Ein Franzose über die deutschen Frauen
[451] Ein Franzose über die deutschen Frauen. Jean Graud-Carteret, welcher bereits ein Buch über die „Karikatur in Deutschland“ veröffentlicht hat, schrieb jetzt ein Werk über „Die Frau in Deutschland“, das er allen Französinnen und seiner eigenen Gattin gewidmet hat. Sein Urtheil ist überaus günstig und die Pariser Chauvinisten werden damit wenig einverstanden sein. Den deutschen Frauen rühmt er nach, daß ihr Reich das Haus und die eigene Familie sei, daß sie gute Wirthinnen seien, an der Behaglichkeit des Hauswesens immer weiter arbeiten, im Kleinen sparen und selbst den Strickstrumpf in die Hand nehmen, daß sie ernste Gespräche führen und harmlos lachen können. Was die Mädchen betrifft, so hebt er hervor, daß sie frei mit den jungen Männern verkehren, ganz anders als in Frankreich, wo die Mädchen ja meist in den Pensionaten eingesperrt sind und in den Familien aufs Sorgfältigste behütet werden.
[452] Dieser ungezwungene Verkehr habe aber gar kein Bedenken; denn die Schwärmerei der Mädchen sei durchaus unschuldiger Art, und außerdem gingen sie nicht darin auf, sondern gleichzeitig sei ihr Sinn dem Praktischen zugewendet. In der That, ein so unbefangenes und wahrheitsgemäßes Urtheil würde man vergeblich in den Schriften von Tissot, von Paul Saint-Victor und andern Autoren suchen, die über Deutschland geschrieben haben und zu dem deutschen Gretchenideal meistens böswillige Glossen zu machen lieben. †