Ein Festzug der Berliner Künstler

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Autor: Heinrich Steinitz
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Titel: Ein Festzug der Berliner Künstler
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 256–258
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ein Festzug der Berliner Künstler.

Bei dem großen Costümfest, welches am 28. Februar dieses Jahres im Weißen Saale des königlichen Schlosses zur Feier der silbernen Hochzeit des kronprinzlichen Paares mit allem Aufgebot historischer Pracht stattgefunden hat, nahm der von den Berliner Künstlern veranstaltete Festzug zwar der Reihenfolge nach die letzte Stelle ein, ohne indeß von den übrigen Veranstaltungen des Festes übertroffen zu werden.

Die Künstler Berlins – darunter Namen von Klang in der europäischen Kunstwelt – hatten seit Monaten mit rastlosem Eifer und selbstloser Hingebung an den Arrangements gearbeitet, die denn auch das denkbar Vollkommenste erreicht haben. Der Berliner Gesellschaft, welche bekanntlich Alles umfaßt, was die Kaiserstadt an politischen, literarischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Notabilitäten, an Vertretern der Industrie und der hohen Finanz in ihren Mauern einschließt, war wenige Tage darauf, am 3. März, Gelegenheit gegeben, in den prachtvollen, von elektrischem Licht tageshell erleuchteten Sälen des Wintergartens im Centralhôtel den Künstlerzug zu bewundern, da der „Verein Berliner Künstler“ beschlossen hatte, die Wiederholung desselben zum Mittelpunkt seines diesjährigen Festes zu machen.

Wir legen unserer Erläuterung des Bildes, in welchem der Künstler den Festzug den Lesern der „Gartenlaube“ vorführt, diese Wiederholung im Wintergarten, die von der Aufführung im Königsschlosse wenig abwich, zu Grunde. Selbst der Triumphwagen der Königin „Minne“, auf welchem am 28. Februar die Prinzessin Wilhelm gethront hatte, war zur Stelle geschafft worden, nur vertrat im Künstlerfestzuge Fräulein Becker – die anmuthige Tochter des Malers Professor Becker – die allegorische Königin.

Gegen halb elf Uhr verkündeten schmetternde Fanfaren von der Rampe des altgothischen Rathhauses, das an der Südseite des Saales in dem edlen Stile des Heidelberger Schlosses sich erhob, das Nahen des Festzuges, der sodann über eine doppelarmige Freitreppe in den Saal hinunterschritt, wo seiner eine dichte Menge festlich gekleideter Herren und Damen längst mit Ungeduld harrte. Es war ein Anblick von weihevoller, charakteristischer Schönheit. Voran schritten als Herolde, im kleidsamen blauen Wamms, über welches die mit den weißen drei Schilden des Künstlerwappens bestickten purpursammtenen Herolddecken herabfielen, Maler Prell und zwei Jünglinge von fast idealer Schönheit – Schüler der königlichen Hochschule für die bildenden Künste – vergoldete Palmenzweige in den Händen haltend. Der Dirigent des königlichen Domchors, Professor Herzberg, als Magister in langem, pelzbesetztem, schwarzsammtenem Talar, führte sodann gravitätisch eine Schaar von fünfzehn Knaben an, die, in mattgelbe Wammse mit Strumpfhosen gekleidet, Blumenkränze auf den Köpfen und goldene Palmenzweige in den Händen tragend, paarweise ihm folgten. In den Händen hielten die Knaben außerdem lange alterthümliche Notenblätter, von denen sie den nach dem Terzett aus „Elias“ von

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Der Festzug des „Vereins Berliner Künstler“ am 3. März 1883.0 Originalzeichnung von A. von Roessler.

[258] Mendelssohn: „Hebe Deine Augen auf“ componirten Festgesang absangen:

„Wir kommen, wir nahen mit Jubelgesängen,
Die Stimmen der Treue, der Liebe sind wach.
Wir weihen mit vollen, frohlockenden Klängen
Die liebliche Feier, den glücklichen Tag!“

Und nun erschienen nach einander in prachtvollen Costümen von historischer Treue in vier Gruppen die Berliner Künstler, die verschiedenen Epochen der Kunst repräsentirend. Als Bannerträger des Küstlervereins schritt voran die Hünengestalt des Opernsängers und Landschaftsmalers Fricke in purpurner, perlbesetzer Schaube, neben ihm Bildhauer Schweinitz und Maler Rheinmann als Marschälle die Gruppe von vierzehn Künstlern anführend, welche in ihrer Tracht – die ärmellose, pelzverbrämte Schaube und darunter den Faltenrock mit geschlitzten Aermeln, geschlitzter Kniehose, Lederschuhe, Federbaretts – die deutschen Meister aus der Zeit Hans Holbein’s und Albrecht Dürer’s repräsentirten. In dieser Gruppe fiel neben Professor Siemering, Plockhorst u. A. besondere der vom kronprinzlichen Paare persönlich als Gast geladene Meister Professor H. von Angeli durch seine prächtige Erscheinung aus, die den bekannten Jugendportraits Albrecht Dürer’s glich. –

