Dunkle Gebiete der Menschheitsgeschichte: Die Ruinen von Zimbabye
Dunkle Gebiete der Menschheitsgeschichte.
Südafrika ist heute das bevorzugte Land, das die Kulturwelt mit einem Goldregen überschüttet. Dem deutschen Reisenden Karl Mauch wird der Ruhm zugeschrieben, die ersten Goldfunde in jenen Gebieten im Jahre 1867 gemacht zu haben. Sicher war er der Entdecker der südafrikanischen Goldfelder für unsere Zeit, aber er selbst hat darauf hingewiesen, daß schon einmal in altersgrauer Vorzeit ein anderes, unbekanntes Kulturvolk jene Länder aufsuchte, um Gold zu gewinnen. Zeugen davon sind Ruinen steinerner Bauten, die in schwer zugänglichen Gebieten noch heute zu schauen sind.
Afrikas Boden ist nicht arm an derartigen Denkmälern der Vergangenheit. An den Ufern des Nils blühte ja eine der ältesten Kulturen der Menschheit auf. Um Jahrtausende reicht ihre Geschichte zurück. Aber die äußersten Vorposten jener alten Kultur reichen nicht weit nach Süden. Jenseit des Aequators fand man lange Zeit hindurch keine Spur von steinernen Bauten, deren Alter ehrwürdig in geschichtlichem Sinne des Wortes wäre. Central- und Südafrika wiesen nur wilde oder wenig entwickelte Völker auf, die leichte, rasch vergängliche Hütten bauten.
Um so größer mußte die Ueberraschung der Forschungsreisenden sein, als sie im Südosten Afrikas, auf einem begrenzten Gebiet, ganz vereinzelt bedeutende Baudenkmäler fanden, die nicht von Naturvölkern herrühren können, Denkmäler, an die keinerlei Ueberlieferung sich knüpft, und deren Ursprung daher unter diesen Umständen völlig rätselhaft ist.
Die ersten Schilderungen dieser Bauwerke stammen aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, aus portugiesischen Quellen.
Der Dominikanermönch Juan dos Santos reiste im Jahre 1586 nach Mozambique und Sofala an der Ostküste des südlichen Afrika und besuchte von dort aus elf Jahre lang als Missionar die verschiedenen portugiesischen Niederlassungen in diesen Gegenden. So erfuhr er auch durch arabische Händler von einem tief im Inlande gelegenen Orte Zimbabye, oder nach portugiesischer Schreibung Simbaöe, wo sich nach den Schilderungen seiner Gewährsmänner Ruinen großer Bauwerke befinden sollten, die verlassen waren, und deren Ursprung den umwohnenden Eingebornen unbekannt war. Dos Santos beschrieb diese Ruinen in seinem „Oestlichen Aethiopien“ (1609) mit folgenden Worten: „Auf dem Berge Afura in der goldreichen Gegend sieht man Ruinen von Gebäuden, welche von Stein und Kalk waren, eine Sache, die man sonst keineswegs in dem Lande der Kaffern bemerkt, wo sogar die Häuser der Könige nur von Holz und Erde sind und mit Stroh gedeckt werden. Eine alte Tradition in diesem Lande berichtet, daß diese Ruinen Ueberbleibsel der Vorratshäuser der Königin von Saba sind, und daß diese Fürstin aus diesem Gebirge all ihr Gold bekommen habe. Andere glauben, daß Salomo diese Magazine habe bauen lassen, und daß er von hier dasjenige Gold von Ophir bekommen habe, womit seine Flotte beladen war … Es ist gewiß, daß in dieser Gegend sehr vieles und feines Gold vorkommt …“ Aehnlich lautet der Bericht des Portugiesen de Barros, dessen Schilderung nicht minder interessant ist: „In der Mitte der Ebene, im Reiche Batua, bei den ältesten Goldminen steht eine Feste, vierseitig, von innen und von außen aus harten Werksteinen vortrefflich erbaut … Ueber der Pforte des Gebäudes steht eine Inschrift, welche weder maurische Handelsleute (d. h. Araber), die dort waren, noch andere Schriftkundige lesen konnten; auch weiß man nicht, mit welchen Charakteren sie geschrieben ist … Wann diese Gebäude und von wem sie erbaut sind, davon ist bei den Eingebornen, die keine Schrift haben, auch keine Nachricht. Sie sagen nur, daß sie ein Werk des Teufels seien, da Menschen es nicht zustande bringen könnten.“ De Barros meinte in diesen Ruinen das alte Agysymba des Ptolemäus gefunden zu haben.
