Dom Pedro
Dom Pedro. Während in dem brasilischen Staate die Wirren nicht zur Ruhe kommen wollen, welche durch die Revolution vom 15. November 1890 entfesselt worden sind, ist in Paris am 5. Dezember des vorigen Jahres der Herrscher aus dem Leben geschieden, welchen jene Revolution seines Thrones entsetzt hatte und welcher eben in letzter Zeit berufen schien, aufs neue in die Geschicke des von Parteikämpfen zerwühlten Landes verflochten zu werden - Dom Pedro II. von Alcantara. Ein vielbewegtes Leben ist damit zum Abschluß gekommen. Mehr als einmal hat der Verewigte während seiner langen Regierung gegen widerstrebende Elemente kämpfen müssen, und es mag ihm diese Nothwendigkeit schwer genug angekommen sein, da seine ganze Natur ihn nicht auf kriegerische Lorbeeren hinwies, sondern ihn vielmehr in der stillen Beschaulichkeit des Gelehrten sein Ideal erblicken ließ. Nicht einmal die edle That der Sklavenbefreiung hat ihm Dank gebracht.
Seine Liebe galt vor allem den Wissenschaften; mit ihnen füllte er die Muße seiner Verbannung – und sie haben ihn auch, ein sonderbares Zusammentreffen, das Leben gekostet, denn auf der Rückkehr von einer Sitzung der Akademie der Wissenschaften zu Paris hat er sich die Erkältung zugezogen, die dem lange kränkelnden Manne wenige Tage nach seinem 66. Geburtstage den Tod brachte. Mit einer großen Anzahl von geistig hervorragenden Zeitgenossen stand er in regem Verkehr, sie besuchte er gern auf seinen großen Reisen durch Europa, und manche hübsche Anekdote von der Bescheidenheit des Kaisers der Majestät des Geistes gegenüber wird erzählt, wobei die letztere sich nicht immer derselben Tugend befleißigte. Am bezeichnendsten in diesem Sinne ist die Widmung, welche der einst so hoch gefeierte französische Dichter Viktor Hugo in ein für den Kaiser bestimmtes Exemplar seiner „Kunst, Großvater zu sein“ schrieb. Sie lautete kurz. „An Dom Pedro von Alcantara. Viktor Hugo.“