Eine Kriegsrechnung

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Autor: unbekannt
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Titel: Eine Kriegsrechnung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 708–710
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Eine Kriegsrechnung.

In früheren barbarischen Zeiten führte man öfter Krieg, als heut zu Tage, aber auch ganz anders. Unter allen Umständen kämpfte man um und für etwas und hörte nur nach der Entscheidung auf. Die Entscheidung machte eine Partei zum Sieger, die andere zur besiegten. Daraus folgte ganz natürlich, daß erstere bei der letzteren eine Kostenrechnung einreichte, und so lange auf dem Kriegsfuße oder im Lande des Besiegten blieb, bis die Rechnung entweder bezahlt oder gehöriges Pfand u. s. w. gestellt war. Ich glaube, man wird es auch künftig wieder ebenso machen. Nur der sonderbare Krieg der „westlichen Civilisation“ gegen „östliche Barbarei“, wie man das Ding häufig nannte, macht davon eine Ausnahme. Der großartige Kampf zur „Rettung der Türkei“ (offiziell gesprochen) war eine Art Picknick, wo jeder Theilnehmer seine Rechnung selbst bezahlt und respektive aus eigner Tasche zehrt. Es kam zu keiner „Entscheidung“; jede Partei war zugleich besiegt und Sieger, so daß alle „ehrenvoll“ daraus hervorgingen, wie wenigstens die Blätter Palmerston’s und Louis Napoleon’s sich auszudrücken beliebten. Auch wurde der geschlossene Friede ein dauernder, alle Parteien befriedigender genannt.

Man muß es indessen mit den Ausdrücken der Diplomaten nie so genau nehmen, wie wir unter uns. In der That haben die Worte im Munde oder aus der Feder von Diplomaten niemals einen „gemeinen“ Sinn, d. h. nie einen solchen, wie wir gemeinen Leute mit den Worten verbinden. Man sagt in der Diplomatie sehr häufig etwas, was man nicht sagen will, man veröffentlicht Gedanken, um Gedanken zu verbergen. Man sagt „Schwarz“ und meint damit „Weiß“ oder vielmehr irgend eine Farbe, die kein gemeiner Verstand errathen kann. Die Sprache des ehrenvollen, alle Parteien befriedigenden Friedensvertrages gerieth diesmal so räthselhaft, daß sie die Diplomaten selbst nicht mehr verstehen und Jeder eine Auslegung dafür hat, die jeden Andern unzufrieden macht. Was bleibt da Anderes übrig, als noch einmal in Paris zusammen zu kommen, um namentlich den Herren Palmerston u. s. w. ein besseres Verständniß des ehrenvollen, alle Parteien befriedigenden Friedens beizubringen? Bei dieser Gelegenheit können auch die Nichtdiplomaten, welche immer glaubten und hofften, daß England die „gute Sache“ auf seiner Seite habe, und deshalb die englische Sache als die „gute Sache“ liebten, etwas lernen. Schon jetzt steht fest, daß weder die gute Sache, noch die schlechte siegte, weil Jeder „ehrenvoll“ aus dem Kampfe hervorging, und die Kosten dieser Ehre jede Regierung aus den Taschen des damit beehrten Volkes bestritt.

Die Rechnungen sind noch nicht bekannt. Aber merkwürdig ist, daß die französische Regierung die ihrige nicht nur schon längst fertig, sondern auch veröffentlicht hat. Napoleon fragte nicht erst constitutionell, ob er Krieg führen dürfe und Geld dazu kriege. Er nahm vom Mammon und Mann, so viel er für gut hielt, ohne viel zu fragen. Die englische Regierung dagegen ließ sich ordentlich parlamentarisch Geld und Leute bewilligen, und nannte den Krieg „des Volkes Krieg.“ Aber trotz alles Parlamentarismus und aller Schuldigkeit, Rechnung abzulegen, weiß man in England noch nichts von Rechnungen. Rechnung ablegen, ist immer ein Akt, der Anerkennung verdient, sei die Schuld auch noch so groß. Und so erkennen wir diesen Akt der französischen Regierung um so lieber an, als man sonst nicht sehr oft in Versuchung kommt, von ihr mit Anerkennung zu sprechen, und sie alle andern „ehrenvoll aus dem Kriege hervorgegangenen Regierungen“ beschämt.

Der Kriegsminister, Marschall Vaillant, hat also eine vollständige Kriegsrechnung ausgearbeitet und veröffentlicht. Sehen wir uns die Hauptposten einmal an, damit wir uns mit Adam Riese eine Vorstellung von diesem letzten Kriege machen lernen.