Der erste Europäer, der in unsrer Zeit es unternahm, diese merkwürdige Stätte wieder aufzufinden, war der Missionar Merensky, der infolge von Gerüchten über das Vorhandensein von Ruinen im Binnenlande, die von den Eingebornen als heilig verehrt würden, im Jahre 1861 dorthin zu gelangen suchte. Sein Versuch schlug indessen fehl; allerlei Hindernisse zwangen ihn, umzukehren.
[405] Erst zehn Jahre später, am 5. September 1871, gelang es dem Afrikareisenden Karl Mauch, die Ruinen aufzufinden, eine Entdeckung, die er selbst als einen der bedeutendsten Erfolge seiner Forschungsreisen bezeichnete. Er fand die großartige Ruinenstätte von Zimbabye in dem Berglande zwischen dem Limpopo und dem Zambesi, 304 Kilometer westlich von Sofala, unter 20° 14′ südlicher Breite und 31° 48′ östlicher Länge von Greenwich. Nach ihm ist es im Jahre 1889 abermals einem Europäer, dem Deutschen Willy Posselt, gelungen, bis Zimbabye vorzudringen und nach Besiegung mancher Schwierigkeiten, die ihm die Eingebornen in den Weg legten, die alten Bauwerke zu besichtigen. Sodann hat im Jahre 1891 der Engländer J. T. Bent eine Expedition nach Zimbabye unternommen, die besonders wichtige Resultate geliefert hat. Bent hat eingehende Vermessungen der Ruinen ausgeführt und Pläne aufgenommen. Sein Bericht ist in den Verhandlungen der Königlichen Geographischen Gesellschaft zu London erschienen. Unsere Abbildungen zu diesem Artikel sind nach den von Bent veröffentlichten Zeichnungen gefertigt. Ein Jahr später, im Jahre 1892, besuchte der Missionar C. Beuster die merkwürdige Ruinenstätte.
Die Ruinen von Zimbabye bestehen aus zwei Teilen. Der eine Teil liegt auf einem 50 m hohen Granithügel, der andere am Fuße desselben. Die Bauwerke auf dem Hügel zeigen sich als eine an die schroffen Abhänge vorgeschobene, gut konstruierte Festungsanlage, von der noch Mauerreste von etwa 10 m Höhe und 100 m Länge erhalten sind. Im Thale befindet sich die auf unserem Plane dargestellte kreisförmige Ruine. Sie besteht aus einer etwa 10 m hohen Ringmauer, deren innerer Durchmesser 70 m beträgt. Innerhalb dieser Umfassungsmauer ziehen sich labyrinthartig verschlungen andere 3 m hohe Mauern hin, und an der Südseite erhebt sich ein 10 m hoher Turm, der unten cylindrisch einen Durchmesser von 5 m besitzt und sich nach oben kegelförmig zuspitzt. Neben ihm steht ein kleinerer Turm. (D und F auf unserem Plan.) An einigen Stellen ragen aus der Mauer senkrecht empor über 3 m lange Steinbalken aus einem grünlichen Gestein, ursprünglich mit einem eingemeißelten geradlinigen Ornament versehen, das an einem derselben zur Zeit, als Mauch die Ruinen entdeckte, noch vorhanden war. Ein Haupteingang führt in das Innere dieser Anlage; eine Inschrift über diesem Eingangsthor, von der de Barros spricht, ist aber nicht mehr zu sehen.
