Drei Königskinder

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Textdaten
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Autor: Wilhelm Busch
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Titel: Drei Königskinder
Untertitel:
aus: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. S. 59–63
Herausgeber: Otto Nöldeke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1910
Verlag: Lothar Joachim
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Erscheinungsort: München
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
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[59]
25. Drei Königskinder.

Es war einst ein König, der hatte Befehl gegeben, daß in seinem Reiche abends nach zehn Uhr keiner mehr arbeiten sollte, und wer das doch thäte, [60] der sollte schwerer Strafe gewärtig sein. Nun saßen noch spät abends bei Licht drei arme Mädchen und arbeiteten. Da sprach die erste: »ich wollte, ich kriegte des Königs Koch zum Mann,« die zweite: »ich wollte, ich kriegte dem König seinen Minister,« die dritte und jüngste aber sprach: »ich wollte, daß ich den König selber zum Mann kriegte«. Das hatte der König alles mit angehört, denn er stand hinter dem Fenster und horchte, und kam ihm so drollig vor, daß er beschloß, den drei Mädchen ihre Wünsche zu erfüllen.

Den Tag darauf ließ er die älteste zu sich rufen, die sich den Koch zum Manne gewünscht hatte und sprach zu ihr: »ich habe gestern deinen Wunsch vernommen und

weil du den Koch begehrt,
so bist des Koches werth«

und gab ihr den Koch zum Manne. Darauf ließ er die zweite vor sich kommen und sagte: »ich habe gestern deinen Wunsch vernommen und

weil du den Minister begehrt,
so bist du seiner auch werth«

und gab ihr seinen Minister zum Manne. Nachdem so mußte die dritte und jüngste Schwester vor ihn kommen, die ihn selber zum Manne gewünscht hatte, zu der sprach er auch: »ich habe gestern deinen Wunsch vernommen und

weil du meiner begehrt,
so bist du meiner auch werth«

und heirathete sie und machte sie zur Königin.

Über eine Zeit, so wurde die Königin schwanger; da fragte sie der König, wen sie denn am liebsten zu ihrer Pflege bei sich haben wollte. Da verlangte sie nach ihrer ältesten Schwester, die des Königs Koch zum Manne hatte. Die Königin brachte aber einen hübschen Knaben zur Welt, der trug an seiner Stirn einen goldenen Stern. Weil nun die älteste Schwester neidisch war, daß die jüngste den König zum Mann gekriegt hatte, sie selber aber nur des Königs Koch, so legte sie der Königin einen jungen Hund ins Bett, nahm das Kind, klebte ihm ein Pechpflaster auf die Stirn, daß der goldene Stern nicht zu sehen war und that es in einen Kasten; den Kasten mit dem Kinde setzte sie heimlich auf den Strom,[1] der dicht an des Königs Schloß vorbeifloß, und da trieben ihn die Wellen immer weiter hinab in das Land hinein. Der König, da er vernahm, daß seine Frau einen Hund geboren hätte, ward erst ganz zornig, aber doch, aus großer Liebe zu ihr, gab er sich zufrieden und war freundlich und gut mit ihr wie zuvor.

Zu derselben Zeit wohnte weiter den Strom hinab ein Gärtner, der hatte drei Kinder und dicht an dem Strom einen schönen Garten. Da nun einst die Kinder, wie sie immer thaten, in dem Garten dicht am Wasser ihre Spiele [61] trieben, so kam ein Kästchen den Strom herabgeschwommen, und wie es die drei Gärtnerskinder auffischten und ans Ufer zogen, so lag ein kleiner hübscher Knabe darin, dem saß auf der Stirn ein Pechpflaster. Da liefen die Gärtnerskinder mit dem Kästchen und dem Kinde darin voller Freuden zu ihrem Vater und zeigten es ihm, und der Gärtner, da er das arme hülflose Kind sah, erbarmte sich seiner und behielt es bei sich und behandelte es, als ob es sein eigenes Kind gewesen wäre, und die drei Gärtnerskinder warteten es und spielten damit.

