Ein Sohn Thüringens (Die Gartenlaube 1878/12)
[206] Ein Sohn Thüringens. Wieder hat das sang- und klangreiche Thüringerland einen Dichter hervorgebracht, der nach seinen bisherigen Leistungen zu einer bedeutenden Stellung in der modernen Literatur bestimmt scheint. Rudolf Baumbach ist 1842 als Sohn eines Arztes in Meiningen geboren, studirte in Jena, Leipzig und Heidelberg Medicin und Naturwissenschaften und ist jetzt Lehrer an einer Akademie in Triest. Schon frühzeitig regte sich sein poetisches Talent, und seine Commilitonen in Leipzig wissen davon zu erzählen. Vor zehn Jahren, als ich eine Badecur in Kösen gebrauchen wollte, sandte er mir zur Freude eine epische Dichtung aus dem Saalthal und von der „Rudelsburg Samiel hilf!“. Ich war überrascht von den poetischen Schönheiten derselben, wie von dem sprudelnden Humor, der die Dichtung durchweht, und gab sie ohne Baumbach’s Wissen zum Druck. Sie hat zahllose Besucher Thüringens und der Rudelsburg seitdem erfreut. Baumbach, der viele und große Reisen in Italien, Montenegro, im Orient etc. gemacht hat, ist ein flüchtiges Mitglied des Alpenclubs, und seine Dichtungen der letzten Jahre galten meist diesem. In drei Heften liegen die frischen, humorreichen Blüthen des Gebirges in „Enzian, ein Gaudeamus für Bergsteiger“ (Leipzig, Liebeskind) vor. Ebendaselbst sind jetzt „Lieder eines fahrenden Gesellen“ erschienen, die von allen Seiten mit Freude und Anerkennung begrüßt worden sind. Selbst der kritische Paul Lindau rief dem jungen Dichter ein freudiges Willkommen! zu. Das werthvollste Werk Baumbach’s ist aber sein „Zlatorog“, eine slovenische Alpensage. Hier vereinigen sich Schönheit und Knappheit des poetischen Gedankens mit musterhafter Form zu einem echten Meisterwerke, dem volle Anerkennung gebührt.