Es wurden 309268 Soldaten und 41974 Pferde von Frankreich weit hinten nach der Türkei und nach der Krim über sehr viel Wasser hinweggeschickt. Von dieser ungeheuern Armee starben über 67000 ganz gewiß, mehr als 3000 ungewiß, da man sie blos vermißt, ohne daß man genau weiß, ob und wie sie umgekommen. Von den Pferden kamen 9000 zurück, die englischen starben fast alle im Kampfe mit Hunger und Kälte, eben so die ganze erste Armee. Alle diese Massen von Menschen und Vieh zogen sich aus allen Theilen Frankreichs nach Marseille zusammen und wurden von da aus alle sicher auf’s und über’s Wasser nach dem Kriegsschauplatze geschwemmt. Was das heißen will, davon geben noch andere Zahlen eine Vorstellung. Die Schiffe, welche immerwährend hin- und hereilten, um neues Futter für Pulver zu holen, kamen auch fast stets beladen zurück, beladen mit Verwundeten, Kranken und Krüppeln, für welche an der Südküste Kranken- und Quarantainelager, groß genug, 30000 Mann zu beherbergen, errichtet waren. Von den englischen Kranken kamen wenige zurück, und die Wenigen mußten oft halbe Tage, ganze Tage warten, ehe sie in verschiedenen Winkeln versteckt werden konnten, um da noch zu sterben. Die Menschenverwüstung, welche die englische Aristokratie trieb, ist fast beispiellos in der Geschichte. Für diese 309000 Menschen und 42000 Pferde mußte aber auch Futter hinübergeschifft werden, Lebensmittel, Kleidung, Wohnung, u. s. w. und zwar genug auf zwei und ein halb Jahre, dazu Waffen, Munition, Geschirre, Wagen, Arzneien, Charpie und tausenderlei Dinge, an die wir im Frieden oder selbst in einem gewöhnlichen Kriege auf dem Lande mit Märschen auf der festen Erde gar nicht denken. Waffen? Natürlich hatte jeder Soldat seine Waffen bei sich. Aber auch 644 Kanonen, Haubitzen und Mörser vom Lande und 603 von der Marine und 140 türkische Kanonen wurden hinübergeschafft mit dem nöthigen Futter, dazu 800 Kanonenkarren, über 700 Munitionswagen und sonstige Artilleriefuhrwerke. Diese waren blos für die Belagerung speciell bestimmt. Mit den für offenen Kampf, für Schlachten bestimmten Kanonen stieg die Gesammtzahl der schweren Geschütze Frankreichs auf 1700 mit 4800 Wagen und Werkzeugen auf Rädern aller Art. Die Zahl der Pillen für diese schweren Geschütze sieht auch recht idyllisch aus: zwei Millionen [709] Kanonenkugeln, Bomben und sonstige Ladungskörper für schwere Geschütze, zehn Millionen Pfund Pulver in Fässern und 66 Millionen scharfe Patronen für Musketen und Rifles. Kurz vor dem Falle Sebastopols hatte es Frankreich zu 400 Bomben-Mörsern vom größten Kaliber (außer der andern Belagerungs-Artillerie) und zu 1000 Bomben für jeden gebracht, hinreichend zu einem 20 Mal 24 Stunden ununterbrochenen Bombardement und 14 Bombenschüssen für jede Minute aus jedem MörserBerichtigung (Die Gartenlaube 1857/6)[WS 1]. Die Franzosen gruben und sprengten und bauten während der Belagerung Sebastopols über 100 Batterieen. Das Gewicht der Artillerie allein schätzt Marschall Vaillant auf 50 Millionen Kilogrammes, d. h. etwa eine Million Centner.

Dazu kam aber noch das „matériel du génie“, wie er’s nennt, die Sappeurs, Ingenieurs und Minirer mit ihren Werkzeugen und Materialien: Hacken, Schaufeln, Bohrer, Sandsäcke, Pallisaden, chevaux de frise, Mühlen, Leitern, Wagen, Kasten, Räder, Planken, Eisenbarren, Nägel, Pech, Kohlen, Leinwand, Minenpulver, Zelte, Holzhütten u. s. w. zusammen 14 Millionen Kilogrammes oder 280,000 Centner.

Zu den auffallendsten Posten gehören 920000 Sandsäcke und 3000 Holzhütten und Kasernen. Die Materialien des Geniecorps waren nach Ausspruch des Kriegsministers fünf Mal größer, als für eine gleich große Armee für Belagerungszwecke gewöhnlicher Art, so großartig und ausnahmlich war diese ganze Belagerung Sebastopols, freilich nichts in dem Grade, als die beispiellose Ueberwinterung zwischen Felsen und Sümpfen, welche so menschenfeindlich aussehen, wie die Erde kaum zur Zeit der Ichthiosaurier, ein paar Millionen Jahre vor Erschaffung der Welt (nach Calaisius) gewesen sein kann.