Über ein Jahr kriegte die Königin wieder ein kleines Kind und das war wieder ein Knabe und trug vor seiner Stirn auch so einen goldenen Stern, genau wie das erste Kind. Die neidische Schwester aber, welche die Königin wieder zur Pflege bei sich hatte, nahm das Kind, sobald es geboren war, heimlich weg, legte ein Pechpflaster auf seine Stirn und setzte es in einem Kästchen auf den Strom, daß es die Wellen hinuntertrieben. An seiner Statt legte sie der Königin einen jungen Hund ins Bett und ging hin und sagte dem Könige, seine Gemahlin hätte diesmal wieder einen Hund zur Welt gebracht. Darüber gerieth der König in heftigen Zorn, versammelte seine Räthe und fragte sie, was sie meinten, daß er in der Sache thun solle? Da hielten sie einen Rath und sprachen; diesmal sollte der König noch verzeihen; wenn aber so was noch einmal wieder vorkäme, so hätte die Königin verdient, daß sie in einem Thurme lebendig vermauert würde und kein Essen und kein Trinken kriegte und so des Todes stürbe. Damit war der König zufrieden.

Es begab sich aber, daß zu derselben Zeit des Gärtners drei Kinder wieder in dem Garten waren und an dem Wasser spielten, da kam das Kästchen mit des Königs zweitem Kinde auf dem Strome dahergeschwommen, das zogen die drei Kinder auch ans Ufer und brachten es voller Freuden zu ihrem Vater, und weil der ein mitleidiger Mann war, so behielt er das arme hülflose Ding bei sich, und die drei Gärtnerskinder warteten es und spielten damit.

Nachdem, da ein Jahr vergangen war, wurde die Königin zum dritten Male schwanger und hatte wieder ihre Schwester bei sich, und als sie nun ein kleines Mädchen kriegte, da legte ihr das boshafte Weib eine Katze ins Bett und setzte das Kind in einem Kasten auf den Strom, daß es die Wellen hinaustrugen in das weite Land hinein. Aber die drei Gärtnerskinder fingen es auf und brachten es ihrem Vater, der erbarmte sich seiner und behielt es bei sich.

Der König, da er vernahm, daß seine Frau zum dritten Male ein Thier zur Welt gebracht hatte, ward seines Zornes nicht mehr Meister, ließ die arme Königin greifen und sie in einem Thurm lebendig vermauern, so daß sie vor Hunger bald umkommen mußte.

Eine Zeit darnach begab es sich, daß die drei Gärtnerskinder krank wurden und starben, die Königskinder aber wuchsen und wurden schön und stark, und der Gärtner setzte sie zu seinen Erben ein. Da sie nun einstmals in [62] ihrem Garten spazieren gingen, so kam ein alter Mann vorbei, der redete sie an und sprach: »Wißt ihr, was euch zu eurem Glücke noch fehlt?« »Nein!« sprachen die Kinder; »was sollte uns noch fehlen; wir haben es ja hier so gut.« Da sprach der alte Mann: »Drei Dinge fehlen euch noch:

Der Vogel der Wahrheit,
Das Wasser des Lebens
Und der Apfel Sina;

die sind es, die euch noch fehlen, daß ihr ganz glücklich seid, und zu finden sind sie auf einem hohen Berge; wenn da einer hinaufkommt, so fängt es an zu donnern und zu blitzen und die Erde bebt, und wenn der, welcher die drei Dinge holen will, sich umsieht, so wird er in einen Stein verwandelt.«

Da hub der älteste Knabe an und sprach: »Nun habe ich nicht her weder Ruhe noch Rast, bis ich den Vogel der Wahrheit, das Wasser des Lebens und den Apfel Sina gefunden und erlangt habe. Hier in diesen Baum stoß ich mein Messer, wenn das rostig wird, so bin ich todt und komme nie mehr zurück.« Damit nahm er Abschied von Bruder und Schwester, stieß sein Messer in den Baum und zog fort in die weite Welt hinein.

