Ein unbekannter Bekannter

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Autor: A. St.
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Titel: Ein unbekannter Bekannter
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 452–454
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Ein unbekannter Bekannter.

Wenn von irgend einer Sache oder einer Institution, welche das Werk menschlicher Cultur ist, Jedermann spricht und seine Meinung von ihr für eine unbestreitbare Thatsache hält, trotzdem aber sich nachweisen läßt, daß jede solche Meinung vielfach auf Irrthum und völliger Unkenntniß der wirklichen Verhältnisse beruht, so kann man diese Sache oder Institution wohl mit Recht einen unbekannten Bekannten nennen. Dies ist der Fall mit einer über den ganzen Erdball verbreiteten Gesellschaft von humaner Tendenz; Jedermann glaubt etwas von ihr zu wissen und darüber entscheiden zu können, was an ihr sei und welches Recht zur Existenz sie noch gegenwärtig habe, ohne jedoch genau davon unterrichtet zu sein, was in ihr vorgeht, was sie bezweckt, was sie leistet und inwiefern sie daher zum Fortbestand berechtigt ist.

Die Gesellschaft, von welcher wir sprechen, gilt allgemein, aber mit Unrecht, als eine geheime, und es coursiren über sie die seltsamsten und wunderlichsten Gerüchte. Der abergläubische Bauer meint, in ihren Versammlungen sei der Teufel in Gestalt eines schwarzen Pudels anwesend. Der Freund romantischer Ritter- und Räubergeschichten stellt sich unterirdische Gewölbe mit Gerippen und Särgen, gekreuzten Schwertern, vermummten Gestalten, furchtbaren Eiden, schauerlichen Prüfungen und ähnlichem grausenhaftem Apparat vor. Der vom Schicksal Geprüfte träumt von einem Verein edler Menschenfreunde, der nach der Gelegenheit lechze, jeden leeren Geldbeutel zu füllen und jedem Unglücklichen unter die Arme zu greifen. Der Ultramontane und Jesuitenfreund schimpft auf einen Bund, der sich mit nichts angelegentlicher beschäftige, als Kirchen und Religionen zu untergraben, allgemeinen Unglauben zu verbreiten und seine eigene Herrschaft auf den Trümmern des Papstthums zu begründen. Der eingefleischte Bureaukrat wittert eine Verschwörung gegen Ordnung und Gesetz und gegen Ruhe, die erste Bürgerpflicht. Der Gebildete und Liberale endlich zuckt die Achseln und meint, die Sache habe sich überlebt und sei nur noch gut für Solche, die es wünschbar finden, auf Reisen sich überall an Vereinsgenossen wenden und mit Brüdern ein gutes Glas Wein trinken zu können.

Alles dies wird vom Bunde der Freimaurer geglaubt und behauptet; denn dieser ist es, von dem wir sprechen. Nachdem derselbe im vorigen Jahrhundert trotz mannigfacher Verirrungen, in welche er verfallen, allgemeines Ansehen genossen und die hervorragendsten Geister zu seinen Mitgliedern gezählt, ist es in neuester Zeit, obgleich jene Verirrungen bis auf unbedeutende Reste aufgegeben worden sind, zwei Parteien gelungen, ihn in der öffentlichen Meinung zu großem Theile zu discreditiren. Die eine dieser Parteien ist die ultramontan-jesuitische, die andere die radical- und social-demokratische.

Der erstern ist die im Freimaurerbunde geübte Toleranz gegen alle Glaubensbekenntnisse, der zweiten sind seine angeblichen Geheimnisse und der damit, wie man meint, verbundene Anspruch auf eine bevorzugte Stellung in der menschlichen Gesellschaft ein Dorn im Auge. Was nun den ersten Vorwurf betrifft, so ist er allerdings begründet, wenn auch noch nicht in allen Theilen des Bundes so, wie er begründet sein sollte; wäre er aber auch noch tiefer begründet, so würde dies in den Augen denkender und humaner Menschen eher ein Lob, als ein Tadel sein müssen. Bezüglich des Vorwurfs der Geheimnißsucht und Selbstüberhebung aber wollen wir gleich gestehen, daß derselbe immer noch theilweise begründet, aber auch auf dem besten Wege ist, seine Begründung ebenfalls baldigst zu verlieren. Um indessen das Bestehen von Umständen, welche diesen Vorwurf rechtfertigten, zu erklären, wollen wir einen kurzen Blick auf die Entstehung und Verfassung des Bundes werfen.

