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Eine Hunde-Schau in London

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Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Eine Hunde-Schau in London
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 247–248
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Eine Hunde-Schau in London.

Seit der großen Gewerbe-Ausstellung vor zehn Jahren treibt eine „Schau“ die andere in London, wo nun eine zweite große Welt-Industrie-Ausstellung für den Mai des künftigen Jahres vorbereitet wird. Es giebt immerwährend ein Paar Dutzend offene Ausstellungen außer den gelegentlichen und regelmäßig wiederkehrenden Kunst- und Natur- „Schau’s,“ (um damit das englische Wort zu übersetzen): Ochsen-, Schaf- und Schweine-, Hühner-, Gänse-, Enten- und Kaninchen-, Kanarienvögel-, Maschinen-, Blumen-, Frucht- und Gemüse- und Wurzelknollen- und sogar Lord-Mayor’s-Schau. Das bekundet und fördert Gewerbe- und Kunstfleiß. Daß aber bei diesen täglichen Kämpfen und Schlachten von 3 Millionen zusammengedrängten Menschen auch Viele „auf den Hund kommen“, ist kein Wunder. Nur daß Tausende der so „Berittenen“ noch eine Art stolze Cavallerie bilden, den Hund, wie der Araber sein Roß, zu einem Cultus machen und in unzähligen „Hunde-Ausstellungen“ in ihrer Begeisterung für die Schönheiten des Kötergeschlechts sich oft bis zu einer Art von Hundswuth verzuckten, nur das ist, wenn nicht gerade ein Wunder, doch wenigstens eine eigenthümliche und sehr umfangreiche Lebens- und Erwerbsweise unter den niedrigsten Schichten der Londoner Bevölkerung. Sie kommen dadurch zugleich mit den höchsten Classen, welche ihren Zehn- und Zwanzigpfund-Preisköter kaufen und oft enthusiastische Kunden bilden, in Geschäftsverbindung. Auch huldigt dieses hunderitterliche Geschlecht nicht selten noch den noblen Passionen des Hahnen- und Hunde-Ratten-Kampfs, der hohe und höchste Herrschaften in ihre Winkel, ihre Theater lockt, wo sich auf diese Weise Bodensatz und Sahne der Gesellschaft brüderlich und schwesterlich vereinen. Es giebt wenigstens fünfzig Locale für Hunde-Ausstellungen in London, meist in versteckten, schmutzigen Winkelstraßen, in „Public-“ d. H. Bier- und Spiritus-Häusern, auf deren Böden sich die verbotenen Geheimnisse der Hahn- und Hunde-Ratten-Theater zuweilen des gemischtesten Publicums erfreuen.

Ich hatte oft von Hunde-Ausstellungen gehört und in „Bell’s Life“, der großen Zeitung für alle die tausenderlei schönen Künste und Kämpfe, die unter dem Namen „sport“ zusammengefaßt werden, auch gelesen, aber noch nie eine gesehen. Endlich wollte ich aus eigener Anschauung wissen, wie eine Hunde-Ausstellung aussehe. Ich fand in „Bell’s Life“ mehr als ein Nutzend Anzeigen und Einladungen und beschloß, einer zu folgen, die in der Uebersetzung so lautete:

„Hochgenuß für die Phantasie! Nächsten Sonntag Abend findet eine Hunde-Schau in Mr. Lerinke’s „Ente“ Statt, Bethnalgreen. Präsident Mr. Abrahams, unterstützt von Billy Cool, [248] wird seinen Sitz um 8 Uhr einnehmen und seinen glänzenden Marstall von Schooß-Dachshündchen oder Stäubern vorführen. Mr. Lerinke hat einen Stäuber, 3½ Pfund schwer, erbötig, mit jedem Hunde in der Welt von gleichem Gewicht um die Wette zu tödten“ (nämlich im Ratten-Theater).

Hier ließ sich also gewiß ein Hochgenuß für die Phantasie (oder vielmehr die unübersetzbare englische „fancy“) erwarten, obgleich die Programms zur Hunde-Schau im „Lauerer“, in der „Krone“ und im Fiedler-Gäßchen (Haymarket) auch verführerisch genug klangen. Ich entschied mich für die „Ente“ in Bethnalgreen, weil diese von meiner Wohnung aus am ersten zu erreichen war.