Die Bauwerke sind aus behauenen Granitsteinen ausgeführt, die ohne Mörtel aufeinander geschichtet sind, zum großen Teil mit bewunderungswürdiger Sorgfalt und Regelmäßigkeit, die auf technische Geschicklichkeit in der Baukunst schließen lassen. Von sonstigen Altertümern, die ein Licht auf die unbekannten Erbauer dieser Werke werfen könnten, ist vorläufig sehr wenig gefunden. Selbst Ornamente, aus denen man immerhin einige Schlüsse auf die Volksangehörigkeit der Erbauer ziehen könnte, sind spärlich vorhanden. Dem obenerwähnten zweiten Besucher der Ruinen, Posselt, ist es gelungen, „unter Geheul und Unwillen der Eingeborenen“ einen grob gearbeiteten Vogel aus Stein, der auf einem Pfeiler angebracht war, abzuschlagen und mitzunehmen. Aber auch sonst sind die Berichte aus Zimbabye stofflich nicht sehr ergiebig. Die Gegend ist keineswegs genügend erforscht. Es ist eben außerordentlich schwierig, zu den Ruinen zu gelangen, denn das Land ist höchst unwegsam. Bent hat allein für die letzten fünfzehn englischen Meilen zu seinem Ziele eine volle Woche gebraucht! So ist es denn sehr erklärlich, daß größere Nachgrabungen noch nicht angestellt werden konnten. Zudem ist jedenfalls auch im Laufe der Jahrhunderte vieles von den umwohnenden Eingeborenen weggeschleppt und zerstört worden.
Das meiste Material zur Erforschung dieser rätselhaften alten Kulturstätte hat bis jetzt die Expedition des Engländers Bent geliefert. Bent war der erste, der eine genaue Aufnahme der Ruinen bewerkstelligte und sie, so gut es ging, durchforschte, eine Arbeit, die nicht gering war, denn allein die Beseitigung der üppigen tropischen Vegetation, welche die Ruinen umhüllte, erforderte mehrere Tage. Er hat denn auch manche sehr interessante Beobachtungen gemacht. So fand er deutliche Anzeichen dafür, daß die runde Ruine im Thale einmal belagert und erstürmt worden sein muß. Alle Eingänge waren zugemauert, und eine Bresche im schwächsten Teile der Mauer deutete darauf, daß dort ein gewaltsamer Eingang geschaffen worden war. Bent untersuchte auch die beiden Türme in der Thalruine und stellte fest, daß sie massiv sind und keine Räume im Innern enthalten. Die Regelmäßigkeit der Bauart fand er namentlich bei dem größeren Turme bewunderungswürdig. Unsere Abbildung stellt diesen Turm inmitten der zum Teil beseitigten tropischen Vegetation dar; im Hintergrund sieht man die Ringmauer. Die obere Fläche der Ringmauer, welche die Ruine umgiebt, muß nach der Beobachtung des englischen Forschers ursprünglich eine breite, bequeme Promenade gebildet haben.
Die Ruine auf dem Hügel stellte eine starke und nur auf einer Seite zugängliche Festung dar, die ebenso wie die Thalruine erkennen läßt, daß die Bewohner beständig vor feindlichen Angriffen auf ihrer Hut sein mußten. Hier fanden sich auf der Mauer emporragend steinerne Balken, die in die Figur eines sitzenden Vogels ausliefen, von der Art, wie sie der obenerwähnte Willy Posselt schildert. Eine unserer Abbildungen stellt einen solchen Vogel dar, in dem Bent einen Geier erkennen will (s. S. 406). Im Innern der Festung entdeckte der englische Reisende zwei Höhlen, in denen eine große Anzahl flacher Näpfe oder Schüsseln sich vorfand, und zwar sämtlich zerbrochen, so daß der Gedanke, daß es sich hier um absichtlich zertrümmertes Tempelgerät handelt, nicht abzuweisen ist. Diese Schalen, die aus Seifenstein sorgfältig mit dem Meißel gearbeitet waren, trugen zum Teil Darstellungen. Eine solche giebt die untere Abbildung auf S. 406 wieder. Die Darstellung zeigt einen Jäger, der mit dem Speer in der Hand zwei Zebras verfolgt. Vor ihm ist ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln zu sehen und hinter ihm ein Hund und anscheinend zwei Flußpferde. Endlich fand Bent auch einen aus sehr hartem Cement errichteten Schmelzofen, der offenbar zum Goldschmelzen gedient hatte, denn daneben lagen Quarzstücke und Schmelztiegel mit Spuren [406] von Gold. In der Gegend von Zimbabye wird noch heute Gold gefunden, und Bent zieht aus allen diesen Umständen den Schluß, daß die Ruinen Ueberbleibsel einer Kolonie sind, die zum Zweck der Goldgewinnung angelegt war, und die mit Rücksicht auf die Angriffe umwohnender feindlicher Völkerschaften zugleich als starke Festung diente. Neben solchen unzweifelhaft sehr alten Ueberresten fanden sich auch Spuren neuerer Ansiedlungen, Geräte, die offenbar von Kaffern herrührten, die vorübergehend in den Ruinen gehaust hatten. Als höchst auffallend ist noch die Thatsache hervorzuheben, daß Bent keinerlei Spuren von Toten, Begräbnisstätten oder Skelettresten gefunden hat, so daß Grabbeigaben, die sonst ein wertvolles Material für die Erforschung alter Kulturverhältnisse bilden, bis jetzt gänzlich fehlen.
