altären für das hohe Wunder lobtet,
das er an mir gewirkt? … Was damals Wunder
gewesen, ist es jezt nicht mehr? So habt
ihr damals oder heute mir gelogen?
An was verlangt ihr daß ich glauben soll?
Ihr werdet blaß? Ihr steht verlegen? … Habe
ich euch ergriffen Priester? Hoffet nicht
mit glatter Schlangenhaut euch loszuwinden.
Sagt mir die Wahrheit, Priester … Gibt es Wunder?
Ich falle ab von eurem Glauben, wenn
ihr es verneinet.
Domingo,
nach einem verlegenen Besinnen.
Nur alsdann, mein König,
wenn die Gesezze der Natur sich unserm
Verstand entziehn, nimmt unsre Dankbarkeit
zur Gnade ihre Zuflucht. Wunder wirkt
der Himmel nie, wenn sie entbehrlich sind!
König
O! des verschlagnen Weltmanns der für jeden
besondern Fall auch eine neue Klugheit
und eine neue Zunge hat – der heute
durch Lügen seinem Schöpfer dient und morgen
ihn drängenderen Lügen wieder opfert.
O! ich durchschau euch. Wäre das Komplott
schon damals reif gewesen – – ja, dann war
der Heilige um seinen Ruhm.
Alba,
das Wort mit Empfindlichkeit auffaßend.
Komplott!
Domingo.
Komplott! Welch kränkender Verdacht!
König.
Ihr solltet
mit dieser beispiellosen Harmonie
jezt in derselben Meinung euch begegnen
und doch nicht einverstanden sein? – Mich wollt
ihr das bereden?? Mich? – Ich soll etwa
nicht wahrgenommen haben wie erpicht
und gierig ihr auf euren Raub euch stürztet,
wie künstlich ihr den Rükweg mir gesperrt,
mit welcher Wollust ihr an meinem Schmerz
an meines Zornes Wallung euch gewaidet?
Nicht merken soll ich, wie voll Eifer dort
der Herzog brennt, der Gunst zuvorzueilen,
die meinem Sohn versprochen war? Wie gerne
der fromme Mann hier seinen kleinen Groll
mit meinem königlichen Zorn bewehrte?
Ich bin der Bogen, bildet ihr euch ein
den man nur spannen dürfte nach Gefallen? – –
Kleinkluge Geister, die ihr Leidenschaft
mit einer Meßschnur zu umschreiben – Menschen
gleich einer Uhr zu stellen denkt! Ihr habt
in eurer Rechnung dißmal euch betrogen.
Noch hab ich meinen Willen auch. So leicht
als ein Akkord dem Griff des Lautenspielers
steht euch mein Geist nicht zu Gebote. Wenn
ich zweifeln soll, so laßt mich wenigstens
bei euch den Anfang machen.
Alba.
Diese Deutung
hat unsre Treue nicht erwartet.
König.
Treue!
Die Treue wart vor drohenden Verbrechen,
die Rachgier spricht von den begangenen.
Laßt hören! Was gewann ich denn durch eure
Dienstfertigkeit? … Ist, was ihr vorgebt, wahr –
was bleibt mir übrig als der Trennung Wunde,
der Rache trauriger Triumph? … Doch nein!
Ihr fürchtet nur … ihr gebt mir schwankende
Vermuthungen – Am Absturz einer Hölle
laßt ihr mich stehen und entflieht.
Domingo.
Sind andre
Beweise möglich wo das Auge selbst
nicht überwiesen werden kann?
König,
nach einer tiefsinnigen Stille – indem er sich ernst und feierlich gegen Domingo wendet.
Ich will
die Großen meines Königreichs versammeln
und selber zu Gerichte sizzen – Tretet
heraus vor allen, habt ihr Muth, und klaget
als Ehebrecherin sie an. Ich schwör euch
sie soll des Todes sterben – ohne Rettung –
sie und mein Sohn soll sterben! – Aber merkt euch!
zuvor – ihr selbst! Ihr, weil ihr mich gezwungen,
mit meiner Gattin, meines Kindes Blut
den Tron und meine Hände zu besudeln.
… Das habt ihr nicht berechnet, daß dem Arme,
der Sohn und Weib erschlug, des Wurmes Leben
nicht heilig sein wird – daß für solche Dienste
ein solcher Lohn bereitet liegt? … Wollt ihr
die Wahrheit durch ein solches Opfer ehren?
