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Ein immergrünes Blatt für die Jugend

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Textdaten
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Titel: Ein immergrünes Blatt für die Jugend
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 764
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[761]

Aus dem Thierleben der Alpenwelt.
Illustrationsprobe aus der Monatsschrift „Deutsche Jugend“.

[764] Ein immergrünes Blatt für die Jugend. (Mit Abbildung, S. 761.) „Beisammen sind wir Alle. Was treiben wir nun?“ Das ist nicht selten die Frage Abends am kindergeschmückten Familientische, und sie ist nicht immer leicht zu beantworten, denn die Ansprüche an Unterhaltung sind so verschieden, wie die Alters- und Bildungsstufen all’ der lieben Leutchen, die da beisammen sitzen. Und doch ist Harmonie für alle Wünsche möglich, wenn von oben her die schönste, die Herzensbildung gepflegt wird, welcher es die höchste Freude ist, sich an der Freude des Andern zu erfreuen. Die liebste Familienfreude kann aber keine andere sein, als die an den Kindern, und so ist die liebste Sorge die für ihre Geistes- und Herzensbedürfnisse. Wo aber sucht man sie anders als im Buch- und Bilderladen? „Bilder- und Geschichtenbücher“, danach verlangt Jung und Alt. Zu den „Geschichten“ gehört von Haus aus Alles, was nicht „Bild“ ist, also auch Märchen, Sagen, Fabeln und das große Allerlei in Prosa und Reim. – Eine Zuckerdüte ist gewiß in aller Kinder Augen eine gute Gabe Gottes, aber wenn auf die Frage des Kindes: „Hast Du mir was mitdebingt?“ der Vater antworten kann „Ja, mein Kind, ein Bilderbuch“ – so wird der Zuckerdütenjubel um das Zehnfache überstiegen. Fühlt nicht Jeder selbst im alten Herzen die Freude noch nachklingen über das erste Bilderbuch?

Trotz aller Freude der Ueberraschung bleibt aber schon beim Kinde die Kritik über das Buch nicht aus, wenn sie sich auch nicht in Recensionen Luft macht. Wie das Kind, nach tausendfältigen Erfahrungen der Mütter, ganz genau erkennt, wer es wirklich lieb hat und nicht blos so thut, wie es fremden Personen gegenüber gar bald seine Aermchen öffnet oder seine Abneigung zu erkennen giebt, ebenso nehmen die „Schicksale der Bücher“ schon ihren Anfang beim Kinde. Das rechte Bilderbuch bleibt, wie das rechte Spielzeug, dem Kinde lieb, auch wenn es nach und nach noch so beschmutzt und zerrissen ist, ja dann erst recht. Es kann’s vielleicht über Anderes und Neues eine Zeitlang vergessen, aber es sucht und greift immer wieder danach. Selbst die feinsten Bilderbücher, welche von den Eltern sorgfältig aufbewahrt und nur bisweilen, wie Zucker, gegeben werden, lassen sie gleichgültig, wenn kein Herz aus ihnen zu den Kindern spricht: sie bleiben „Zucker“ und werden nie tagtäglich labendes Brod.

Wie wird aber solches Brod gemacht? Nicht am Schreibtisch allein. Die beste Anleitung dazu geben die Kinder selbst, das Beste ist ihnen immer abgelauscht worden. An der Art und Weise, wie die Kinder einander selbst erzählen ist allein die höchste Einfachheit der Darstellung zu studiren. Aber noch mehr, das Kind hat seinen eigenen und sehr kleinen Kreis der Anschauungen und Vorstellungen. Dieser darf nie überschritten werden, wenn das Kind an dem Erzählten oder bildlich Dargestellten Freude durch Verständniß desselben haben soll. Endlich verlangt die eigenthümliche kindliche Logik Beachtung – genau wie die Volkslogik bei Werken der Volksdichtung, ganz besonders in den Volksmundarten. Dem Kind, wie dem Volk, darf nichts Anderes in den Mund gelegt werden, als was sich innerhalb seines Gesichtskreises befindet und wie es seiner Denkfähigkeit entspricht.

Bis zum vierten und noch fünften Jahr ist das Kind weit mehr Gegenstand erheiternder Darstellung für die Alten, als daß ihm selbst viel dargestellt werden könnte. Ihm gehört das Bilderbuch und der mündliche Erzähler. Aber die bei und an ihm gemachten Studien kommen bei der folgenden höheren Stufenreihe zur Geltung. Mit raschem Uebergange nämlich, nach wenigen Schuljahren, kommt bei den Kindern die Leselust, die bis zur Lesewuth sich steigern kann. Jetzt geht ihnen das Thor der „Jugendschriften“ auf. Der Andrang des Gebotenen ist stark, die Kritik schwerer. Dennoch hat auch diese Jugend ihre Lieblinge, und man wird finden, daß es Diejenigen sind, welche nicht blos durch Wort oder Bild den Gesichtskreis derselben erweitern, sondern Verstand und Gefühl mit gleicher Klarheit und Wärme zu packen verstehen. Für die Wahl der Gegenstände breitet sich mit jedem Jahre vorwärts ein größeres Feld aus, aber immer wird es das Wie, die Art der Darstellung bleiben, wodurch magnetische Kraft in ein Jugendbuch kommt.

Trotz der außerordentlichen Fruchtbarkeit der Presse auf diesem Gebiete ist die Zahl der Lieblinge der Kinderwelt nicht bedeutend. Die Kunst hat in dieser Beziehung die Literatur überflügelt, offenbar weil die Künstler ihre Bilder meistens dem Leben ablauschen, während nur gar zu viele Schriftsteller zu viel aus sich und zu wenig aus der Kinderwelt schöpfen. Bietet nun schon die Herstellung eines guten Buches für die Jugend so große Schwierigkeiten, um wie viel mehr eine Zeitschrift, welche es sich zur Aufgabe stellt, eine „Jugend- und Familien-Bibliothek“ zugleich zu bieten. Dies geschieht von der aus dem gediegenen Verlage von Alphons Dürr in Leipzig hervorgehenden, in Monatsheften erscheinenden Zeitschrift „Deutsche Jugend“.

Um seinen jungen Freunden von allen Jahresstufen das ihnen Gehörige aufzutischen und in Wort und Bild nur Gutes, ja womöglich nur das Beste zu leisten, hat der verdiente Herausgeber die redactionelle Leitung in eine literarische (Julius Lohmeyer) und artistische (Oscar Pletsch) geschieden und als Hauptrubriken des Inhalts festgesetzt: Erzählungen, Märchen und Fabeln; Geschichts- und Naturbilder; Gedichte, Balladen und Lieder; endlich Vermischtes. Da ferner die Verlagshandlung den ernsten Willen und die Mittel hat, nur die auf diesem Felde bewährtesten Schriftsteller und Künstler an ihr Unternehmen heranzuziehen, so mußte wohl ein Werk zu Stande kommen, das dem deutschen Verlage und der illustrirten Literatur zur Ehre gereicht, und es verdient, der deutschen Familie als ein Schmuck des Abendtisches von dauerndem Werthe, der namentlich unter den Tannenbäumen des nächsten Weihnachtsfestes nirgends fehlen sollte, ganz besonders empfohlen zu werden.

Für die Vortrefflichkeit der technischen Ausführung der Illustrationen mag die beistehende Abbildung zeugen.