Welches Volk hat diese rätselhaften Bauwerke inmitten des erinnerungs- und kulturlosen Südafrikas errichtet? Damit ist die bis jetzt ungelöste Frage aufgeworfen, die sich an die Ruinen von Zimbabye knüpft. Sie sind die letzten Marksteine auf einem gänzlich unbekannten und dunklen Gebiete der Menschheitsgeschichte. Die Meinungen der Gelehrten und der Afrikareisenden sind sehr verschieden, und eine befriedigende Lösung hat auch der Engländer Bent nicht gefunden, der seine Expedition nach Zimbabye hauptsächlich zu dem Zweck unternahm, um festzustellen, welchem Volke die Erbauung der dortigen Denkmäler zuzuschreiben ist.
Eine der häufigsten Annahmen ist die, welche wir schon in den oben wiedergegebenen Aeußerungen der alten portugiesischen Missionare ausgesprochen finden, nämlich, daß Zimbabye das aus der Bibel (I. Könige, Kap. 9 und 10; II. Chronika, Kap. 8 und 9) bekannte goldreiche Ophir sei, von wo Salomo auf dreijährigen Reisen mit den Schiffen seines Verbündeten, des Königs Hiram von Tyrus, ungeheuere Mengen Gold und Elfenbein zum Bau des Tempels holen ließ. Wo dieses Ophir zu suchen ist, war seit langem eine Streitfrage. Man hat es bald in Vorderasien, bald in Indien, bald im östlichen Asien, auf Malakka finden wollen, ja sogar in Amerika! Mauch kam wieder auf die Ansicht der portugiesischen Missionare zurück und sprach sich dafür aus, daß Zimbabye das alte Ophir der Bibel sei. Es gelang ihm, in der Umgebung der Ruinen einen alten Mann zu ermitteln, der für Geschenke und gute Worte ihm erzählte, daß in regelmäßigen Zwischenräumen von mehreren Jahren in Zimbabye Opfer stattfänden, die von den umwohnenden Eingeborenen lebhaft besucht würden, und deren Feierlichkeiten er genau beschrieb. In diesen Opfern glaubte Mauch gewisse Aehnlichkeiten mit jüdischen Opferceremonien zu erkennen. Ja, er hielt sogar die ganze Anlage von Zimbabye für jüdischen Ursprungs und eine direkte Nachahmung des salomonischen Tempels auf Moriah in Jerusalem!
Viel wahrscheinlicher ist die Annahme, daß diese Ruinen phönicischen Ursprungs seien. Die Phönicier sind bekanntlich als kühne Seefahrer ziemlich weit an der afrikanischen Küste nach Süden gelangt, und es ist nicht undenkbar, daß sie an einer Stelle, wo Gold gefunden wurde, eine Kolonie anlegten, die sie durch Befestigungswerke gegen die Angriffe der umwohnenden feindlichen Stämme schützten. Man hat auch in der Bauart der Ruinen, und zwar besonders des nach oben spitz zulaufenden Turmes, Aehnlichkeiten mit phönicischen Bauwerken nachzuweisen versucht; indessen sind diese Anhaltspunkte doch nur sehr schwach. Darüber aber sind die beiden Reisenden Mauch und Bent nach ihren Beobachtungen jedenfalls einig, daß der Zweck der Kolonie in Zimbabye die Goldgewinnung war, und daß die Bauwerke teils Befestigungen, teils Heiligtümer gewesen sind.