Aus der großen nordsüdlichen Hochstraße, die über 10 Meilen lang unter verschiedenen Namen durch London und über die Londoner Brücke läuft, bog ich in der Nähe der Shoreditch-Kirche östlich links ab und hinein in eine schwarze, enge Kluft von Gäßchen, die mich in die berühmt-berüchtigte Club-Row führte. Das ist der classische Boden eines eigenthümlichen Sonntag-Wochenmarktes, der Vögel-, Kaninchen-, Ziegen- und Meerschweinchen-Messe, und das Schlachtfeld der lieblichsten Wettkämpfe zwischen Primadonnen der Finken und Kanarienvögel in eigenen dazu bestimmten Sälen vor Preisrichtern und einem oft hochwettenden Publicum. Die Preise für die Sieger bestehen aus neusilbernen, silbernen und andern kostbaren Bechern bis zum Werthe von zehn Pfund Sterling oder auch baarem Gelde, je nach Lust und Laune der Eigenthümer.

Vorbei, damit wir hier nicht stecken bleiben und wunderbare Geschichten erzählen von goldenen Kanarienvögeln und Goldfinken, die sich in der Wuth des Wettgesangs im Augenblicke des Sieges die zarten, aber heroischen Sing-Organe zersprengten und vom Gipfel ihres Triumphes plötzlich todt niederfielen.

Muth! Weiter! Muth! Wir müssen durch diese hohle Gasse, so drohend sie uns auch entgegengähnt, durch noch eine Spalte, zu eng, um auf den Namen Gasse Anspruch machen zu können, eine Art Riß oder Einsturz zwischen dem vermoderten Mauerwerk, um in die „Entenstraße“ und die Taverne gleichen Namens zu gelangen.

Und da ist sie endlich, die „Duck-street“, Entenstraße, und auch die „Duck-Tavern“ mit dem Namen des Eigenthümers „Lerinke“ über dem Eingange. Gefunden, ohne zu fragen, da es an Führern nicht fehlte. Erst folgte ich einem Manne, aus dessen Rocktasche mit nachlässig aufgeflegelten Vorderpfoten ein feiner, vornehmer, verdrießlich aussehender Köter herausguckte, der mich mit malitiösem Geknurre in den Finger biß, als ich ihn streicheln wollte, und auf alle Menschen, besonders die Jungen, tödtlichste Blicke des Hasses warf. Dann drang ich fast gleichen Schritts mit einem andern Individuum weiter vor, das etwas umfangreich Lebendiges zwischen Weste und unten zugeknöpftem und oben desto offnerem Rocke trug, das sich unter einer Laterne als ein ziemlich großer, weißer, pudelnärrischer Hund erwies, der seine Amme oder den Pflegevater mit übermüthiger Zärtlichkeit in dem schmutzigen Gesichte herumleckte und ihm auf diese Weise Seifensieder und Waschwasser zu ersparen schien. Dann fielen mir mehrere Mannsen und Kerls auf, alle wie eine besondere Gattung von Menschen und alle mit Hunden, von denen keiner zu Fuße ging, sondern jeder auf irgend eine zärtliche Weise wie ein Kind getragen wurde. Selbst ein riesiger Bulldogg, der natürlich in keiner Tasche, keinem Busen unterzubringen war, lief nicht, sondern stand mit je zwei Beinen auf einer Schulter seines Herrn, dessen pelzmützenbedeckter Kopf auf diese Weise aussah, als wäre er viel dicker, als der ganze Kerl.