Der Freimaurerbund ist kein Orden, wie er noch oft fälschlich genannt wird; denn alle Sagen über seinen Zusammenhang mit den Tempelrittern oder anderen ritterlichen Vereinen, wie überhaupt alle Annahmen von seinem Bestehen seit uralter Zeit sind durchaus grundlos und gehören der Phantasie, nicht der wirklichen Geschichte an. In Wahrheit hat der Freimaurerbund keinen andern Ursprung als in den Gesellschaften der deutschen und englischen Bauleute (Steinmetzen und Maurer) des Mittelalters, welche unter der Zahl anderer ähnlicher Gesellschaften, wie sie damals alle Handwerke bildeten, deshalb eine hervorragende Stellung einnahmen, weil von ihnen die Kirchenbauten ausgingen, diese nach dem frommen Glauben jener Zeit wichtigsten und gottgefälligsten Menschenwerke. Jede Handwerkergesellschaft des Mittelalters, und also auch die der Maurer, hatte übrigens ihre Geheimnisse, welche jedoch keinen andern Inhalt hatten als die kunstgerechte Ausübung des betreffenden Handwerkes, und keinen andern Zweck als die Nachahmung der Kunstgriffe desselben durch Unbefugte und das Einschleichen Solcher in die Gesellschaften und Zünfte der regelrecht Gelernten zu verhindern.

So spann sich denn in den hölzernen Bauhütten, welche neben den Kirchbauplätzen errichtet wurden, ein geheimnisvollem Treiben ab, welchem der Meister vom Stuhl mit dem Schwert in der Hand vorsaß. Da wurden die Lehrlinge zu Gesellen und die Gesellen zu Meistern aufgenommen und in den Geheimnissen der Kunst der freien, d. h. privilegirten Maurer unterrichtet, ohne daß jedoch diese Geheimnisse etwas Anderes enthielten, als wie der rohe Stein behauen und mit Winkelmaß und Cirkel zur würdigen Einfügung in den Tempelbau hergerichtet werden müsse. Allerdings gab sich in diesen Versammlungen mitunter auch ein freierer keckerer Geist kund, als er sonst damals vorzuwalten pflegte. Zeugnisse davon sind die humoristischen Behandlungen kirchlicher Geheimnisse, Orden und anderer Institutionen, welche wir noch gegenwärtig in den Bildhauerarbeiten an den Portalen vieler Dome und Münster gothischen Stiles bewundern. Denn mit der Zeit hatten sich die Bauleute von der kirchlichen Vormundschaft, unter welcher sie früher gestanden, losgemacht und bildeten einen freien Bund durch das ganze deutsche Reich, an dessen Spitze die Bauhütten von Köln, Straßburg, Wien und Zürich standen. Den obersten Vorsitz führte der Meister der Hütte von Straßburg; als aber diese alte deutsche Reichsstadt durch Verrath unter französische Herrschaft gerieth, zerfiel der Bund, und gegenwärtig existiren nur noch vereinzelte schwache Reste desselben.