Andere Afrikaforscher sind diesen Vermutungen entgegengetreten und haben die Bauten zu Zimbabye für einheimischen afrikanischen Ursprungs, und zwar für sehr alte Werke der in jenen Gegenden wohnenden Bantuvölker erklärt. Die Anordnung der labyrinthartigen Mauerreste soll mit den Viehkraalen der Kaffern Aehnlichkeit haben. Indessen diese vergänglichen, meist bloß aus Gestrüpp errichteten Einzäunungen für Viehherden können denn doch in keiner Weise mit den festen, großartig angelegten Steinbauten zu Zimbabye verglichen werden. Und im übrigen haben südafrikanische Völker sonst nirgends steinerne Gebäude errichtet; wie sollten sie so vereinzelt dazu gekommen sein, so bedeutende Bauwerke dieser Art herzustellen! Die Ansicht von dem einheimischen Ursprung der Ruinen von Zimbabye hat denn auch mit Recht starken Widerspruch gefunden. Sie wird im übrigen nur von einigen Afrikaforschern vertreten, die nicht selbst die Ruinen gesehen haben. Dagegen sind diejenigen Reisenden, welche an Ort und Stelle ihre Beobachtungen gemacht haben, übereinstimmend der Meinung, daß die Bauwerke einen gänzlich fremden und unafrikanischen Charakter tragen.
Es kann somit kein Zweifel sein, daß die Bauwerke zu Zimbabye von einem einheimischen afrikanischen Volke nicht herrühren. Sie sind die isolierten Spuren der Anwesenheit fremder Kulturvölker, Denkmäler einer unbekannten Periode der Menschheitsgeschichte. Welche Völker dort als uralte Vorgänger unserer modernsten Kolonialbestrebungen im dunkeln Erdteil Ansiedlungen angelegt haben, läßt sich für jetzt noch nicht beurteilen. Man mag in Erinnerungen an die Seefahrten der Phönicier daran denken, daß schon in frühen Zeiten die Bewohner alter Kulturländer auf weiten Fahrten Kolonien bildend in ferne Länder vorgedrungen sind. Die vielfach sehr unbestimmten geographischen Mitteilungen der Schriftsteller des Altertums liefern uns kein sicheres Material zur Lösung der Frage. Manche haben, wie schon der erwähnte Portugiese de Barros, Zimbabye für das Agysymba des alexandrinischen Geographen Ptolemäus gehalten, ja sogar der Name[WS 1] Agysymba sollte gleichbedeutend mit Zimbabye sein und eigentlich in Umstellung der Silben Symbaagi lauten. Indessen das sind nur Vermutungen. Der heutige Name der Oertlichkeit ist übrigens höchstwahrscheinlich aus der in der Gegend gesprochenen Bantusprache zu erklären und würde dann „steinerne Gebäude“ bedeuten. Bent erklärt ihn dagegen für gleichbedeutend mit „Hier ist der große Kraal“.
Die Frage nach dem Alter der Ruinen ist bei dieser Sachlage natürlich die nächstwichtigste, denn ihre Beantwortung wäre zugleich schon der erste Schritt auf dem Wege zur Lösung der Frage nach dem Volk, das sie erbaute. Aber auch darüber ist noch nichts einigermaßen Sicheres ermittelt. Der Engländer Bent gewann aus seinen Beobachtungen und Funden die Ueberzeugung, daß die Ruinen jedenfalls aus vormohammedanischer Zeit (also vor dem 7. Jahrhundert n. Chr.) stammten, und zwar legte er ihnen arabischen Ursprung bei. Ein anderer Forscher wendet dagegen mit Recht ein, daß keiner der Schriftsteller des Altertums bis herab zu den Zeiten Mohammeds die leiseste Andeutung enthält, die man auf die rätselhafte Ansiedlung von Zimbabye mit einiger Sicherheit beziehen könnte. Es kommt hinzu, daß[WS 2] seit Herodot auch kein Schriftsteller diese Gegend Afrikas als goldreich erwähnt, während doch die Fundstätten dieses edlen Metalls von alters her sehr wohl bekannt waren. Die Ruinen sind jedenfalls also sehr alt; ihre Erbauung liegt höchstwahrscheinlich vor dem Beginn unserer Zeitrechnung, vielleicht um viele Jahrhunderte.
