Ein Fest der Opfer
[408] Ein Fest der Opfer. Aus Berlin berichtet man von gefährlichen Wucherern, welche unter der Maske solider Geschäftsleute Geld zu den höchsten Zinsen herleihen. Von den gewöhnlichen Wucherern unterscheiden sie sich dadurch, daß sie nicht bloß den Geplünderten den Hals zuschnüren, sondern von ihnen noch allerlei gesellschaftliche Liebesdienste verlangen. Die Behörden hatten ein Verzeichniß dieser feineren Wucherer entworfen und besonders den Offizieren und jüngeren Beamten mitgetheilt; doch das hatte nur die Wirkung, daß die letzteren auf Geldquellen hingewiesen wurden, welche sie bisher nicht kannten. Auch die Anweisung an die Gerichte, von solchen Prozessen den höheren Behörden Anzeige zu machen, wurde von den Geldgebern nur zu Drohungen und neuen Erpressungen benutzt. Einer dieser „Kaufleute“ wollte eines Tages seine sämmtlichen Opfer bei sich versammeln, um durch diese vornehmen Gäste sich Ansehen in weiteren Kreisen zu verschaffen. Seiner Einladung leisteten alle Folge, denn sie war mit einer Drohung verknüpft, welche ihre Wirkung nicht verfehlte. Und so mußten bei einem glänzenden Mahl die Opfer auf das Wohl ihres Gastgebers trinken, der zugleich ihr geheimer Würgengel war. †