Entschließet euch – – ihr wollt nicht? Ihr verstummt?
Ihr wollt nicht? – Das ist eines Lügners Eifer.
Alba.
der stillschweigend in der Ferne steht, antwortet kalt und ruhig.
Ich will es.
König,
dreht sich erstaunt um und sieht den Herzog eine Zeitlang starr an.
Das ist kühn
nach einigem Nachdenken.
Doch mir fällt ein,
daß ihr in scharfen Schlachten eurer Leben
an etwas weit geringeres gewagt,
mit eines Würfelspielers Leichtsinn für
des Ruhmes Unding es gewagt – Und was
ist euch das Leben? Welchen Reiz kann es
für eures gleichen haben, die in Ketten
empfangen worden? – Königliches Blut
geb ich dem Rasenden nicht Preiß, der nichts
zu hoffen hat, als ein geringes Dasein
erhaben aufzugeben – – Euer Opfer
verwerf ich. Geht.
nach einigem Stillschweigen.
Geht – und im Audienzsaal
erwartet meine weiteren Befehle.
beide treten ab.
Der König allein.
folgt beiden mit den Augen bis sie verschwunden sind – wie er sich allein sieht, geht er mit raschen Schritten auf und nieder und bleibt endlich gedankenvoll stehen.
Jezt gib mir einen Menschen, gute Vorsicht.
Du hast mir viel gegeben – mehr, als bei
der gleichen Theilung unter deine Kinder
mir billig werden sollte. Schenke mir
jezt einen Menschen. … Du, du bist Allein,
denn deine Augen prüfen das verborgne –
ich bitte dich um einen Freund, denn ich
bin nicht wie du allwißend. Die Gehilfen,
die du mir zugewiesen hast – was sie
mir sind, weißt du. Was sie verdienen, haben
sie mir gegolten. Ihre zahmen Laster,
beherrscht vom Zaume, ziehen meinen Wagen,
wie deine Wetter die Natur – Jezt brauche
ich einen guten Menschen – brauch ihn mehr
und drängender als alles Glük das du
in meines Lebens schmales Bette preßtest.
Ich brauche Wahrheit – ihre stille Quelle
im dunkeln Schutt des Irrthums aufzugraben
ist nicht das Loos der Könige. Gib mir
den seltnen Mann mit reinem offnen Herzen,
mit hellem Geist und unbefangnen Augen,
der mir sie finden helfen kann. Ich schütte
die Loose auf. Laß unter tausenden,
die um der Hoheit Sonnenscheibe flattern,
den Einzigen mich finden.
er öfnet eine Chatoulle, die sehr stark verschlossen ist und nimmt eine Schreibtafel heraus. Nachdem er eine Zeitlang darinn geblättert.
Bloße Namen –
nur Namen stehen hier und nicht einmal
Erwähnung des Verdiensts, dem sie den Plaz –
auf dieser Tafel danken … und was ist
vergeßlicher als Dankbarkeit? … Doch hier
auf dieser andern Tafel les’ ich jede
Vergehung pünktlich beigeschrieben. Wie?
Das ist nicht gut. Braucht etwa das Gedächtniß
der Rache diese Hilfe noch?
er liest weiter.
Graf Egmont
Was will der hier? … Der Sieg bei S. Quentin
war längst verwürkt. Ich werf ihn zu den Todten.
er löscht diesen Namen aus und schreibt ihn auf die andre Tafel. Nachdem er weiter gelesen.
Marquis von Posa … Posa? … Posa? Kann
ich dieses Namens mich doch nicht besinnen.
Und zweifach angestrichen … ein Beweis
daß ich zu großen Zwekken ihn bestimmte!
Und, war es möglich? Dieser Mensch entzog
sich meiner Gegenwart bis jezt? Vermied
die Augen seines königlichen Schuldners?
Bei Gott! im ganzen Umkreis meiner Staaten
der einzge Mensch der meiner nicht bedarf!
Besäß er Habsucht oder Ehrbegierde,
er wäre längst vor meinem Tron erschienen.
Wag ichs mit diesem Sonderling? … Wer mich
entbehren kann, wird Wahrheit für mich haben.
er geht ab.
Der Audienzsaal.