Vor der „Barre“ des Trink-Palastes drängten sich Menschen und Hunde. Die Zink-Oberfläche mit den metallenen Pumpen sah aus, wie die der Tausende anderer „Public-Häuser“ in ganz England, nur etwas schmutziger, fließender, hier und da mit Vertiefungen und kleinen Teichen versehen. Hinter der Barre waren Mr. und Mrs. Lerinke und das auch hier hübsche „Bar-Mädchen“ eifrig beschäftigt, einzuschenken, Geld mit großer Heftigkeit und Geschicklichkeit gegen die metallene Barrenplatte zu schleudern, es in die Höhe springen zu lassen und ausnahmslos mit der Hand von Künstlern wieder aufzufangen, um nach dieser Prüfung der Echtheit es zu wechseln und darauf blitzschnell richtig herauszugeben. So weit war Alles, wie gewöhnlich. Aber der Eigenthümer dieses berühmten Public-Hauses setzte mich in Erstaunen. Ich hatte gehört, daß er persönlich mit den grimmigsten Hunden den Kampf aufnehme, ohne sich je beißen, geschweige besiegen zu lassen, daß er als Secundant und Mäcenas von Preis-Boxern sich eines hohen Ruhmes erfreue und bei Rattenhetzereien (er hat auf dem Boden ein Theater dafür) die Säcke voll selbst herbeischaffe und ausschütte. So hatte ich einen stahlarmigen, muskulösen, grimmig bärbeißigen Riesen erwartet, den Schrecken aller Bulldoggs, und fand nur ein kleines, dünnes Männchen mit ewigem Lächeln und dünner, öliger Stimme, ein Zwerglein neben der Frau mit dem Brustkasten eines Falstaff und dem Nacken eines Mastochsen.

Ja, es war Mr. Lerinke und ist’s heute noch. Kein Mißverständniß möglich, da ich Leute der verschiedensten Art fragte und jeder die Thatsache bestätigte, daß der dünne, hungrig aussehende Mann Lerinke war, Lerinke, der einstige Besitzer des berühmtesten aller Bulldoggs, der große „Kynologe“ oder Hundeweise, der kunstgebildete Ratten-Theater-Director und höchste schiedsrichterliche Instanz in allen Hunde-Duellen. — Daß sein Herz ganz den Hunden gehörte, wurde mir bald klar. Die verliebten Seitenblicke, die er verstohlen (wegen der dragonerartigen Gattin, fürcht’ ich) bald diesem, bald jenem der zahlreichen Köter zuwarf, das zärtliche Purren und Spitzen, Schnalzen und Glucksen, womit er Säuglinge und Kindlein von Hunden streicheln und „eyete“ — waren Beweises genug. Und welche Menge ausgestopfte und kostbar in überglasten Mahagonikasten an den Wänden angebrachte Hunde-Mumien! in dem prächtigsten dieser Sarkophage fiel besonders ein mörderisch und scheußlich häßlich aussehendes Exemplar von Bulldogg auf, zumal als Mr. Lerinke mehrmals mit tragischem Schmerze auf ihn blickte, eine Weile darauf haftete und dann mit der Erschwerung eines Vaters, der eben seinen einzigen Sohn verloren, fortfuhr, Leben und Tod dieses Unvergeßlichen, zu früh dahin Geschiedenen einem Gentleman zu erzählen, der den Kopf seines Skye-Dächsels zur Rocktasche heraus trug, wie der Stutzer den Zipfel seines ersten seidenen Taschentuchs.

„Funfzig Pfund hätt’ mir Einer können hier baar herzählen,“ rief Mr. Lerinke mit schmerzlichem Enthusiasmus, zwanzig Pfund mehr, Sir, siebig Pfund, Sir: kein Gedanke, ihn dafür zu verschleudern. Vierzig wurden mir geboten, ja fünfundvierzig und zehn (Schillinge). Pah! Hätten ebenso gut fünfundvierzig für meine Katze bieten können oder (mit dem schlauesten Flüstern, für meine Frau. Also, sag’ ich, er wurde vergiftet, Sir, vergiftet. Das schönste Thier in der Welt und so klug und – und – o! Und so vergifteten ihn die Vagabunden an einem Sonntage. Ganz munter lief er zwischen deren Beinen herum vor der Barre hier. Abends sollte „Schau“ stattfinden, und sie gönnten ihm seine Superiorität nicht. Und so schnappte er ganz munter und unschuldig nach einem Stück Fleisch und lag in der nächsten Minute todt, todt, Sir, wie ’n Pflasterstein. Mit Blausäure in ’nem Stückchen Fleisch.

