Ein Nachtrag zu den „Briefen eines Wissenden“

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Titel: Ein Nachtrag zu den „Briefen eines Wissenden“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 684
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[684] Ein Nachtrag zu den „Briefen eines Wissenden“. Die Leser der Gartenlaube werden sich noch der in Nr. 39 von 1871 enthaltenen „Briefe eines Wissenden“ und des darin berührten Conflictes zwischen dem damaligen Chef des Militärcabinets General von Manteuffel und dem damaligen Obersten Grafen von der Gröben erinnern.

In neuester Zeit hat ein abermaliger Conflict zwischen diesen, indeß auf höhere Dienststufen gestiegenen beiden Herren stattgefunden, als dessen Ausgang die Zeitungen die Nachricht brachten, daß alle in der Armee dienenden Mitglieder der gräflichen Familie von der Gröben ihre Verabschiedung aus dem Dienste beantragt hätten. Diese Nachricht ist nur theilweise richtig. Wir haben über Veranlassung und Verlauf dieses neuesten Conflictes das Folgende erfahren:

Als General von Manteuffel Ende des Jahres 1870 im Norden Frankreichs die erste Armee (erstes und achtes Armeecorps) commandirte, am 28. November Amiens besetzt hatte und am 1. December den Marsch auf Rouen und Dieppe antrat, ließ er in Amiens den Commandeur der dritten Cavalleriedivision, General Graf von der Gröben zurück, dem sechs Bataillone Infanterie, zwei Regimenter Cavallerie und drei Batterien mit dem Auftrage unterstellt waren, die Stadt Amiens und die Somme-Linie, sowie die hinter der letztern laufende Eisenbahnlinie la Fère zu sichern und der geschlagenen französischen Nordarmee mit mobilen Colonnen zu folgen. – Um diesen Aufträgen zu genügen, hielt General Graf von der Gröben in Amiens nur die Citadelle besetzt, wodurch der Besitz der Stadt selbst ihm hinreichend gesichert erschien. Dem Angriff des etwa mit seiner Armee auf Amiens zurückkehrenden General Faidherbe war er ohnedies nicht gewachsen. Als Faidherbe später wieder gegen Amiens vorrückte, kehrte auch Manteuffel schleunigst um und warf ihn über den Abschnitt der Hallue zurück.

Bald nach dem auf Rouen angetretenen Marsch ging ein Befehl von Manteuffel ein, die Stadt Amiens selbst mit zwei Bataillonen besetzt zu halten. General Graf von der Gröben meldete sofort, daß er nur die Citadelle besetzt und über die anderen Truppen, seiner Aufgabe gemäß, anderweitig verfügt habe.

In einem darauf erlassenen mißbilligenden Schreiben des General von Manteuffel waren die Worte gebraucht: „Sie haben also den Rückzug gewählt.“ General Graf von der Gröben fühlte sich hierdurch in hohem Grade verletzt, beschwerte sich und es trat vom 2. Januar 1871 ab der Prinz Albrecht Sohn an seine Stelle. Später, als Commandeur der in Rheims stehenden Division der Occupationstruppen, wieder unter Manteuffel stehend, beantragte der General Graf von der Gröben, unter der Anführung, daß es ihm in Rheims nicht möglich seinen Kindern den erforderlichen Unterricht zu gewähren, seine Verabschiedung aus dem Dienst. Es wurde ihm erwidert, daß er einstweilen verbleiben und das Weitere abwarten möge. Darauf erfolgte seine Versetzung als Commandeur der 5. Division nach Frankfurt an der Oder.

Nun nicht mehr direct unter Manteuffel stehend schrieb er wegen jener Aeußerung einen äußerst scharfen Brief an Manteuffel, und soll denselben auch gefordert haben. Manteuffel erstattet, unter Uebersendung des Briefes, Meldung an den Kaiser, und da es nach dem Militärstrafgesetz einem Untergebenen nicht gestattet ist, über einen erhaltenen Dienstbefehl oder Verweis den Vorgesetzten zur Rede zu stellen, die Handlung des General Graf von der Gröben sich aber auf eine Zeit zurückbezog, zu welcher er Untergebener des General von Manteuffel war, so wurde er durch ein Kriegsgericht zu einem längeren Festungsarrest verurtheilt, den er in Glogau auch antrat. Schon nach vierzehn Tagen erfolgte seine Begnadigung. Er wiederholte nunmehr sein Abschiedsgesuch und trat seine Functionen als Commandeur der 5. Division erst wieder an, nachdem der Kaiser, unter Ablehnung seines Abschiedsgesuchs, ihm ein sehr gnädiges und anerkennendes Schreiben hatte zugehen lassen, und nachdem ihm schon vorher seitens des General-Feldmarschalls Grafen von Moltke versichert worden, daß dieser in seiner Lage in Amiens ebenso gehandelt haben würde, wie es von dem General Graf von der Gröben geschehen sei.

Eine so durch den höchsten Kriegsherrn selbst in liebenswürdigster Weise ihm gewordene Genugthuung mußte den General vollständig befriedigen, und damit erhielt der Conflict äußerlich seinen Abschluß.

X.