Ein erzbischöfliches Vogelhaus

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Titel: Ein erzbischöfliches Vogelhaus
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 330–331
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ein erzbischöfliches Vogelhaus.


Das rege Bestreben, welches seit einem Decennium in den Bewohnern unserer schönen Alpenstadt erwacht ist, Salzburg aus einer engen, mit alten, dumpfen Festungsmauern umgebenen Stadt zu einem freien, freundlichen Orte umzugestalten, ein Bestreben, welches bereits erfreuliche Erfolge aufweisen kann, hat sich in diesem Jahre einem Gegenstand zugewendet, der lange unbeachtet sein kümmerliches Dasein gefristet und dem Zahn der Zeit beinahe zum Opfer gefallen wäre, wenn nicht einige Naturfreunde auf denselben aufmerksam gemacht und sich dessen Rettung zur Aufgabe gestellt hätten. Es ist dies das Vogelhaus am nördlichen Ende des Mirabellgartens, d. h. des zu dem ehemals kurfürstlichen und erzbischöflichen und jetzt kaiserlichen Lustschloß Mirabella gehörigen Parks. Dieses Versailles der geistlichen Herren ist von den Erzbischöfen Wolf Dietrich und Marcus Sittich am Nordfuß des Capuzinerbergs und unweit des rechten Salzachufers zum Sommeraufenthalt erbaut und ebendeshalb mit den prachtvollsten Gartenanlagen ausgestattet worden. Das Schloß brannte 1818 ab, ist aber als Eigenthum des Kaiserhauses, seiner Bestimmung entsprechend, restauriert und der Garten dem öffentlichen Zugang frei gegeben worden. Er gehört zu den beliebtesten, oft von Concertmusik belebten Luststätten der heiteren Salzburger und ihrer zahlreichen Sommergäste. Hier nun, und zwar jenem Platze zugewendet, auf dem ein neuer Stadttheil im Entstehen begriffen ist und als dessen Mittelpunkt man die in edlem römischen Styl gehaltene Badeanstalt betrachten kann, steht das Vogelhaus, dessen schön gewölbte Kuppel herrlich von wildem Wein umrankt ist und dem Auge durch sein mildes Grün den wohlthuendsten Anblick bietet.

Dieses Gebäude dient seit wenigen Monaten einer großen Anzahl hier einheimischer Vögel zum wohnlichen Aufenthalt. Es hat schon in frühern Zeiten diese Bestimmung erfüllt und war von den prachtliebenden erzbischöflichen Fürsten zwischen 1723 und 1748 erbaut worden. Der Name „Canarizimmer“ ist ihm damals zu Theil geworden, obwohl es kaum jemals blos zum Wohnort für Kanarienvögel gedient haben dürfte. Als mit der Säcularisation des Erzstiftes die Bedeutung des Mirabellschlosses und seines Gartens als Sommeraufenthalt der regierenden Erzbischöfe fiel, gerieth auch das Vogelhaus in Vergessenheit und diente nur als Rumpelkammer. Da traten 1872 mehrere Naturfreunde in der löblichen Absicht zusammen, die Kenntniß von den befiederten Bewohnern unserer Alpenwelt unter dem größern Publicum zu fördern und lebende Exemplare zur Ansicht vorzuführen, und zwar an einem Orte, der denselben die möglichste Freiheit und Bequemlichkeit bieten könnte. Hierzu war natürlich jenes alte Vogelhaus der geeignetste Platz. Schnell wurde mit bereitwilligster Unterstützung der Stadtgemeinde an die Restauration des alten Vogel-Tempels Hand gelegt und es ging daraus ein „Aviarium“ hervor, das wohl seines Gleichen in [331] Deutschland suchen dürfte. Es besteht aus drei Abtheilungen, von welchen die mittlere große, welche von der Kuppel gekrönt ist, als eigentlicher Flugkäfig dient und mit Allem versehen ist, dessen Alpen-Vögel zu ihrer Existenz bedürfen. Ein Netz unterhalb der Kuppel hindert den allzu hohen Flug, durch den die Betrachtung der Vögel, welche durch eine hohe breite Gitterthür vermittelt wird, erschwert oder gar unmöglich gemacht würde. Dieser Raum ist neun Wiener Klafter lang, fünf Klafter breit und mißt bis zum Netz unterhalb der Kuppel etwa fünfzehn Fuß, er ist also groß genug, um eine bedeutende Anzahl der lieblichsten Geschöpfe der Erde aufzunehmen und der lebenslustigen Schaar reichliche Bewegung zu gestatten. Felsen-, und Baumgruppen ermöglichen das Klettern, und ein in der Mitte befindliches Bassin ladet mit seinem frischen klaren Wasser die niedlichen Thiere zum Baden ein.