Lange Zeit warteten die Kinder, daß ihr Bruder wiederkomme, aber er kam und kam nicht, und als sie nach dem Messer sahen, so war es rostig geworden und da konnten sie sich wohl denken, daß ihr Bruder in einen Stein verwandelt war. Da sprach der zweite Knabe: »Ich lasse meinen Bruder nicht im Stiche, es mag kommen wie es will.« Damit nahm er Abschied von seiner Schwester, stieß auch ein Messer in den Baum, daß sie daran erkennen könnte, ob er lebendig wäre oder todt und zog aus, seinen Bruder aufzusuchen.

Das Mädchen wartete lange Zeit vergeblich, daß ihr Bruder wiederkäme, aber er kam und kam nicht, und als sie einmal nach dem Messer sah, so war es auch rostig geworden, wie ihrem ältesten Bruder seins. Da fing sie bitterlich zu weinen an und sprach: »Nun sind doch meine beiden Brüder gewiß in Steine verwandelt; aber ich lasse sie nicht im Stich, es mag kommen wie es will,« und machte sich auf den Weg, ihre Brüder aufzusuchen.

Sie mußte erst viele Meilen gehn, bis sie endlich an den Berg kam, wo der Vogel der Wahrheit, das Wasser des Lebens und der Apfel Sina zu finden waren. Da faltete sie ihre Hände und betete erst, und da sie nun den Berg hinanstieg, fing es plötzlich an zu donnern und zu wetterleuchten und die Erde bebte, doch stieg sie getrost, ohne hinter sich zu schauen, bis zum Gipfel, wo der Baum stand mit dem Apfel Sina, und ein Brunnen floß, daraus das Wasser des Lebens quoll. Nachdem sie den Apfel gepflückt und von dem Wasser geschöpft hatte, wollte sie wieder fortgehen, da rief der Vogel der Wahrheit: »Vergiß meiner nicht! Vergiß meiner nicht!« Da nahm sie den Vogel auch mit sich, den sie beinahe ganz vergessen hätte.

[63] Auf dem Berge lagen aber viele viele Steine, die begoß das Mädchen mit dem Wasser des Lebens, und da wurden sie auf einmal lebendig und waren auch des Mädchens Brüder dabei, und es entstand da, als das Mädchen noch immer mehr Steine mit dem Wasser begoß, ein groß Gewühl von Menschen, die zogen nun alle in Scharen singend den Berg hinab.

Die beiden Brüder und ihre Schwester gingen nun wieder miteinander in ihre Heimath und als sie zu Hause angekommen waren, sprach der Vogel der Wahrheit, sie sollten ein Mahl bereiten und den König zu Gaste laden Da sagten die Kinder: »Wie können wir den König zu Gaste bitten und haben doch keine Speise, die für einen König schicklich ist?« Sprach der Vogel: wenn sie in jede Schüssel ein Stückchen von dem Apfel Sina legten, so würden die Speisen von selber kommen. Da thaten die Kinder, wie der Vogel gesagt hatte, und luden den König zu Gaste, und als er kam und di Schüsseln aufgedeckt wurden, da waren die köstlichsten Speisen darin.

Während dem, daß sie zu Tische saßen, fing der Vogel zu sprechen an und fragte den König, ob er denn wohl wüßte, mit wem er da zu Tische säße? Sprach der König: »Es sind die Kinder eines Gärtners.« »Nein,« sagte der Vogel, »es sind deine eigenen Kinder.« Und da erzählte er dem Könige, wie sich alles so zugetragen hatte, und daß die Königin unschuldig zum Tode verurtheilt wäre, daß ihr die neidische Schwester die beiden ersten Male zwei kleine Wölpen und das dritte Mal eine Katze ins Bett gelegt hätte und daß die Kinder vor der Stirn einen goldenen Stern trügen. Als ihnen der König nun die Pechpflaster vor dem Kopfe wegnehmen ließ, so kamen die Sterne zum Vorschein. Da war die Freude groß, und that es dem Könige nur leid, daß die arme Königin das alles nicht auch mit erleben konnte. Da sprach der Vogel der Wahrheit, sie sollten ihr nur von dem Wasser des Lebens bringen, so würde sie wieder lebendig werden. Das thaten sie, und von dem Wasser kam sie auch wieder ins Leben zurück, und da hielt der König zum zweiten Male Hochzeit mit ihr.


  1. Eine Art Nilstrom, wie die Erzählerin bemerkte. W. B.