Ein altenburgisches Bauernhaus
[739] Ein altenburgisches Bauernhaus in ursprünglicher Gestalt, wie es die Vorfahren der altenburgischen Bauernschaft bewohnten, die, wie allgemein bekannt, das von diesen in Sitte und Brauch Ererbte in vielen Stücken noch heute in Treue bewahren, erregte wegen seiner originellen Einrichtung auf der letzten Altenburgischen Landesausstellung allgemeines Interesse. Das mit grünem Staket versehene Vorgärtchen fehlt demselben nicht, ebenso wenig am Giebel der grüne Vogelbauer für die Wachtel, einen Lieblingsvogel des altenburgischen Getreidebauern. Der Eingang zum Hause befindet sich an der rechten Seite desselben. Der kleine Flur ist mit Ziegelsteinen gepflastert. Ein wenig über Mannshöhe ist an der linken Wand des Flurs der Tellerkasten angebracht, aus dem sich jeder Gast – das Innere ist das einer altenburgischen Dorfschenke – seinen hölzernen Teller, auf dem er zu essen beabsichtigte, selbst mitnahm. Mächtige, quadratförmige, dunkelroth angestrichene Tische nebst gleichfarbigen Bänken füllen das Zimmer, welches das ganze Erdgeschoß umfaßt. Zur Linken der Thür befindet sich an der Wand ein gleichfalls dunkelrothes, hölzernes Gestell, der Aufbewahrungsort einer Anzahl kleiner, niedriger Tassen und grell bemalter Teller und Schüsselchen. Zur Rechten der Thür sind in bequem zugänglicher Höhe der Wand zwei Nischen angebracht. In der unteren steht die zinnerne Waschschüssel nebst der „Handquehle“ zum Allgemeingebrauch, in der oberen zwei kleine Handlampen zum Hausgebrauch in Küche und Keller und zwei – Schnapsfläschchen zum privaten Handgebrauche; – in der Mitte der linken Wand „der Seiger“, eine jener heute selten gewordenen Wanduhren, die „vom Kopf bis zu den Füßen“ in ein hölzernes Gehäuse, den Seigerschacht, gehüllt waren. Auf einem Brett an der der Thür gegenüberliegenden Wand über den kleinen, schmalen, quadratischen Fenstern stehen verschiedenartige Krüge und Büchsen und Töpfe, wie sie die wirthliche Hausfrau der Neuzeit etwa zur Aufbewahrung gerösteten Kaffees oder auch „eingemachter“ Früchte benutzt. Hier aber haben dieselben noch einen anderen Zweck, nämlich den von – Dokumentenschränken. An der rechten Wand: der Ofen, aber nicht etwa einer jener vierschrötigen Kachelöfen, die eine so große Nachhaltigkeit zu entwickeln vermögen, sondern ein Ofen von schlanker Gestalt, allerdings auch aus grob und grell bemalten Kacheln zusammengesetzt, aber in Aus- und Einbuchtungen spitz zulaufend. Dicht daneben befindet sich in der halben Höhe der Wand der Käseschragen, auf welchem das weitberühmte Erzeugniß altenburger Land- und Milchwirthschaft getrocknet wird. Auf der Seite der Thür, rechts von der Waschschüssel und den Handlampen und den Schnapsflaschen: der Schanktisch und hinter diesem die Backstube und der Backofen, der draußen neben der Hausthür weit aus der Mauer herausragt. Hier sind die Wirthin und ihre Gehilfinnen in der althergebrachten Tracht, deren Eigenart ja wohlbekannt ist, in emsigster Thätigkeit beim Kaffeebereiten und Kuchenbacken. Denn der Nachfrage vermögen sie kaum zu genügen. Am glühenden Backofen aber steht der Wirth in weißen Kniestrümpfen, umfangreichen, schwarzsammtenen Pumphosen und weißen, bauschigen Hemdärmeln, im Schweiße seines Angesichts. Aber die Erzeugnisse dieser Backstube sind vortrefflich. Der Altenburger versteht seinen Mehl- und Butter- und Milch- und Eierüberfluß anzuwenden. Wem die Wahl schwer wird unter den verschiedenen Kuchensorten, welche die altenburger Bäuerinnen hier bereiten – aus eigener Ueberzeugung vermag ich aus der Schule, oder vielmehr aus der Küche zu plaudern: – der Platzkuchen ist der allerbeste! H. Meißner.