Rechts von diesem Flugkäfig ist eine Abtheilung für jene Vögel angebracht, welche, wie die Alpendohlen und Alpenkrähen, eine Ausnahme-Stellung einnehmen wollen und sollen und mit den sanfter gearteten Bewohnern des Flugkäfigs nicht zum Besten harmoniren würden. Die linke Abtheilung enthält in eigens eingerichteten kleineren Einzel-Käfigen jene Vögel, welche, wie z. B. Zaunkönige, im Flugkäfig der Beschauung entzogen wären oder, wie die Nachtigallen und Grasmücken, ihren Gesang einstellen würden, endlich solche, welche für den Aufenthalt im großen Raume erst herangezogen werden müssen, und zuletzt ausländische Vögel, deren Gemeinschaft mit alpinen für das Auge ein störender Anblick wäre. Im großen Flugkäfig befinden sich gegenwärtig ungefähr 80 Vögel, welche freilich bei der bedeutenden Ausdehnung des Raumes denselben nicht in einer für das Auge befriedigenden Weise füllen, weshalb das Comité bestrebt ist, es auf wenigstens die doppelte Anzahl zu bringen, eine Aufgabe, die besonders deshalb mehrfache Schwierigkeiten verursacht, weil trotz wiederholter Aufforderungen viele Exemplare nicht im Lande Salzburg erhalten werden konnten. Daher sah sich das Comité genöthigt, viele Alpenvögel aus der Schweiz herbeizuschaffen, und andere aus der Gegend von Wien kommen zu lassen.

Unter den Inwohnern des großen Flugkäfigs sind besonders die verschiedenen Arten von Drosseln, Bachstelzen und Meisen als lebhafte und zuthuliche Geschöpfe hervorzuheben, welche zum größten Theil alle Scheu abgelegt haben, so daß sie nicht blos aus der Hand Futter nehmen, sondern auch selbst herbeikommen und durch verschiedene Bewegungen und Rufe auf sich aufmerksam machen. Von größern alpinen Vögeln befinden sich in der mittleren Abtheilung fünf Steinhühner; an die Stelle der früher vorhandenen, aber leider bald zu Grunde gegangenen Birk- oder Schildhühner sind einige Rebhühner getreten; außerdem treiben Alpen-Flüevögel, hier „Steinlerchen“ genannt, Braunellen, allerlei Finkenarten, dann Laubvögel und Pieper hier ihr munteres Wesen. Ein allerliebster, unglaublich zahmer Buntspecht fiel leider nach ein paar Monaten einem Marder zum Opfer. Von außen hatte dieser freche Räuber am Drahtnetz gelauert und riß im Moment, als der Specht die Drahtwand hinaufkletterte, letzterem beide Füße aus.

Ferner möchten wir aufmerksam machen auf die in der rechten Abtheilung befindlichen Alpenkrähen, Vögel, welche nicht nur durch ihr Aeußeres, glänzendes Schwarz und korallenrothe Schnäbel und Füße, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sondern auch durch die ungemeine Zuthulichkeit, welche sie gegen Solche, die sich mit ihnen beschäftigen, an den Tag legen, wirklich gewinnend sind. Auch vier herrliche Mandelkrähen (oder Blauracken) weilen in diesem Raume.

Mögen die Sympathien, die man dem schönen Unternehmen entgegengebracht, auch in weiteren Kreisen erwachen! Unter den vielen Leser der Gartenlaube befinden sich gewiß gar manche, die bei ihrem letzten Besuche in Salzburg unser schönes Aviarium sich angesehen haben und bestätigen können, daß dasselbe als eine nicht unbedeutende Zierde unserer Alpenstadt wird betrachtet werden können.