Die französischen Ingenieurs errichteten und sprengten während der Belagerung über 10 geographische Meilen Laufgräben, wozu sie 60000 Fascinen (Holzbündel), 80000 Gabionnen (große mit Erde gefüllte Körbe) und außerdem über eine Million mit Erde gefüllte Säcke verbauten, außerdem gegen drei Meilen „Linien“ oder Schanzwerke um die Belagerungslager herum. Diese „Linien“ bestanden aus tiefen Gruben, fast alle in soliden Felsen hineingehöhlt, mit hohen Parapeten und starken Redouten. Franzosen und Russen zusammen sprengten und gruben beim Miniren und Contreminiren außerdem über eine deutsche Meile unterirdische Galerien oder Passagen durch solide Felsen hindurch, an manchen Orten über 50 Fuß unter der Oberfläche. Bei dieser Arbeit mußte man aber auch essen und trinken und Alles weit über’s Wasser, größtentheils von Frankreich (Frankenarm) selbst her, z. B. 30 Millionen Pfund Bisquit, 50 Millionen Pfund Mehl, 7 Millionen Pfund eingesalzenes Fleisch, 14 Mill. Pfund Pökelfleisch und Fett, 8 Mill. Pfund Reis, 4½ Mill. Pfund Kaffee, 6 Mill. Pfund Zucker, 10000 lebendiges Hornvieh, 2½ Mill. Gallonen Wein und andere Kleinigkeiten in ähnlichen kleinen Quantitäten.

Man merkt’s schon an den Zahlen, wie demoralisirend, unmenschlich der Krieg ist. Sie stehen so kalt da diese Zahlen, ob man sagt: 10000 Ochsen oder 70000 Franzosen geschlachtet (Summa Summarum schlachtete diese einzige Belagerung etwa 700000 Menschen). Wie viel Trauer, wie viel Thränen, wie viel Herzeleid zieht sonst hinter der Bahre eines einzigen, selbst des unbedeutendsten Menschen her! Und dem Worte Krieg gegenüber liest man von 70000 und 700000 Todten wie von einem Posten in der Rechnung, der sich beiläufig mit von selbst versteht. Nun, sie starben doch für einen ehrenvollen, dauerhaften Frieden, hieß es. Ist doch Rußland auf ewige Zeiten gedemüthigt, renommirte Palmerston in seinen Zeitungen, während es in der That nie mächtiger gegen England da stand, als jetzt zur neuesten Pariser Konferenz, welche Napoleon auf Seiten Rußlands sieht und Sardinien nur deshalb nicht, weil Palmerston dessen Ausschließung bewerkstelligte (wenigstens beantragte) und zwar aus dem Grunde, weil er auch dessen Stimme für Rußland fürchtete. Die englische Diplomatie (welche so viele gutmüthige Menschen als westliche Civilisation umhofften) steht jetzt unter dem weisesten Nestor derselben allein da in Europa, allein, freundlos, von Freunden und Feinden verachtet und – zwar mit allem Recht. (Wer dafür die Thatsachen in gedrängter Kürze beisammen haben will, muß den Artikel „Palmerston“ in der neuen Wochenschrift, welche F. A. Brockhaus zur Ergänzung des Conversationslexikon herausgibt, nachlesen. Er ist aus derselben Feder, welche diesen Artikel schrieb.) Fahren wir in unserer Rechnung fort. Manchmal ist eine Zahl durch sich selbst gar nicht zu begreifen. Man ahnt gar nicht, wie groß sie ist und nimmt es ziemlich gleichgültig hin, ob eine Null mehr oder weniger an der Hauptzahl hängt. Aber eine kann die andere unterstützen. Wir lesen: 30 Millionen Pfund Bisquit und denken uns nichts weiter dabei, zumal da gleich noch mehr Millionen anderer Pfunde uns in Beschlag nehmen. Aber wenn man liest, daß zur Verpackung dieses einen Postens allein ein halbes Tausend Menschen Tag und Nacht arbeiten mußten, nur um die Fässer dazu zu schaffen und zusammen 260000 Fässer und Tonnen zur Verpackung dieses einzigen Artikels gehörten, wird uns diese Bisquitmasse schon etwas deutlicher. Für Verpackung anderer trockener Lebensmittel wurden über eine Million Säcke gebraucht. Unter der Rubrik Pferdefutter finden wir 170 Millionen Pfund Heu, 180 Millionen Pfund Hafer und Gerste und andere Artikel.

Mit 4 Millionen Pfund Feuerholz, 40 Millionen Pfund Steinkohlen, Coaks und Holzkohle, 150 Backöfen, 140 Pressen für Verpackung des Heus schließt das Kapitel vom Futter und Feuer, zusammen 10 Millionen Centner, zu deren Verschiffung nach dem Kriegsschauplatze 1800 Seereisen der Transportschiffe nöthig waren.

