Drittes Fragment
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Drittes Fragment.
„Ist doch die Dämmerung schön — von ihren Armen umschlungen,
Zieht sich das tiefe Gemüth gern in sich selber zurück,
Gern ergießt sich das Herz, das volle, in trauten Gesprächen,
Und es ergründet der Freund besser des Redenden Wort.
In der Dämmerung oft milder dem lauschenden Sinn,
Und sie umschlingen sich beyde vor meinen Blicken und lächeln,
Und ich lächle gern selber den Freundlichen zu.“
Sehet, so sprach der Vater uns Worte voll Sinn und Bedeutung,
Und am Himmel empor stieg Luna nun höher, und blickte
Hinter dem Silbergewölk her in das stille Gemach.
[113] Leise drückte mir die Hand Amanda, der Vater
Schwieg, und blickte hinaus in das ermüdete Feld,
Der mit sengendem Strahl hatte die Erde gedrückt.
Aber ich sahe nur sie, und ob mir die herrlichen Züge
Gleich verschmolzen in Nacht, ob ich die Augen nicht sah,
Glaubt’ ich doch durch die Nacht zwey glänzende Sterne zu schauen,
Ja, sie liebt mich! so sprach in meinem Busen die Stimme,
Aber der Zweifel verschlang wieder das tröstende Wort.
Und da wendete sich zurücke der sinnende Vater,
Sprach: Uns rufet hinaus, Freunde, die Kühle der Nacht.
Einig wandeln wir so hin durch die schweigende Flur.
Und wir traten hinaus. Es glänzt’ im Dufte des Mondes
Uns die Gegend, es schlief unten im Thale der Fluß,
Zitternd schwamm auf ihm der Luna silberne Säule,
So nun wallten wir dahin auf dem Hügel, doch keiner
Wagte mit tönendem Laut sprechend zu stören die Nacht;
Da erhob die Stimme der Vater: Es theilen die Wege
Hier sich, sprach er, doch bald einet sich wieder der Pfad.
An der Gränze des Hains ist das erfreuliche Ziel.
[115] Drey sind der Pfade, o laßt uns einsam sie wandeln,
Bald vereinen wir uns wieder am Plätzchen der Ruh.
Träumet einsam wandelnd — im weichen Grase gelagert,
Denn dem Herzen ist Noth die Einsamkeit wie die Gesellschaft.
Sprachs, und wandelte nun hin auf dem äußersten Pfad,
Und Amanda gehorchte des Vaters Willen, und wallte
Dahin, ich wendete dann dorthin den zögernden Schritt,
Und ich sah es, nach mir war die Geliebte gekehrt,
Aber sie wandte sich schnell, und gieng nach dem mittelsten Wege,
Und so verschwand sie mir eilig im dichten Gebüsch.
[116] Mich auch nahmen nun auf des Laubgangs schaurige Schatten,
Wo mir die Holde verschwand — Wenn Zephyr die Blätter bewegte,
Wähnt’ ich, es sey ihr Gewand, das an den Büschen gerauscht,
Wenn ich den silbernen Strahl des Mondes irrend erblickte,
In dem Dunkel des Hains, glaubt’ ich Amanden zu sehn.
Höher die Sehnsucht auf in dem bewegten Gemüth.
Bald verließ ich den Pfad und wandte mich hin nach dem ihren,
Aber es zauderte bald wieder der strebende Fuß.
Sorglich theilt’ ich die Büsche und langsam schritt ich dann vorwärts,
[117] Sie zu erblicken wünscht’ ich mit heftig schlagendem Herzen,
Und ich fürchtete doch, was ich so innig ersehnt.
So nun war ich gelangt zum Wege, den sie gewandelt,
Einsam war er und leer, nirgends die Holde zu schaun,
Wandelte sicherer fort auf dem verlassenen Pfad,
Rief: Umwehet mich, Lüfte, mit ihrem Odem vermählet!
Den ihr Fuß betrat, feßle mich, grünender Pfad!
Blätter, die ihr geküßt verstohlen die rosige Wange,
Freyer ward nun der Weg, da sah ich durch lichtere Büsche
Sie — in Luna’s Licht schimmert’ ihr weisses Gewand.
[118] Leise wie Rieseln des Quells, wie ferne Nachtigalltöne,
Floß mein Nahme herab ihr von dem rosigen Mund,
Drückte die zarte Hand dann an die schwellende Brust.
Lispelt’: ich liebe dich — es tönten die himmlischen Worte
Leis, doch deutlich, mir in das bezauberte Ohr.