Der Herr mit dem kye-Dächsel in der Rocktasche war von dieser tragischen Geschichte so gerührt, daß er sein Glas mit einem „Gulp“ austrank und eine Treppe im Winkel hinauf sprang. Ich folgte ihm in die Hallen der Hunde-Ausstellung. Durch die offene Thür pfauchte mich eine dicke Wolke von Qualm und Kneipengeruch an, vermischt mit einer eigenthümlichen köterigen Würze. Diese Geister waren nicht sehr einladend, zumal mit dem viel- und mißtönigen Geknurre und Gebelle und mit den vielen Galgen-Physiognomien, die im getrübten Gaslicht aus dem dichten Qualme heraus mehr oder weniger sichtbar wurden. Aber ich wagte mich mit ungenirter Miene hinein und sah mir die Sache an. Ein langes, ödes, enges, von Hunden und Lumpengesindel gefülltes Zimmer, am Ende mit einer Erhöhung von Bretern und dem Präsidentenstuhle. An den Wänden entlang Hunde in Glaskasten ausgestopft und lebendig in Käfigen. Auf den langen Tischen Hunde zwischen Gläsern und Krügen und Thonpfeifen und Tabakspapieren, Hunde auf den Schößen, ·Hunde zwischen Menschen und Stuhlbeinen, Hunde in allen Größen und Spielarten, Hunde aller Farben, Hunde in den verschiedensten Launen von erstickender Mordwuth am Stricke bis zur naivsten, kindlichsten Artigkeit und schwanzwedelnden, übermüthig glücklichen, nach allen Seiten mit der Zunge leckenden Menschenfreundlichkeit.

Außer ausgestopften und lebendigen Hunden hingen noch große Bilder von Sayers und Heenan, den Preis-Box-Königen, Box-Scenen, Schnell-Läufer, rattentödtende Hunde, einander tödtende [249] Hunde, einander tödtende Kampfhähne, Wellington, die Königin und einige Rennpferde an den Wänden entlang.

Der Präsident nimmt oben hinter Wolken seinen Sitz ein, ihm gegenüber am anderen Ende der Tafel der Vice-Präsident Billy-Cool. Beide rauchen als höhere Wesen Cigarren, alle Andern ihre Thonstummel. Billy Cool hält ein Scheusal von Riesenhund, dessen Rachen mit dicken Lederriemen verbunden ist, zwischen den Beinen und an einem starken Stricke fest und dahlt mit ihm, wie mit einem schwachen, geliebten Säuglinge. „Der schönste, gezäumte Bulle im zwanzigmeiligen Umkreise!“ wie mich ein Nachbar vertraulich belehrte.

Und nun die Gesellschaft! Die Aussteller! Die Ritter der Hunde-Industrie! Ich habe alle Arten von Londoner Verwahrlosung und Brutalität gesehen, wohl aber nie eine solche auserlesene Sammlung von Trägern des Kainsstempels, von natürlicher und naiver Schurkerei und selbstgefälliger Brutalität. Es konnten nicht weniger als ihrer funfzig sein, einige in ganzen Röcken und von einer gewissen Vornehmheit mit mehrmals geknickten und zerschlagenen „Angströhren“ der Civilisation auf den Köpfen, andere unter Mützen und in Flanelljacken, noch andere mit zu weiten oder zu engen Leibröcken und mit zu engen oder zu weiten, zu kurzen oder zu langen Hosen, so daß es mathematisch ausgemacht erschien, daß Keinem seine Kleider von einem Schneider angemessen worden waren, Alles war alt von Lumpenmärkten zusammengekauft oder fix und fertig gestohlen worden. Am auffallendsten erschien mir eine gewisse Gleichartigkeit in der Haartracht, der „Newgate-Klopfer“-Styl, wie er in der höheren Gaunersprache genannt wird, d. h. über den Kopf weg gescheiteltes und dann ringsum unnatürlich untergekrümmtes und unter Mützen und Hüte geschobenes Haar, damit es in Fällen der Gefahr zur Entstellung in beliebige andere Formen gezwungen werden und als Maske dienen könne.