Architekt Fingerling, ebenfalls eine Riesengestalt, schritt als Herold in blausammetner Gewandung den Vorstandsmitgliedern des Künstlervereins voraus. An ihrer Spitze befand sich Professor Karl Becker in purpurnem Sammettalar à la Tizian, hinter ihm Director Anton von Werner in einer Rubenstracht von dunkel purpurnem gepreßtem Sammet. Auf einer mit Blumen und Früchten aller Länder, mit Palmenzweigen und riesigen Blattpflanzen geschmückten Tragbahre wurde sodann ein Fruchtkorb von vier Männern getragen, während im königlichen Schlosse die berühmte Künstlergabe, der aus den Farbentuben der Berliner Künstler gegossene zinnerne Pokal, diesen Platz eingenommen hatte.

Dem Thronwagen der Königin „Minne“ folgte eine Gruppe von zwanzig italienischen Künstlern, welche die Erinnerung an Raphael, Tizian, Veronese leibhaft heraufbeschworen, in der kleidsamen Tracht der Raphael’schen Zeit: enganliegendes Sammetwamms mit geschlitzten Aermeln, Tricots, Schnabelschuhen, Kappen, oder in venetianischer Kleidung: kurze Radmäntel, darunter Wamms mit Brustausschnitt und an Ellenbogen und Handgelenk gepufften Aermeln.

Es waren stattliche, herrliche Gestalten, die hier in der farbenreichen Gewandung des Renaissance-Zeitalters erschienen waren: die Professoren Ewald, Knille, Hertel, die Bildhauer Neumann, Eberlein, die Maler Döpler, Paulsen, die Baumeister Ende, Heyden, um aus der Reihe berühmter Namen nur einige der berühmtesten zu erwähnen. Den Schluß des Künstlerzuges bildeten als vierte Gruppe die niederländischen Künstler, an deren Spitze Maler Ehrentraut einherschritt und denen die dunkelfarbige Tracht der Rubens, van Dyks, Rembrand’s ein besonders eigenartiges Gepräge verlieh. Da sah man die prächtige Gestalt Paul Meyerheim’s ernst und gemessen einherschreiten, an seiner Seite Maler Skarbina, Bildhauer Sußmann, Architekt Gießenberg. Im Schlosse hatte der Zug vor dem kronprinzlichen Silberbrautpaar Halt gemacht und Maler Dielitz die Ueberreichung der Festgabe mit einer poetischen Ansprache eingeleitet, die der Dichter des „Tannhäuser“, Julius Wolff, der selbst in der Tracht eines altdeutschen Minnesängers an dem Zuge Theil nahm, gedichtet.

Bei dem Künstlerfeste bewegte sich der Zug durch den Saal nach der an Stelle des Orchesters improvisirten, kleinen, aber prächtig decorirten Bühne, wo Maler Dielitz, eine herrliche Erscheinung in rothem, goldgepreßtem Venezianercostüm, die rotbe Sammetmütze auf dem mit Blumen umkränzten Haupte, den Frauen und Jungfrauen, „die im Hause und über die Herzen herrschen“, in schwungvollen Versen des neuen Minnesängers Julius Wolff die Huldigung der Künstler darbrachte.

Diesen Moment hat unser Künstler aufgefaßt, um den Lesern der „Gartenlaube“ einen annähernden Begriff von dem prachtvoll schönen Anblick zu gewähren, welchen der auf seinem Höhepunkt angelangte Festzug allen Theilnehmern des Festes bot. Obgleich der Künstler lediglich nach dem Gedächtniß zeichnete und keineswegs die Absicht hatte, Portraits der einzelnen Künstler wiederzugeben, sind einzelne besonders charakteristische Gestalten, wie Professor Herzberg und Maler Döpler, in unserer Illustration ganz unverkennbar.

Und all diese wiedererstandenen Raphaels, Michel Angelos, Rubens, Dürers schwangen ihre Barets, während die Herolde ihre Stäbe, die Hellebardiere ihre blumenbekränzten Flamberge schwenkten zum Preise der Frauen und Blumenträgerinnen, die aus ihren Körben Rosen, Veilchen und Camelien auf die festlich gekleidete Menge herniederregnen ließen. Doch ich will der Versuchung widerstehen, eine Beschreibung des Künstlerfestes zu liefern, nachdem ich mich der Aufgabe entledigt, den Festzug, den Berlins Künstler dem deutschen Kronprinzen und seiner fürstlichen Gemahlin zur Feier ihres silbernen Hochzeitsfestes dargebracht, mit freilich unzulänglicher Feder zu schildern. Heinrich Steinitz.