Ein glücklicher Griff

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Hugo Scheube
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein glücklicher Griff
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 113–115
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[113]

Ein glücklicher Griff.

Die preußische Conflictszeit stand in voller Blüthe. Mit schmerzlicher Aufmerksamkeit folgte man den Verhandlungen und Vorfällen des Abgeordnetenhauses, und nur mit stillem Ingrimm oder mit lauter Verwünschung ward von Vielen der Name genannt, der heute einer der gefeiertsten und populärsten nicht blos Preußens, sondern Deutschlands, ja der Welt geworden ist, der Name, an den sich die Hoffnungen des vollendlichen Ausbaues des deutschen Reiches knüpfen. Galt doch der Mann, welcher ihn trug, der zeitweilige Einsiedler in der Schmollzelle von Varzin, für den Typus des specifischen märkischen Junkerthums, der die Errungenschaften der mit der Regentschaft aufsteigenden „neuen Aera“ wieder über den Haufen zu werfen und das Gottesgnadenthum in seiner volksfeindlichkeit Ausschließlichkeit neu aufzurichten trachtete.

Indeß übermächtig, wie sie auch die Seelen der modernen Menschen beschäftigt, die alleinige Theilnahme konnte die Politik doch nicht in Anspruch nehmen. Auch andere Interessen machten ihre Rechte geltend, Kunst und Wissenschaft, geistige und sinnliche Genüsse der mannigfaltigsten Art, zumal in einer Stadt von der Bedeutung Berlins. Trotz der parlamentarischen Kämpfe und Zerwürfnisse florirten nach wie vor die Theater, die Concerte und Bälle, die Ausstellungen und die von verschiedenen Vereinen, wie in anderen Wintern, veranstalteten gemeinnützigen und literarischen Vorträge.

Von den letzteren erregte plötzlich einer eine weit über das gewöhnliche Niveau von Beifall und Anerkennung hinausgehende Sensation. Es war ein Vortrag im Concertsaale des königlichen Schauspielhauses; der Vorlesende war schon durch frühere ähnliche Leistungen als eleganter und klarer Redner und zugleich als ein Mann von seltenem Wissen bekannt und darum der Besuch ein sehr zahlreicher. Im Vorjahre bereits hatte er seinem Publicum viele anregende Erheiterung dargeboten, indem er die Eigennamen des Berliner Wohnungsanzeigers oder Adreßkalenders einer sprachgelehrten und geistvollen Analyse und Gruppirung unterzog. Diesmal hatte er sich ein allgemeineres hochbedeutsames Thema gewählt – den Citatenschatz des deutschen Volkes, jene „von geschichtlich nachweisbaren [114] Personen geschriebenen oder gesprochenen Worte“, welche „durch die Gunst der Umstände“ im Munde des Volkes sich zu „landläufigen Schlagwörtern und stehenden Redensarten“ aufgeschwungen haben und als solche fortleben. Mit den allgemein bekannten und beständig angeführten Aeußerungen unserer großen Dichter beginnend, hatte er im Verlaufe seines Vortrags auch einer Reihe von Aussprüchen Erwähnung gethan, welche erst in den jüngsten Tagen aus Parlamentsreden und öffentlichen Blättern in volksthümlichen Gebrauch übergegangen und augenblicklich thatsächlich in Aller Munde waren. Schier endlos erscholl der Applaus, als er der „angenehmen Temperatur“ des Herrenhauses und des mittlerweile unsterblich gewordenen „Blut und Eisen“ gedachte.

Auch eine noch jugendliche Dame auf den dem königlichen Hause reservirten Plätzen schien in den allgemeinen Jubel mit einzustimmen. Jählings aber winkte ihr eine der hinter ihr sitzenden älteren Begleiterinnen und gab ihr zu verstehen, daß ihre Ohren dergleichen Hohnphrasen der das Königthum bedrohenden liberalen Partei nicht mit anhören dürften. Und die junge Prinzessin – es war die Tochter des inzwischen verstorbenen Prinzen Albrecht von Preußen, die jetzt mit dem Herzog Wilhelm von Mecklenburg vermählte Prinzessin Alexandrine – verließ, obschon mit ersichtlichem Widerstreben, den Saal. Seit langer Zeit hatte kein Mitglied der Königsfamilie eine dieser Vorlesungen mit seinem Besuche beehrt, und nun, da endlich einmal wieder ein solches erscheint, muß es sich so plötzlich und gezwungener Maßen entfernen!

