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Ein wackerer Vater

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Ein wackerer Vater
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 53
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Blätter und Blüthen.

Ein wackerer Vater. Die Kinder der Könige und Mächtigen der Erde sind eben auch wie die des ärmsten Tagelöhners „Menschenkinder“, welche der Erziehung bedürfen, wenn sie zum Nutzen und Dienst ihrer Nebenmenschen gedeihen sollen. Und wohl ihnen, wenn diese nöthige Erziehung von den Eltern ihnen auf eine Weise widerfährt, wie dieses im vorigen Jahre dem künftigen Thronerben von Großbritannien, dem damals sechsjährigen Prinzen von Wales, von seinem Vater, dem Prinzen Albert, geschah.

Der kleine Prinz von Wales stand eines Tages in seinem Zimmer des königlichen Landsitzes am Fenster, dessen Scheiben, wie dies bei manchen solchen Gebäuden der Fall ist, bis herunter auf den Fußboden reichten. Er sollte seine Lection auswendig lernen, schaute aber aus dem Fenster hinaus in den Garten, und spielte mit seinen Fingern an den Scheiben. Seine Gouvernante, das Fräulein Hillyard, bemerkte das und bat ihn freundlich, an das Lernen seiner Aufgabe zu denken. Der kleine Prinz sagte: „Ich mag nicht.“

„Dann muß ich Sie“, sagte das Fräulein „in die Ecke stellen.“

„Ich will“, antwortete ganz trotzig der Kleine, „nicht lernen und muß nicht in der Ecke stehen, denn ich bin der Prinz von Wales.“ – Indem er dies spricht, stößt er mit dem Fuße eine Fensterscheibe hinaus.

Da erhebt sich Fräulein Hillyard von ihrem Stuhle und sagt: „Sire, Sie müssen Ihre Lektion lernen oder ich muß Sie in die Ecke stellen.“

„Ich will nicht,“ sagte der Kleine und stößt eine zweite Fensterscheibe hinaus.

Das Fräulein klingelt: der Kammerdiener kommt: durch diesen läßt sie dem Vater des Prinzen, dem Prinzen Albert sagen, sie bäte unterthänigst, daß Sr. königl. Hoheit sich hieher bemühen möchten, weil sie in dringenden Angelegenheiten seines Sohns mit ihm zu sprechen habe. Der Vater kommt sogleich, läßt sich Alles, was so eben vorgegangen war, erzählen. Er wendet sich hierauf an seinen kleinen Sohn, und indem er auf einen kleinen Schämel deutet, sagt er: „Setze Dich einmal hieher und bleibe da bis ich wiederkomme.“

Darauf verläßt er das Zimmer, kehrt aber bald wieder zurück. „Es ist wahr“ wandte er sich dann zu dem trotzigen Knaben. „Du bist der Prinz von Wales, und wenn du dich gebührend aufführst, kannst du ein vornehmer Mann, Du kannst einmal nach dem Tode Deiner Mutter, die uns Gott noch lange erhalten möge, König von England werden. Aber jetzt bist Du noch ein kleiner Knabe, der seinen Vorgesetzten und Pflegern gehorchen muß. Ueberdies muß ich Dir noch ein anderes Wort eindringlich machen, das der weise Salomo sagt: Wer seine Ruthe schonet, der hasset seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn bald.“

Darauf zog der Vater eine Ruthe hervor und züchtigte den künftigen Thronerben des mächtigen Reiches in einer sehr fühlbaren derben Weise, stellte ihn dann in die Ecke und sagte. „Hier bleibst Du so lange stehen und lernst Deine Lection, bis Fräulein Hillyard Dir erlaubt, wieder hervorzutreten. Und vergiß nie wieder, daß Du jetzt unter Vormündern und Erziehern, sowie künftig unter den Gesetzen stehest.“