Die Physiognomien der ehrenwerthen Gesellschaft hatten wohl alle ein natürliches, mindestens durch die socialen und individuellen Verhältnisse von der Wiege an ausgebildetes Verbrecher-Gepräge: kleine zurücktretende Stirnen, Spitzköpfe, unnatürliche Ausbildung des Hinterkopfes oder der untern Gesichtstheile. Jeder hatte mindestens einen Hund. Die Mode- und Miniaturhündchen saßen auf dem Tische neben den Gläsern und wechselten mit den Herren in den verschiedensten Formen Beweise der Liebe und Zärtlichkeit. Und hierin lag die menschliche, die rührende, ja tragische Schönheit des seltsamen Schauspiels. Die Hunde-Herren waren alle Feinde der Menschen und ihrer Gesetze, ihres Hab und Guts, wie sie offenbar von allen ordentlichen, gebildeten, mit Eigenthum gesegneten Menschen gehaßt, verachtet, vermieden oder verfolgt wurden. Aber der Mensch muß etwas lieben. Und so waren sie mit diesem Lieblingsbedürfniß auf den Hund gekommen, den treuen, sich zärtlich anschmiegenden Freund des Menschen bis in den Tod, bis in den Kerker und an den Galgen, den treuen Freund in der Noth, in Hunger und Elend, in Schmach und Schande, den über alle menschlichen Grenzen hinaus Liebenden, Treuen und Zuverlässigen. Ich fragte einen lumpig und hungrig aussehenden Kerl neben mir, was er für seinen hübschen, lustigen, listigen Hund für’n Preis stelle.

„Verkauf’ ihn nicht. Einmal wurden mir 12 Pfund geboten, ich geb’n nicht für 20. Ist mir Vater, Mutter, Geschwister, Frau und Kinder. Er nährt mich.“

„Wie so? Macht er Kunststücke?“

„No, Sir! Er hat sein Geschäft. Geht früh aus und macht sich in der Nähe von Fleischerläden Zerstreuung, wobei er immer in den Laden schielt. So wie die Luft rein ist, kommt er um die Ecke ’rum, schnappt das schon vorher als nicht zu schwer ausgesuchte Stück herunter und bringt es mir. Manchen Tag hat er schon 6 Pfund gebracht, so daß wir beide gut zu leben und noch an gute Freunde unterm Einkaufspreise etwas abzulassen haben.“

Und dabei küßte der Kerl seinen Ernährer enthusiastisch auf die Schnauze, und dieser wedelte so begeistert mit dem Schwanze, daß er laut gegen die Stuhlbeine knallte, ohne sich dadurch stören zu lassen. Die Spiel- und Schooßhündchen des Präsidenten und die meisten andern Zwerge auf dem Tische waren wunderschön und zierlich, einige mit Pfötchen nicht dicker als ein Gänsekiel und zum Theil mit den feinsten Vließen und herrlichen Zeichnungen. Das sind die Hündchen, die mit der Zeit an Lord-Ladies und Herzoginnen für fabelhafte Preise verkauft werden. Ich fragte nach den Preisen der verschiedenen ausgestellten Hunde wohl funfzigmal und hörte nie weniger als 10 Pfund Sterling nennen, wenn sie nicht durch „Nichtverkäuflich“ alle Schätzung in Geld ablehnten.

Die Reden des Präsidenten und verschiedener Hunde-Aussteller über Hunde im Allgemeinen und ihre Hunde im Besondern, das Herumzeigen und Abschätzen und Streiten und alle die Einzelnheiten des Abends können wir hier nicht wiedergeben, so daß wir mit der Schlußscene schließen.

Tische und Stühle sind übereinander in den Winkeln aufgehäuft und zum Theil mit Hunden und Menschen besetzt, die einen Kreis bilden, in welchem Billy Cool’s Bulldogg sich mit einem kalbsgroßen Fleischerhunde um 5 Pfund Sterling (außer den Privatwetten) duelliren soll. Beide werden gegen einander gehetzt. Sie knurren und knärren sich gegenseitig mit weißen Zähnen an. Dann packen sie sich heulend, brüllend, röchelnd, und wälzen sich fest ineinander gepackt über einander. Der Boden wird blutschmierig. Alle anwesenden Hunde bellen oder heulen, und die kleinen, zartnervigen springen vor Angst in Taschen und auf Tische. Alle Gäste hetzen, pfeifen, brüllen, stampfen, Jeder seinen Hund, auf den er gewettet, hetzend. Der Kampf dauert mit wenigen Unterbrechungen lange, bis endlich der Fleischerhund zuckend still liegt und Billy Cool seinem Sieger mit dem eisernen Feuerschürer die krampfhaft geschlossenen Kinnladen auf- und ihn so von dem sterbenden Fleischerhunde losbricht. Nach diesem Schlusse wurden die Wetten ausgeglichen, und damit war die Hunde-Ausstellung zu Ende.