Wie man sich denken kann, durchlief die Kunde von dem Intermezzo alsbald die ganze Stadt; über Nacht war der Name des Vortragenden, des Dr. Georg Büchmann, den man wohl immer als vorzüglichen Lehrer einer der höheren Berliner Schulanstalten geschätzt und in engeren Kreisen als ausgezeichneten Gelehrten seines Fachs verehrt, den das große Publicum bisher jedoch kaum gekannt hatte, eine Tagesberühmtheit geworden. Dies würde an sich für uns und für die Leser der Gartenlaube nichts Wesentliches bedeuten – dergleichen Celebritäten sinken ja meist ebenso schnell wieder in das Dunkel zurück, wie sie aus diesem aufgetaucht sind – hätten Vorlesung und Vorfall nicht den nächsten Anstoß zu einer literarischen Schöpfung gegeben, die nicht nur in unserem eigenen, sondern auch im Schriftenthum anderer Nationen einzig dasteht und sich mit gutem Grund das Prädicat „berühmt“ vindiciren darf. Ist doch schon der Titel des Buches selbst, das eigenste Werk seines Verfassers, sofort in den Citatenschatz übergegangen und mehr vielleicht als mancher andere der in jenem gesammelten Aussprüche zu dem geworden, wofür der Autor einen so überaus gelungenen Ausdruck gefunden hat. War die Leistung überhaupt[1] ein glücklicher Griff, so viel mehr noch der gewählte Titel derselben – „Geflügelte Worte“. Mit Blitzesschnelle hat er sich Bürgerrecht erworben, soweit die deutsche Zunge klingt, als eine der werthvollsten Bereicherungen, welche unserer Sprache in neuer Zeit zu Theil geworden ist, und mit vollem Rechte darf Büchmann von ihm sagen: „der Name deckt jetzt vollkommen die bezeichnete Sache“.

Der Erfolg des im Jahre 1864 in der Haude- und Spener’schen Buchhandlung in erster Auflage erschienenen Büchmann’schen Buches war von Anfang an ein die kühnsten Autor- und Verlegerhoffnungen weit übersteigender. In der Vorrede hatte Büchmann aufgefordert, ihm behufs Erweiterung und Berichtigung des Werkes in einer vielleicht nothwendig werdenden zweiten Auflage mitzutheilen, was Diesem oder Jenem an ferneren einschlagenden Citaten bekannt sei, und eine wahre Fluth von Beiträgen brach in Folge dieser Bitte auf ihn herein – ein Beweis, welchen außerordentlichen Anklang der Gedanke des Buches gefunden hatte. Mehr als zweihundert Menschen aller Stände und Berufsclassen, Schriftsteller und Kaufleute, Aerzte und Officiere, Geistliche und Gymnasiasten, insbesondere aber Juristen, vom Obertribunalsrath bis zum Auscultator herab, schickten ihm „geflügelte Worte“ ein. Nur die eigentlichen Männer der Wissenschaft, die Sprachforscher und Germanisten, die doch sonder Zweifel das reichhaltigste und gediegenste Material hätten beisteuern und das wärmste Interesse für das Unternehmen bethätigen sollen, verhielten sich, bis auf einzelne glänzende Ausnahmen, diesem gegenüber mit einer Gleichgültigkeit, welche sich schwer würde erklären lassen, wäre es nicht eine beklagenswerthe Thatsache, daß der Mehrzahl der gelehrten Herren jedes Popularisiren der Wissenschaft für eine unwürdige Entweihung derselben gilt.

Begreiflicher Weise ist nicht alles eitel Gold gewesen, was dergestalt dem Verfasser zugeflossen. Wie viele höchst wunderliche und drollige Einsendungen haben ihm im Gegentheile Post und Buchhandel gebracht! Echte Berliner „Kalauer“, Redensarten, Fremd- und Sprüchwörter etc. – das Alles hat sich ihm als „geflügeltes Wort“ präsentirt und, meist unter Namhaftmachung des Spenders, in die Sammlung aufgenommen sein wollen. Den bunten Reichthum dieser seltsamen Blüthenlese zu mustern, welche in einem eigenen Pulte des Autors wohl verwahrt lagert, hat etwas überaus Ergötzliches, und fast kann man bedauern, daß die Discretion des Verfassers den vergnüglichen Schatz der Oeffentlichkeit entzieht.