Dom Karlos im Gespräch mit dem Prinzen von Parma auf und abgehend. Die Herzoge von Alba, von Feria und Medina Sidonia. Der Graf von Lerma und mehrere Granden mit Schriften in der Hand. Alle den König erwartend.
Medina Sidonia
von allen umstehenden Granden sichtbar vermieden, wendet sich zum Herzog von Alba, welcher allein und in sich gekehrt auf und abgeht.
Sie haben ja den Herrn gesprochen Herzog
wie fanden sie ihn aufgelegt?
Alba.
Sehr übel
für sie und ihre Zeitungen.
Medina Sidonia,
sezt sich ermattet nieder.
Im Feuer
des englischen Geschüzzes war mirs leichter
als jezt auf diesem Pflaster.
Karlos,
welcher bisher mit verstohlener Theilnahme auf ihn geblikt hat, nähert sich ihm jezt und drükt ihm stillschweigend die Hand.
Medina Sidonia,
steht auf und sieht den Prinzen gerührt an.
Warmen Dank
für diese großmuthsvolle Träne Prinz.
Sie sehen, wie mich alles flieht. Nun ist
mein Untergang beschlossen.
Karlos.
Hoffen sie
das Beste, Freund, von meines Vaters Gnade
und ihrer Unschuld.
Medina Sidonia.
Ich verlor ihm eine Flotte,
wie keine noch im Meer erschien. Was ist
ein Kopf wie dieser gegen siebenzig
versunkne Gallionen? – – – Aber Prinz – –
fünf Söhne, brav und hoffnungsvoll, wie sie –
Das bricht mein Herz – –
er verbirgt das Gesicht.
Der König kömmt angekleidet heraus. Die Vorigen. Alle nehmen die Hüte ab, und weichen zu beiden Seiten aus, indem sie einen halben Krais um den König bilden.
König,
den ganzen Krais flüchtig durchschauend.
Bedekt euch!
Karlos und der Prinz von Parma,
nähern sich zuerst und küssen dem König die Hand.
König,
ohne seinen Sohn bemerken zu wollen, wendet sich mit Freundlichkeit zum Prinzen von Parma.
Eure Mutter, Neffe,
will wissen, wie man in Madrid mit euch
zufrieden sei – –
Parma.
Das frage sie nicht eher,
als nach dem Ausgang meiner ersten Schlacht.
König.
Gebt euch zufrieden. Auch an euch wird einst
die Reihe sein, wenn diese Stämme brechen.
… Was bringt ihr mir?
Herzog von Feria,
tritt hervor und beugt ein Knie vor dem König.
Der Großkomtur des Ordens
von Calatrava starb an diesem Morgen.
Hier folgt sein Ritterkreuz zurük.
König,
nimmt den Orden, und sieht im ganzen Zirkel herum.
Wer wird
nach ihm am würdigsten es tragen?
er winkt Alba zu sich und hängt ihm den Orden um, indem ihm dieser die Hand küßt.
Herzog,
ihr seid mein erster Feldherr.
leiser zu ihm.
Seid nie Mehr,
so wird euch meine Gnade niemals fehlen.
Er wird den Herzog von Medina Sidonia gewahr.
Sieh da! Mein Admiral!
Medina Sidonia,
nähert sich wankend und kniet vor dem König nieder, mit gesenktem Haupt.
Das, großer König,
ist alles, was ich von der spanschen Jugend
und der Armada wiederbringe.
König,
nach einigem Stillschweigen.
Gott
ist über Mir … Ich habe gegen Menschen,
nicht gegen Sturm und Klippen sie gesendet.
Seid mir willkommen in Madrid …
er hebt ihn auf.
Und Dank,
daß ihr in euch mir einen würdgen Diener
erhalten habt … Für diesen meine Granden
erkenn ich ihn – will ich erkannt ihn wissen!
Karlos,
geht mit lebhafter Freude auf den Herzog zu und umarmt ihn.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Im Thalia-Abdruck fälschlicherweise als vierter Auftritt betitelt. Der vierte Auftritt ist jedoch der vorige, worin Graf Lerma auftritt. Alle nachfolgenden Auftritte sind um eine Ziffer in der Nummerierung verschoben.
« Dom Karlos – Teil 3 | Thalia/Erster Band | |
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern) am linken Seitenrand.
|