Die deutsche Bauhütte hatte indessen schon bei Zeiten durch die berühmte Kunstfertigkeit ihrer Mitglieder auch in anderen Ländern Eingang gefunden, so namentlich in England. Aus einem Zustande der Gedrücktheit durch die Krone, welche sie arg bevormundete, erhoben sich dort die Bauleute zu einer freien, unabhängigen und am Ende so sehr geachteten Existenz, daß sich Gelehrte und Adelige in ihre Logen (d. h. Bauhütten) drängten und diese zu einem Stelldichein aller Freunde und Beförderer der Baukunst erhoben. Es war dies besonders unter der Königin Elisabeth und Jakob dem Ersten der Fall, als die an den mittelalterlichen Katholicismus erinnernden gothischen Bauten denjenigen der Renaissance wichen, welcher Stil mit einem freiern, über confessioneller Beschränktheit erhabenen Geiste Hand in Hand ging.

Als sich der prachtvolle Bau der Paulskirche zu London erhob, war die Blüthezeit der Bauvereine eingetreten, die man schon damals allgemein „Freimaurerlogen“ nannte. Nach Beendigung jenes großartigen Tempels jedoch trat, da man nicht mehr so oft Kirchen baute wie im Mittelalter, Mangel an Arbeit ein; die wirklichen Bauleute verloren sich aus den Logen, um Verdienst zu suchen, und so blieben in denselben meist nur die Kunstfreunde zurück, die „Aufgenommenen Brüder“, wie man sie nannte. Da trat eine Umwandlung in der Vereinigung der Freimaurer ein; genau ist dieselbe nicht registriert; aber seitdem sich im Jahre 1717 die vier letzten Logen der Bauleute zu London in eine „Großloge von England“ vereinigten, arbeitete der Freimaurerbund nicht mehr im wirklichen, sondern nur noch im figürlichen Sinne mit Hammer und Kelle, mit Cirkel und Winkelmaß. Ohne daß man genau weiß, von wem diese schöne Idee gekommen, wurde seitdem nur noch am innern Menschen und an der Menschheit im Ganzen gebaut, das Winkelmaß nur noch an die Unebenheiten des menschlichen Herzens angelegt und der Cirkel um die brüderlich vereinten Menschenkinder geschlossen.

Von dieser englischen Großloge aus wurde in staunenswerth kurzer Zeit durch Apostel der Menschenliebe und Brüderlichkeit in allen Ländern Europas und in Nordamerika eine große [453] Menge von Logen gestiftet, die sich dann wieder in den einzelnen Ländern zu einer unabhängigen Stellung erhoben und eigene Großlogen bildeten.

Kunstgeheimnisse konnten nun allerdings die auf diese Weise umgewandelten Freimaurer keine mehr haben; aber es war damals eine Zeit, in welcher, wenn auch die Religionskriege vorüber waren, confessionelle Engherzigkeit bei Katholiken und Protestanten regierte und die Juden sowohl als christliche Secten und einzelne Freidenker verfolgt wurden. Eine Gesellschaft nun, welche auf dogmatische Spitzfindigkeiten keine Rücksicht nahm und allgemeine Toleranz verfocht, mußte vorsichtig zu Werke gehen, um nicht selbst verfolgt oder gar mit Gewalt aufgelöst zu werden. In der That haben trotz dieser Vorsicht zwei Päpste des achtzehnten und einer des neunzehnten Jahrhunderts, der Letztere (der noch lebende Pius der Neunte) sogar mehrere Male, die Freimaurer mit dem Bannfluch belegt und mit der ewigen Höllenstrafe bedroht und sie sowohl als ihre Freunde und Anhänger feierlich excommunicirt. In Spanien und Portugal hat die Inquisition bis auf die neueste Zeit die Bundesbrüder in ihre Kerker geworfen, auf die Galeeren gesandt, ja Mehrere sogar unter dem Schwerte verbluten lassen. Mit diesen rückschrittlichen Verfolgungen wetteiferte auf der andern Seite die Schreckenszeit der französischen Revolution und in neuester Zeit der Pöbel in den Vereinigten Staaten Nordamerikas unter dem Vorwande, daß die Demokratie keine Geheimnisse dulde.