Sehen wir von diesen verfehlten Gaben ab, bei denen wir indeß immer den guten Willen und die Theilnahme für die Sache schätzen müssen, so dürfte sich wohl selten ein literarisches Erzeugniß aus dem Publicum selbst heraus einer so regen Förderung durch Rath und That zu erfreuen gehabt haben wie das Büchmann’sche Buch. Mit jeder neuen Auflage desselben aber ist diese Popularität und mit ihr, um uns so auszudrücken, die Zahl der Mitarbeiter gewachsen. Wie manche ihrer Mittheilungen hat der Verfasser fast Wort für Wort seinem Texte einverleiben können! Wie viele Andere sind ihm mit den dankenswerthesten Winken und Andeutungen an die Hand gegangen! Das Beste freilich hat bei alledem der Autor selbst gethan, und man muß ihn auf seinem Studirzimmer aufsuchen, um den Fleiß zu bewundern, mit dem er unablässig an der Vervollständigung und Vervollkommnung seines Werkes arbeitet, wie er fort und fort die Schätze der alten und neuen Literatur durchforscht, eine etwa zweifelhafte Quelle irgend eines Citats festzustellen oder nach frischer Ausbeute zu suchen, und mit welcher scrupulösen Ordnung er Buch und Rechnung führt über seine Lesefrüchte und die im Interesse des Buches kommende und gehende Correspondenz, die, wie man sich denken kann, bereits zu sehr hohen Nummern angewachsen ist und fast täglich sich um neue Ziffern bereichert, darunter gar viele Stücke, welche das Herz des Autographensammlers mit scheelem Neide erfüllen dürften.

„Sehen Sie,“ sagte er mir vor Kurzem, als ich eine Nachmittagsstunde bei ihm zubrachte, „da hat man immer geglaubt, die gebratenen Tauben, welche Einem in’s Maul fliegen, seien uns vom Nürnberger Schuhmacher und Meistersinger Hans Sachs bescheert worden. Behüte der Himmel! sie fliegen schon viel länger umher. Hier, der alte griechische Schriftsteller Trochäus spricht bereits von ihnen.“ Und nun las er mir die Verse vor, welche darthun, daß man lange vor Hans Sachs schon von einem Schlaraffenlande mit in der Luft umherfliegenden gebratenen Tauben gefabelt hat. Dies nur ein Beispiel von dem unermüdlichen Eifer und der Gründlichkeit, mit denen Büchmann bei der Ergänzung und Berichtigung seiner „Geflügelten Worte“ zu Werke geht. Wie er selbst in dem Buche nachgerade eine Lebensaufgabe erblickt, so ist gewiß, daß er damit den gebildeten Kreisen der Nation ein Vermächtniß hinterlassen wird, welches auf einen bleibenden Platz in unserer Literatur und in unseren Bücherschränken rechnen darf.

Büchmann ordnet die „geflügelten Worte“ nach den Nationen, denen sie entstammen; er bietet uns deutsche, französische, englische, italienische, griechische und lateinische, außerdem biblische und geschichtliche Citate, und erleichtert uns das Aufsuchen jedes Ausspruchs durch ein Register von seltener Genauigkeit und Vollständigkeit. Der Hauptwerth der Arbeit, die nur das Ergebniß eines wahrhaft riesigen Fleißes sein konnte, besteht in dem Nachweise der Quellen oder wenigstens in den mühevollen Versuchen, diesen nachzuspüren; denn von gar vielen im Laufe der Zeit entstandenen geflügelten Worten, sobald diese nicht bestimmten Schriftwerken entlehnt sind, läßt sich der Ursprung nicht mehr ergründen. Selbst von diesen bestimmten Autoren entnommenen Citaten aber sind, wie das oben angeführte Beispiel von den gebratenen Tauben lehrt, nicht wenige der bekannten und meistgebrauchten uns, sozusagen, erst aus zweiter und dritter Hand überkommen, und nicht allemal wird es der Forschung möglich, die erste Hand aufzufinden.