Eine höchst interessante Beobachtung bleibt aber noch zu erwähnen, auf die Dr. Schlichter in „Petermanns Geographischen Mitteilungen“ besonders hingewiesen hat, weil sie es vielleicht ermöglicht, einen sicheren Anhaltspunkt für das Alter der Bauwerke zu gewinnen. An den Mauern derselben ziehen sich nämlich an gewissen Stellen in horizontaler Richtung bandartige Ornamente hin, scheinbar regellos und ohne Zweck, bald lang, bald kurz, so besonders auffällig in einer Ausdehnung von 73 m an der Außenmauer der runden Ruine (auf unserem Plane von A bis B). Diese Ornamente sind größtenteils gut erhalten und in ihrer Ausdehnung noch genau erkennbar. Sie finden sich nur an solchen Punkten, wo die Sonne bequem beobachtet werden kann, und stehen offenbar in Beziehung mit dem Lauf der Sonne. Eine genauere Untersuchung hat ergeben, daß Anfang und Ende dieser Ornamente zum Teil mit der Kulminationslinie, zum Teil mit dem Auf- und Untergang der Sonne zur Zeit der Sonnenwenden oder der Tag- und Nachtgleichen übereinstimmen. Ferner erhebt sich nördlich der [407] runden Ruine auf dem nahegelegenen Hügel ein Granitblock, der schon durch seine eigentümliche Form auffällt und eine deutliche Marke am Horizont bildet. Die Messungen Bents ergaben, daß durch das westliche Ende des bandförmigen Ornamentes an der Mauer und diesen Felsblock die Meridianlinie genau bestimmt war. Es folgt daraus, daß die Mauer mit den Ornamenten nach der untergehenden Sonne gerichtet ist. Das westliche Ende des Ornaments bezeichnet die Meridianlinie; die mittlere Ebene, die das östliche Ende der Umwallung darstellt, bezeichnet den Untergang der Sonne im Wintersolstiz, und das östliche Ende des Ornamentes giebt die Stellung des Unterganges der Sonne im Sommersolstiz an. Auf der oberen Fläche derselben Mauer stehen ferner, soweit das Ornament läuft, in gleichmäßigen Abständen einzelne hervorragende Steine, und zwar nur an dieser Stelle der Mauer. Es kann daher kaum ein Zweifel sein, daß sie den Zweck hatten, den Lauf der Sonne zu messen und danach die Einteilung des Jahres zu regeln. Auch der große Turm, dessen Bedeutung sonst ziemlich rätselhaft sein würde, da er, wie schon erwähnt, innen massiv ist, diente der Sonnenbeobachtung, denn er steht gerade in der Mitte desjenigen Teiles der Mauer, von dem aus die Sonne von ihrer Kulmination bis zum Untergang das ganze Jahr hindurch beobachtet werden konnte. Die ganze Anlage bildete also ein sogenanntes Gnomon, einen Apparat, mit dessen Hilfe man die Kulminationslinie der Sonne und die Anfänge der Jahreszeiten feststellte; sie diente zugleich der Sonnenmessung und der Jahreseinteilung, wie der religiösen Verehrung der Sonne. Hier haben wir wieder Anknüpfungspunkte, die auf die orientalischen Völker des Altertums hinweisen. Denn diese Völker (wie z. B. die Aegypter und die Babylonier) errichteten vielfach ähnliche Bauwerke. Alles das deutet aber jedenfalls auf eine weit höhere Kultur der unbekannten Erbauer von Zimbabye, als die einheimischen afrikanischen Völker sie je besessen haben, und spricht entschieden für einen nichtafrikanischen Ursprung der rätselhaften Ruinenstätte. Die Annahme, daß wir hier die Reste uralter Kolonien handelstreibender Völker des östlichen Mittelmeeres, etwa der Phönicier, vor uns haben, gewinnt damit erheblich an Wahrscheinlichkeit.