Die Geheimnisse der Freimaurer waren aber stets und sind noch sehr harmloser Art. Kein Freimaurer erfährt, wie man Gold macht, Schätze findet, in den Sternen liest, die Quadratur des Kreises löst, das Leben verlängert, die Träume deutet, Geister citirt etc., dies Alles so wenig, als irgend etwas Anderes, was Uneingeweihte nicht ebenfalls wissen oder wissen können. Jeder seine Nebenmenschen liebende und nach dem Guten, Wahren und Schönen strebende Weltbürger weiß, was die Freimaurer wissen, nur theilweise unter anderen Namen und Redeweisen. Alle eigenthümlichen Formen und Redeweisen der Freimaurer aber bestehen lediglich in Anwendung der Bilder vom Bauen und Richten auf das moralische und geistige Leben. Weder die Geschichte, noch die Organisation, noch die Tendenzen der Freimaurerei sind ein Geheimniß; geheim gehalten werden nur ihre Formen, was deshalb nothwendig ist, damit mittelst derselben von Seite Unberufener kein Mißbrauch getrieben werde.

Diese Formen sind in ihrer ursprünglichen, einfachsten Gestalt von den Steinmetzenbrüderschaften in den Freimaurerbund übergegangen, aber in diesem letzteren mit der Zeit vielfach vermehrt und ausgeschmückt worden. In jedem Lande sind sie daher anders, und es giebt sogar in einzelnen, selbst kleinen Ländern mehrere „Systeme“, welche unter sich in den Formen abweichen. Solche eigenthümlichen Gebräuche finden bei Eröffnung und Schluß der Logen, bei Aufnahme der Lehrlinge und bei der Beförderung zu Gesellen und Meistern statt. Die Eröffnungs- und Schlußformen bestehen meist nur in passenden Sprüchen und Reden, wie dies noch gegenwärtig bei mehreren Handwerkergilden vorkommt, die Formen der Aufnahme und Beförderung in feierlicher Einführung des Candidaten in die Versammlung und in Ablegung eines Gelübdes von Seite des Letzteren, ein treues Bundesmitglied zu bleiben und seine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.

Was man oft von furchtbaren Eiden bei dieser Gelegenheit erzählt, und von grausamer Bestrafung der Verletzung dieses Eides, sind entweder lächerliche Fabeln oder Mißverstand der bisweilen pompösen, aber harmlos gemeinten Ausdrücke des Gelübdes. Mit den freimaurerischen Gebräuchen werden in Logenversammlungen auch wissenschaftliche und künstlerische (musikalische) Vorträge verbunden, welche die Brüder in ihren guten Vorsätzen zu bestärken bestimmt sind. Zu den Formen gehören schließlich die Erkennungszeichen, welche für jeden der allgemein anerkannten drei Grade (Lehrling, Gesell, Meister) verschieden sind und in einem Worte, einem Zeichen und einer besondern Art des Händedrucks bestehen.

Wie die Formen, so weichen auch die Ansichten über den Zweck des Bundes und über die Mittel, denselben zu erreichen, in den verschiedenen Theilen der Maurerei sehr voneinander ab. Im Allgemeinen und nach den ältesten Urkunden soll der Zweck der sein, im Schooße der Menschheit die religiösen und nationalen Besonderheiten dem allgemeinen Gefühle der Menschenliebe und Humanität unterzuordnen. Es ist klar, daß hierdurch jede confessionelle und staatliche Engherzigkeit ausgeschlossen wird, und daher werden auch alle religiösen und politischen Debatten im Freimaurerbunde grundsätzlich nicht geduldet. Die Feinde des Bundes wittern oft, daß die hervorragenden Führer der religiösen und politischen, ja sogar socialen Fortschrittsparteien Freimaurer seien, und daß daher der Bund einen mächtigen Einfluß auf die Tagesereignisse ausübe. Es ist Dies durchaus nicht der Fall. Die Freimaurer sind vielmehr meist sehr ruhige Leute, und es ist uns unter ihnen gegenwärtig kein hervorragender Bewegungsmann bekannt.