Um eine Probe davon zu geben, was das vortreffliche Werk Alles darbietet, nennen wir das Wort „Chauvinismus“, [115] welches seit Jahren in allen Zeitungen spukt. Wem von unseren Lesern ist erinnerlich, woher der Ausdruck stammt? Wie sehr die Meinungen über den Ursprung des Wortes auseinander gehen, erhellt aus den verschiedenen Auslegungen, die nach und nach die Bezeichnung zu erklären versucht haben. Schlagen wir nun Büchmann’s „Geflügelte Worte“ auf, so lesen wir Seite 83 (der siebenten Auflage): „Der zur Bezeichnung eines bis zur Lächerlichkeit leidenschaftlichen Anhängers des französischen Kaiserthums dienende Ausdruck ‚Chauvinismus‘ beruht auf der Rolle des Chauvin in dem Scribe’schen Lustspiele ‚Le Soldat laboureux‘.“ Damit ist sofort jeder Zweifel gelöst.

Unter den lateinischen Citaten sind uns wenige geläufiger als das in Aller Mund befindliche: „Tempera mutantur, et nos mutantur in illis“ (die Zeiten ändern sich und wir mit ihnen.). Wer, fragen wir wieder, weiß die Quelle anzuführen, der dies beschwingte Wort entspringt? Oft hören wir Ovid als seinen Urheber nennen, und doch ist es ein englischer Schriftsteller des siebenzehnten Jahrhunderts, Owen, welcher, allerdings mit Anlehnung an den erwähnten römischen Dichter, den Vers verfaßt hat.

Wer kennt nicht das vielgebrauchte, im letzten Kriege von Neuem mannigfach verwerthete. „Der König rief, und Alle, Alle kamen,“ ohne daß er sich träumen läßt, daß es vom Autor der „Mimili“, dem berüchtigten Clauren, zuerst ausgesprochen worden ist? Oder wer denkt daran, daß wir den „überwundenen Standpunkt“, der uns Allen so häufig in Mund und Feder schlüpft, dem verstorbenen Redacteur der „Neuen Zeitschrift für Musik“ Franz Brendel in Leipzig, dem glühenden Wagnerverehrer, verdanken, der sich in den fünfziger Jahren des Ausdrucks bediente, um damit die alten Formen der Arie und des Recitativs preiszugeben?

Wem wäre gar geläufig, daß das „Tempi passati!“ gewissermaßen einen Pendant zu Bismarcks ebenso unsterblichem „Nach Canossa gehen wir nicht!“ bildet und auf Kaiser Joseph den Zweiten zurückzuführen ist? Dieser besuchte bei seiner Anwesenheit in Venedig den Dogenpalast. Aus Zartgefühl glaubte man dem Monarchen ein daselbst befindliches Gemälde nicht zeigen zu dürfen, welches Friedrich den Rothbart darstellt, wie er, vom Papst Alexander vom Banne losgesprochen, zu den Füßen des Kirchenfürsten liegt, um knieend die Absolution zu empfangen. Der Kaiser gewahrt, daß man seine Aufmerksamkeit von dem Bilde abzulenken strebt, und läßt sich dadurch, um so weniger von der Betrachtung desselben zurückhalten, um dann lächelnd zu sagen: „Ah, tempi passati!“

Wer vermag zu präcisiren, wem er wohl das „Sie haben nichts gelernt und nichts vergessen“ nachspricht? Büchmann belehrt uns, daß ein Chevalier de Panat es in einem Briefe an den nachmaligen französischen Gesandten in Berlin, Mallet du Pan, im Jahre 1796 zuerst angewendet habe.

Ist es allen unseren Lesern wohl im Augenblick gegenwärtig, daß das so viel gebrauchte

„Das Unvermeidliche mit Würde tragen“

einem fast verschollenen neueren Dichter, dem Uebersetzer des großen italienischen Poeten, Karl Streckfuß, entstammt? Es steht in der im Jahre 1809 verfaßten schönen Strophe:

„Im Glück nicht stolz sein und im Leid nicht zagen,
Das Unvermeidliche mit Würde tragen,
Das Rechte thun, am Schönen sich erfreuen,
Das Leben lieben und den Tod nicht scheuen.
Und fest an Gott und bessre Zukunft glauben.
Heißt leben, heißt dem Tod sein Bitt’res rauben!“

Und wahrscheinlich ist’s nur ein sehr kleines Häuflein, das über den Ursprung der allbekannten lebensphilosophischen Verse:

„Glücklich ist,
Wer vergißt,
Das, was nicht zu ändern ist“

Aufschluß zu ertheilen vermag. Georg Büchmann wird deshalb sicher den Meisten eine Neuigkeit offenbaren, wenn er erzählt, daß der genannte Spruch zuerst in ein Studentenstammbuch eingezeichnet wurde, welches ursprünglich einem gewissen Daelhausen aus Oldenburg angehörte und sich jetzt im Besitze des Justizraths Strackerjahn daselbst befindet. Die Verse tragen das Datum „Jena, den 12. September 1753“.

