Ein Tanz auf der Alm
[186] Ein Tanz auf der Alm. (Mit Abbildung, S. 175.) Wir glauben unsere Leser abermals mit einer ebenso tüchtigen als lieblichen Künstlerleistung zu erfreuen, indem wir ihnen ein zweites Bild aus dem Alpenleben von Franz Defregger in einem gelungenen Holzschnitte vorlegen. Die erste Illustration von der Hand desselben jungen Meisters erhielten sie 1870 mit Nr. 4 der Gartenlaube, wo er den Tirolerhelden Speckbacher darstellt, wie er seinen Sohn Anderl als Landesschützen wiedersieht. Schon jene Gestaltengruppe aus dem wilden Kriegsjahre von 1809 zeigte uns, wie redlich und eifrig Defregger danach strebte, durch seine Kunst in edlen Gebilden die Wahrheit der Natur zu erreichen. Daß er in diesem Streben glücklich fortfuhr, bewies er mit einem zweiten Bilde, „Tiroler Ringer“; das Vortrefflichste aber leistete er mit seiner jüngsten Schöpfung, der „Tanz auf der Alm“ (nicht Ball, wie man es in Berlin nannte), ein Gemälde, das bei der Ausstellung in Berlin ungewöhnliche Anerkennung fand, das sogar Friedrich Pecht, der strenge Richter, mit seinem ungetheilten Lobe beehrte, dem wir uns in dem Folgenden anschließen.
Der Künstler führt uns in eine Sennhütte, in welcher sich eine lustige Gesellschaft zusammengefunden hat. Da ist wahrscheinlich die Red’ auf das Schuhplatteln gekommen, und sofort ist ein alter Hirt oder Führer bereit, dem jungen Geschlechte den alten originellen Gebirgstanz wieder beizubringen. Er tritt eben dazu an und schnalzt lustig im Andenken an seine „gute alte“ Zeit, und ein Altersgenosse in der Ecke bei der hereindrängenden Kindergruppe ist offenbar derselben Anschauung und jubelt ihm zu, während in dem Köpfchen des liebreizend zum Tanz angetretenen Mädchens wohl die Schelmerei stecken kann, nun auch die richtige Partnerin eines so alten Tänzers zu machen.
So thaufrisch und überzeugend wie diese beiden Hauptfiguren sind auch fast alle anderen empfunden, welche sich in den mannigfachsten Gruppen als Zuschauer um sie versammelt haben. Aber auch die beiden Musikanten verdienen unsere Aufmerksamkeit um so mehr, als der Künstler hier sich das Vergnügen gemacht hat, sie in voller Thätigkeit zu zeigen, ohne daß wir nur ein Stückchen von ihren Instrumenten sehen. Das aufmerksame Niederschauen auf seine Hände zeigt den Citherspieler, der bis zum Ellenbogen hinausgestreckte rechte Arm und die erforderliche Kopfneigung den Schwegelpfeifer an. Sie haben sich bescheiden in die Ecke neben dem großen Herd gedrückt, auf welchem soeben die großen Würste aus dem Kessel in die Schüssel kommen. „Besonders,“ so schließt Pecht sein Urtheil, „ist der Kinder fröhliche Neugier unübertrefflich nüancirt, wie dies außer Vautier eben nur Defregger so kann. Wenn er nicht so reich an Erfindung ist, nicht so edel, fest und sicher zeichnet und modellirt, wie jener, so hat er dafür eine noch größere Frische und Unmittelbarkeit voraus, die sich zu jenem verhält wie naive Poesie zur Kunstpoesie. Auch ist seine Farbe tiefer und gesättigter, mehr individualisirt.“ Andere, die der Münchener Kunststätte näher stehen, behaupten sogar, Defregger’s „Tanz“ sei geradezu das beste Genrebild, das in München seit Piloty’s Lehramt gemalt worden, und es könne durch seine einfach ansprechende, nicht überladene Composition, durch die lebenswahren Gruppen, durch die Reellität der Charaktere und ihre ungekünstelte Lebensfreude an die Seite von Knaus’ „Taufe“ gestellt werden. Jedenfalls verdient ein junger Künstler, der mit einem Vautier und Knaus verglichen wird, alle Beachtung.
Leider ist des Künstlers Gesundheitszustand ein so beklagenswerther! Mit nun gänzlich gelähmten Beinen kann er nur auf dem Sopha liegend arbeiten, er – der Sohn der Tiroler Berge! Carl Piloty verdanken wir die Auffindung dieser Künstlerperle. Als einfachen Tiroler Landmann nahm er ihn zu sich und bildete aus ihm den Meister, der seiner Schule und ihm stets zur Zierde und Ehre gereichen wird.