Es kann indeß nicht geleugnet werden, daß die Tendenzen der Freimaurerei ziemlich vag sind, und daß daher den einzelnen Organen des Bundes ein ziemlich weiter Spielraum zur Verfolgung derselben offen steht. Im Ganzen kann gesagt werden, daß gegenwärtig in den meisten Freimaurerkreisen thatsächlich das einzige Mittel zur Erreichung der Bundeszwecke die praktische Wohlthätigkeit ist. Dieselbe wird aber bekanntlich auch von unzähligen anderen Vereinen und von Privaten geübt, welche nicht Freimaurer sind, so daß factisch der Bund sich von anderen in ähnlicher Weise strebenden Menschen nur noch durch seine hergebrachten Formen unterscheidet.

Man könnte nun glauben, gerade weil sich der Unterschied zwischen der Freimaurerei und der übrigen gebildeten und nach Höherem strebenden Menschheit nur auf Formen bezieht, sei die erstere überflüssig geworden, und in der That, wie die Radicalen sagen, ein überwundener Standpunkt. Dem stehen aber Thatsachen entgegen, und zwar sehr gewichtige: einmal die überraschendste fortwährende Verbreitung der Freimaurerei noch in unseren Tagen und ihr Ansehen in hohen, maßgebenden Kreisen, und zweitens ein in ihrem Schooße erwachendes neues thatkräftiges Leben. Die Freimaurerei ist gegenwärtig über die gesammte Erde verbreitet; ohne einheitlich organisiert zu sein, ohne gemeinsame Oberhäupter oder gar, wie man gefabelt hat, unbekannte Obere zu besitzen, hat sie ihre Pflanzschulen in sämmtlichen Ländern der fünf Erdtheile. Verboten ist sie zur Zeit nur noch im russischen Reiche und in – Deutsch-Oesterreich (in Ungarn nicht)!

Es giebt gegen hundert Großlogen, gegen zehntausend Logen, und jedenfalls über eine Million Freimaurer. Sobald in unseren Tagen Italien frei wurde, entstanden sofort Logen in Menge, und jenes Land mag solcher jetzt nahe an zweihundert zählen. Dasselbe war nach Einführung der neuen Verfassung in Ungarn der Fall, dasselbe nach der Vertreibung Isabella’s aus Spanien. Und seitdem das deutsche Reich entstanden, bilden die acht deutschen Großlogen einen festen Bund unter dem Schutze des Kaisers Wilhelm, welcher, ebenso wie sein Sohn, der vielgeliebte Kronprinz, schon seit längerer Zeit Freimaurer ist. In den drei Königreichen Schweden, Dänemark und der Niederlande ist der König selbst Großmeister. In England gehört der Prinz von Wales mit dem höchsten Adel dem Bunde an. Von vielen bedeutenden Staatsmännern, Kriegsführern, Gelehrten und Künstlern verschiedener Nationen ist dies ebenfalls zu sagen.