Wo kommt ferner die leider unvergängliche „Salbaderei“ her? Aus einem obscuren Städtchen unweit Naumburgs an der Saale, aus dem Orte Stößen, an dessen Rathhause noch heute die stolze Inschrift prangt: „Respublica Stoessensis“. Dort ward einst ein wohlehrsamer Bader von einem der Pfalzgrafen zum kaiserlichen Dichter gekrönt, Jacob Vogel mit Namen. Seine endlosen Reimereien scheinen indeß nichts als Blödsinn zu Tage gefördert zu haben, und so ward nachmals jedes unsinnige Gewäsch mit Bezug auf Vogel’s Handwerk und Vaterstadt als „Salbaderei“ bezeichnet.

Welcher Poet hat sich durch das classische

„Des Lebens Unverstand mir Wehmuth zu genießen
Ist Tugend und Begriff“

Unsterblichkeit errungen? Wir fürchten, auch auf diese Frage bleibt die Mehrzahl unserer Leser die Antwort schuldig, daß das köstliche Wort oberhofmarschalligen Ursprungs ist, dem genialen Haupte des erst 1851 zu Kassel als General und Oberhofmarschall verstorbenen Hans Adolf von Thümmel entflossen, der, wie es in unserer unversiechlichen Quelle heißt, „viele ähnliche Verse beging.“

Wer endlich kann im Augenblicke Rechenschaft ertheilen über die Entstehungsgeschichte des weltberühmten und unvergänglichen: „Der Karnickel hat angefangen“? Auch hierüber giebt uns Büchmann gründlichen Aufschluß. Ein Kupferstecher Lami in Berlin (1843 verstorben), der in seinen Mußestunden sich mit der Reimerei befaßte, hatte ein Gedicht geschrieben, in welchem ein Pudel eine Rolle spielt, der, im Gefolge seines Herrn über den Markt wandelnd, ein von einer Hökerin feil gebotenes lebendiges Kaninchen zerreißt. Die zornmüthige Händlerin besteht darauf, daß der Gebieter des blutdürstigen Köters mit ihr „auf die Obrigkeit“ gehen soll. Da kommt dem bedrängten Herrn ein Beistand in der Person eines Schusterjungen, der die Scene mit angeschaut hat und gegen ein Trinkgeld verspricht, zu bezeugen, „dat der Karnickel hat angefangen.“

Wir haben diese Beispiele bunt aus der Fülle der „geflügelten Worte“ herausgegriffen, glauben indeß, sie werden genügen, von Art, Bedeutung und Reichthum des Buches eine Vorstellung zu geben und in Vielen den Wunsch nach dem Besitze des ausgezeichneten, ebenso lehrreichen wie unterhaltenden Werkes rege zu machen, welches im ausgezeichnetsten Sinne des Wortes ein Haus- und Sprachschatz genannt werden darf, zugleich ein Zeugniß von der hohen Bildungsstufe, zu welcher die deutsche Nation sich erhoben hat.

Wie sehr auch das Ausland dem Werth des Buches gerecht geworden ist, bekundet die Thatsache, daß schon vor Jahren die geflügelten Worte als „Gevleugelde Woorden“ in holländischem Gewande erschienen sind – freilich arg verballhornt und ohne die Ermächtigung des Verfassers – und daß im Augenblicke, wo wir diese Zeilen schreiben, mit Genehmigung desselben, eine Uebertragung in das Magyarische vorbereitet wird.

„Voll weiser Sprüch’“, so lautet nach Shakespeare das Motto auf dem Titelblatte des Werkes. Sicherlich wird Niemand das Buch aus der Hand legen, ohne von Herzen zu bestätigen, daß dieser Schildspruch ein wohlberechtigter ist.

H. Scheube.


  1. Vorlage: „überhanpt“