Diese astronomischen Messungsvorrichtungen an der Ruine von Zimbabye sind es nun, die uns eine Aussicht eröffnen, wenigstens das Alter der Bauwerke zu bestimmen, und der Anhaltspunkt dafür ist der Umstand, daß die sogenannte „Schiefe der Ekliptik“, das heißt, die geneigte Stellung der Erdachse zu ihrer Bahn um die Sonne, und damit also auch der Winkel, den die Bahn der Sonne am Himmel während des Jahres mit dem Aequator bildet, sich im Laufe der Jahrhunderte nachweislich nicht unerheblich geändert hat. Und diese Aenderung ist gleichmäßig vor sich gegangen, so daß sie ein Mittel für die Messung großer Zeiträume an die Hand giebt. Der Unterschied beträgt seit den ältesten zuverlässigen Messungen, die uns bekannt sind, etwa 24 Bogenminuten. Da nun der große astronomische Apparat zur Sonnenmessung, den die Ruine von Zimbabye bildet, so gewaltige Dimensionen besitzt, so muß an ihm deutlich und genau zu erkennen sein, wie groß der Winkel war, den die auf- und untergehende Sonne damals, als die Bauwerke errichtet wurden, mit dem Meridian zur Zeit der Sonnenwenden bildete. Dr. Schlichter hat an der Hand der Messungen Bents nachgerechnet und gefunden, daß der Unterschied gegen heute etwa einen halben Grad beträgt. Wir kämen damit auf ein Alter von etwa vier Jahrtausenden. Indessen ist dieses Resultat noch kein sicheres, da die Messungen Bents diesen Gesichtspunkt nicht besonders ins Auge gefaßt haben. Es werden später genauere Messungen besonders zu diesem Zwecke stattfinden müssen, und diese werden vielleicht das interessante Resultat ergeben, daß wir mit Hilfe des astronomischen Apparats, den die rätselhaften, verschollenen Erbauer von Zimbabye zurückgelassen haben, die Zeit feststellen können, in der ihre Kolonie im fernen Südafrika blühte! Dann werden im wahren Sinne des Wortes „die Steine reden, wo die Menschen schweigen“.
Bis jetzt ist also das Rätsel von Zimbabye noch nicht gelöst, und ob es jemals gelöst werden wird, hängt in erster Linie davon ab, ob zukünftige Durchforschungen der Ruinen und des Landes noch andere Ueberreste ans Licht bringen werden, die unwiderlegliche Beweise liefern. Das wären vor allen Dingen Inschriften. Eine einzige Inschrift könnte genügen, um die Frage nach dem Ursprung von Zimbabye zu entscheiden. Noch ist kein Schriftzeichen gefunden. Der Missionar Beuster, der im Jahre 1892 in Zimbabye war, will zwar davon gehört haben, daß Bent eine Steinplatte mit Schrift gefunden habe, indessen ist das anscheinend ein Irrtum; die Hoffnung braucht darum aber noch nicht aufgegeben zu werden, denn nach Bents Forschungen sind die Ruinen von Zimbabye nicht die einzigen ihrer Art. In demselben Gebiet kommen, ebenso vereinzelt wie diese, auch noch an anderen Stellen die Spuren alter Ansiedlungen vor, wenn auch nicht von der Größe wie die zu Zimbabye. Alle sind offenbar gemeinsamen Ursprungs, und sie haben vielfach ähnliche Vorrichtungen zur Messung des Sonnenlaufs wie in Zimbabye.
Ja, Bent hat in der Nähe von Zimbabye in einem Thale die Spuren menschlicher Wohnstätten gefunden, in denen eine sehr zahlreiche Bevölkerung gewohnt haben muß! Vielleicht stehen uns noch große Ueberraschungen bevor, wenn das Land nach allen Richtungen durchforscht wird. Noch ruht vieles im Dunkel. Wer weiß, ob nicht in den Tiefen der Urwälder die Ruinen von Ansiedlungen liegen, die bis heute keines Europäers Auge gesehen hat und die uns ein sicheres Material zur Erforschung dieses unbekannten Gebietes südafrikanischer Menschheitsgeschichte liefern werden.