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Eierkonserven

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Textdaten
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Autor: Dr. Julius Erdmann
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Titel: Eierkonserven
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 408
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[408] Eierconserven. Während des Krieges in den Jahren 1870 und 1871 war es eine Ehrenpflicht der deutschen Nation, den im Felde befindlichen Truppen eine ausreichende Verpflegung zu verschaffen. Es ist daher auf diesem Gebiete viel geleistet und manches Neue zur Verwendung gekommen, wozu die stets im Fortschreiten begriffene Technik und die modernen Forschungen der Wissenschaft ebenfalls das Ihrige beigetragen haben. Trotzdem soll die Verpflegung der im Gefecht stehenden, oder der nach demselben in unmittelbarer Nähe des Feindes befindlichen Truppen noch sehr der Verbesserung fähig sein. Dies hat unter Anderem darin seinen Grund, daß der Genuß des frischgeschlachteten Fleisches der Gesundheit nicht zuträglich ist, und der Transport desselben nur in der kälteren Jahreszeit ohne Verwesung des Fleisches möglich ist. Auch sollen die mitgenommenen Ersatzmittel nicht vollständig ihre Aufgabe erfüllt haben. Dies veranlaßte einen Officier der baierischen Armee, sich mit der Darstellung eines kräftigen, leicht transportablen und haltbaren Nahrungsmittels zu beschäftigen, das in den äußersten Fällen den Truppen als gutes, naturgemäßes Verpflegungsmittel dienen konnte.

Die verschiedenartigsten Versuche in dieser Richtung führten endlich zur Verfertigung der Eierconserven. Es liegt auf der Hand, daß diese in jüngster Zeit gemachte Entdeckung neben ihrer ursprünglichen speciellen Bestimmung auch auf anderen Gebieten eine vielseitige und ausgedehnte Verwendung finden kann, vorzugsweise da, wo rohe Eier entweder nicht zu beschaffen sind, oder nur zu einem verhältnißmäßig hohen Preise. Die Fabrik dieses neuen Consumartikels befindet sich in Passau unter Leitung des Herrn von Effner. Dreierlei Arten Conserven werden von dort auf den Markt gebracht: Conserve Nr. 1 enthält die Bestandtheile des ganzen Hühnereis, Conserve Nr. 2 die des Eigelbs, Conserve Nr. 3 jene des Eiweißes. – Die erste Art bildet ein weißgelbes, die zweite ein intensiv gelbes und die dritte ein schwachgelbes, glasartiges Pulver. Es mögen hier einige Vorzüge der Eierconserven Erwähnung finden.

In gut geschlossenen Behältern, vor dem Einflusse der feuchten Luft geschützt, können sie ohne Zersetzung aufbewahrt werden. Sie besitzen eine erhebliche Widerstandsfähigkeit gegen die Einwirkungen der Temperatur, insbesondere ist ein Gefrieren derselben unmöglich. Im Verhältnisse zu rohen Eiern nehmen sie einen geringen Raum bei der Aufbewahrung in Anspruch. Werden z. B. sechshundert Eier zur Conservirung nach der bisher üblichen Weise in Kalk gelegt, so würde dazu ein Faß erforderlich sein, das im Stande ist, dreitausendsechshundert Eier als Conserve aufzunehmen. Diese Ersparniß an Raum ist für die Verproviantirung von Schiffen, Festungen etc. gewiß beachtenswerth.

Während der Wintervorrath einer kleinen Haushaltung, den wir zu dreihundertsechszig Stück Eiern annehmen wollen, einen nicht unbedeutenden Raum in der Vorrathskammer beansprucht, würde eine Blechdose, die etwa sechs Pfund Kaffee aufnehmen kann, den erwähnten Vorrath in Form von Conserve bequem beherbergen können. Ein anderer Vorzug, nämlich die große Transportfähigkeit der Eierconserven, ist von vornherein einleuchtend. Ein Eisenbahnwaggon, der nach der bisher gebräuchlichen Transportweise in sechszig Kisten dreiundneunzigtausendsechshundert Stück in Stroh verpackte rohe Eier zu fassen vermag, ist im Stande, eine Million zweihunderttausend Stück Eier in trockenem Zustande aufzunehmen, wodurch eine große Ersparung an Transportkosten erzielt wird.