Das Land, in welchem gegenwärtig für neue Belebung des allerdings einige Zeit in Unthätigkeit versunken gewesenen Freimaurerbundes das Meiste und Zweckmäßigste geschieht, ist Deutschland, wo dies allerdings noth that; denn hier war der Bund bis vor verhältnißmäßig kurzer Zeit mehr zersplittert und mehr von oben herab bevormundet, als anderswo. In neuester Zeit ist hiergegen rege Opposition entstanden, welche sich in der maurerischen Presse geltend macht. Zwei Zeitschriften: die von Zille gegründete „Freimaurerzeitung“, namentlich aber die Findel’sche „Bauhütte“ vertreten die Freimaurerei in der Presse, außerdem hat sich noch ein besonderer „Verein deutscher Maurer“ gebildet, an dessen Spitze ebenfalls Findel steht. Diese Organe der reformatorisch gesinnten Freimaurerei sind seit mehr als zwölf Jahren rastlos thätig gewesen, im Sinne des Fortschritts und der wahren Humanität auf Abschaffung aller veralteten Reste unberechtigter Anschauungen, Einrichtungen und Gewohnheiten und auf Nutzbarmachung der im Bunde vorhandenen Kräfte zum Besten der Menschheit anregend und fördernd einzuwirken, und zugleich eine wahre, von allen im Laufe der Zeit eingeschlichenen Fabeln gereinigte [454] Geschichte des Bundes herzustellen. Und diese Anregungen sind nicht erfolglos geblieben. Allgemein ist in den deutschen Logen statt der Formen das Wirken im Geiste des Bundes in den Vordergrund getreten. Wo noch aus dem geheimbundsüchtigen vorigen Jahrhundert Auswüchse vorhanden waren, die an fabelhaften Zusammenhang mit Templern und Rosenkreuzern erinnerten, sind sie entweder aufgegeben oder entbehren alles Ansehens und aller ernsten Berücksichtigung. Wo man noch aus Gründen, die auf einem durchaus irrig angenommenen Zusammenhange zwischen der Maurerei und dem positiven Christenthum beruhten, die Israeliten und freigeistig gesinnten Christen von der Aufnahme fern halten zu müssen glaubte, hat man dies bereits aufgegeben, oder ist nahe daran, es zu thun. Ebenso ist schon viel geschehen, um die einzelnen Logen gegenüber der Bevormundung durch die Großlogen unabhängiger zu stellen. Ja, der Verein deutscher Freimaurer ist auch über die Grenzen Deutschlands hinausgegangen; er hat Mitglieder in Oesterreich, der Schweiz und den übrigen europäischen Staaten, sowie in Amerika, und im Jahre 1867 hat er ein Manifest an alle Logen der Erde erlassen, um ein allgemeines freisinniges Grundgesetz des Bundes, welches er entworfen, zur Anerkennung in allen Ländern zu bringen und die Stiftung einer Universalgroßloge für die ganze Menschheit zu veranlassen.

Die seitherigen kriegerischen Ereignisse haben allerdings den Fortgang dieses Unternehmens unterbrochen. Indessen hat sich der Verein mehr praktischen Aufgaben zugewandt und die „maurerische Werkthätigkeit“ auf seine Fahne geschrieben. Er konnte dies um so mehr, als er durchaus mit eigener Anstrengung eine Centralhülfscasse angelegt hat, welche bei verschiedenen Nothständen ihre Dienste gethan, aber auch die Grundlage bildet für Werke, die, vom Vereine und seinen Gesinnungsgenossen angeregt, noch in der Vorbereitung begriffen sind und weitgehende Zwecke verfolgen, zum Besten der leidenden Menschheit sowohl, als der Volksbildung und der Erziehung des Volkes zur Erfüllung höherer, idealer Aufgaben, wie sie die fortschreitende Veredelung und Vervollkommnung der Menschheit erfordert. So ist denn der Freimaurerbund, in Deutschland wenigstens, in einem regen und seiner Ziele klaren Aufstreben begriffen und dürfte sich daher nach und nach auch da Sympathien erwerben, wo man ihn bisher ungünstig angesehen und als einen „überwundenen Standpunkt“ zu den Todten geworfen hat.

Schließlich wollen wir noch ausdrücklich betonen, daß wir mit diesen Zeilen keinerlei Propaganda für den Freimaurerbund, sondern lediglich eine Aufklärung des Publicums über dessen Wesen beabsichtigen. Es ist dem Bunde weder mit blos quantitativer Vermehrung, noch jedem Einzelnen mit Aufnahme in den Bund gedient. Jeder humane Mensch kann, wie oben bereits bemerkt, auch für eigene Rechnung wohlthätig sein, zudem paßt der Bund nicht für Jeden und nicht Jeder für den Bund. Letzterer hat sich in seinen Gliedern und diese in ihm schon oft bitter getäuscht gesehen. Daher verhalte sich hierin Jeder, wie er es mit seinem Gewissen vereinbar findet.
A. St.