Bei Benutzung der Post gestaltet sich das Verhältniß in Bezug auf die Porto-Auslagen des Empfängers noch günstiger; so kosten sechs Sendungen von je fünf Kilo Conserve, die zusammen ein Quantum von dreitausendsechshundert Eiern repräsentiren, auf hundertfünfzig Meilen nur drei Mark Porto, während bei derselben Entfernung die gleiche Menge an rohen Eiern, mit der Eisenbahn per Eilgut befördert, achtundvierzig Mark kosten würde.

Der Chemiker H. Vohl hat kürzlich in den Berichten der „Deutschen chemischen Gesellschaft“ zu Berlin die quantitative Analyse der Effner’schen Conserven veröffentlicht, wodurch die vollständige Abwesenheit aller fremden Beimischungen in denselben erwiesen wurde. Diese Angabe kann ich bestätigen; denn bei der von mir angestellten Untersuchung der drei verschiedenen von Passau bezogenen Conserven ergab sich das Resultat, daß sie gänzlich frei waren von fremden Bestandtheilen und nur die normalen Stoffe des Hühnereies enthielten. Bei der praktischen Anwendung im Haushalte, worauf ich die verschiedenen Arten der Eierconserven außerdem prüfen ließ, zeigte es sich, daß sie, in Bezug auf die Wirkung und den Geschmack, als Zuthat zu gebackenen und gekochten Speisen, das rohe Ei vollkommen ersetzen können.

Nach meinem Dafürhalten hängt die Anwendung der Eierconserven in den Haushaltungen lediglich vom Preise ab; können unsere Hausfrauen dieselben zu einem mäßigeren Preise erhalten, als zum zeitigen Eierpreise, so werden die Conserven Eingang finden, im anderen Falle nicht. In den Monaten, wo die rohen Eier theuer sind, dürften sie ohne Zweifel in großen Städten mit Vortheil zu verwenden sein.

Natürlich ist die Einführung eines neuen Artikels zur Bereitung von Speisen immer mit Schwierigkeiten verknüpft, da erst manches Vorurtheil zu besiegen ist, bevor sich die Sachverständigen der edelen Kochkunst herbeilassen, ihre alten Gewohnheiten zu beseitigen, um sich einer neu erfundenen Zuthat zu bedienen, die in den liebgewonnenen Speiserecepten eine Aenderung hervorruft.

Außer der Verwendung im Haushalte werden die Eierconserven als Nahrungsmittel unter Anderem noch zu folgenden Zwecken zu verwerthen sein: als Proviant auf Kriegs- und Handelsschiffen, zu Expeditionen, in Feldspitälern, für Jäger und Gebirgsbewohner, für Touristen, zur Verproviantirung der Festungen und als eiserner Bestand des Feldsoldaten, vorzugsweise der berittenen Waffen. Dann zu einer Reihe gewerblicher Zwecke, von denen ich nur einige anführen will: in den Färbereien, Kattunfabriken und in photographischen Ateliers.

Bei der vielseitigen Verwendbarkeit der Eierconserven ist es wohl zu erwarten, daß demnächst dieser neue Consumartikel sowohl als Nahrungsmittel wie auch auf gewerblichem Gebiete einen unverkennbaren Nutzen stiften wird. Vornehmlich in Betreff der erstgenannten Art der Verwendbarkeit wird es vom volkswirthschaftlichen Standpunkte aus als ein Fortschritt zu betrachten sein, wenn die Eierconserven auch zur Nahrungsversorgung großer Städte einen wesentlichen Beitrag liefern, um durch Herbeiführung eines günstigeren Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage die zeitweilige Theuerung eines für die Ernährung des menschlichen Organismus so bedeutenden Nährmittels zu verringern.
Dr. Julius Erdmann.