Kleider und Schuhe! Auch lauter Zahlen mit erstaunlich viel Nullen! Niemals unter 200000, in der Regel über 300000. Nur einige eigenthümlich französische Artikel, z. B. 240000 Paar Sabots, (Holzschuhe), zu den 360000 Paar ledernen. Der entsetzliche Winter durchschauert uns wieder, wenn wir von 150000 Schafpelzpaletots, 250000 bulgarischen (Schafpelz-)Gamaschen und 250000 Pelzmützen lesen.

Haus und Hof! Man hatte Zeltenbehausung hinübergeschafft, welche 280000 Mann auf einmal aufzunehmen im Stande war, wobei man voraussetzte, daß die übrigen während der Zeit „im Dienste“ und im Freien zubringen mußten.

Unter den Artikeln der Bekleidung für Pferde nehmen 800000 Schuhe oder Hufeisen und 6 Millionen Nägel dazu auch ihre Stellung ein, so daß man bis in alle Kleinigkeiten hinein genau Buch geführt haben muß. Im Ganzen wogen Kleiderstoffe für Menschen und Vieh und Zelte 400000 Centner.

Dies sind die Hauptartikel, aber die Accessorien, ärztlicher Dienst, Schatzamt, Postverwaltung, Druckerei, Telegraph u. s. w. wurden auch nicht übersehen. In keiner Sphäre waren die Franzosen so ausgezeichnet, als in ihren Hospital-Arrangements. Diese leuchten um so mehr hervor, als die englischen Soldaten, die sechs bis sieben Mal so viel kosteten, tausendweise aus Mangel an Dach und Fach, der gewöhnlichsten Arznei und der nothdürftigsten Pflege dahinstarben. Ohne Miß Nightingale und ihre barmherzigen Schwestern und beispiellose Privatwohlthätigkeit hätte die Kriegsführung nicht nur alle die vielen Millionen Pfunde, sondern auch alle Soldaten dazu todtgeschlagen –.

Die Franzosen schickten 27000 Bettstellen für Invaliden und Kranke hinüber, eben so viel Matratzen und Decken, und 40000 Decken für den Gebrauch in Zelten (außer den Feldmänteln). Dazu kamen 30 bewegliche, mobile Hospitäler für je 500 Mann und jedes mit dem nöthigen Mobiliar. Transportwagen für Verwundete waren hinreichend für 24000 Mann; 600 große Kisten chirurgischer Instrumente, 700000 Pfund Charpie und Bandagen, 200000 Pfund Erfrischungen, concentrirte Milch, Bouillonessenz, granulirte Grütze, Chole’s, eingemachte Früchte u. s. w. erinnern wohlthuend an versorgende Menschlichkeit in dieser wilden Mischung von Pulver, Kugelregen, Himmelsregen und Schnee, umhergeschleuderten Menschengliedern und bluttriefenden Krüppeln.

Die équipages militaires[WS 2] oder das Transportkorps im Felde und auf dem Lande blos für Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Gepäck beschäftigte 14000 Mann, 20000 Pferde, Maulesel, Ochsen und Buffalos mit nicht weniger als 2900 Wagen der verschiedensten Art. Auf diesen Wagen waren unter Anderem 900 wasserdicht verschließbare große Kasten; in jedem derselben wurde täglich für 1400 Mann Nahrung herangefahren.

Neunzig Personen fungirten als Zahlmeister und Postsekretaire zugleich. Marschall Vaillant versichert, daß die Soldaten [710] mitten im Kriege ihre Löhnung und ihre Briefe eben so regelmäßig erhielten, als wenn sie im tiefsten Frieden mitten in den numerirten Häusern von Paris gewohnt hätten. Daß an sie theils baar, theils in Schatznoten ausgezahlte Geld belief sich auf 285000000 Francs. Und dies ist vielleicht ein kleiner Ausgabeposten im Vergleich zu den Kosten der Anschaffung und des Transports von Lebens- und Todesmitteln.

Elektro-Telegraphie und Druckerei traten als ganz neue Posten in der Kriegsrechnung auf und deuten auf eine neue Epoche in der nobeln Kunst der Kriegführung hin. Die Franzosen wurden sehr fleißig vermittelst der alten Semaphoren (beweglichen hölzernen Telegraphen mit Signalarmen) und elektrischer Telegraphie kommandirt. Sichtbare Zeichen und elektrische Blitze liefen aus dem Hauptquartiere nach allen Armen und Flügeln der Armee. Außerdem hatten die Engländer einen elektrischen Telegraphen durch’s Meer von Balaklava nach Varna gelegt und die Franzosen denselben über Land (Varna, Schumla, Rustschuk, Buckarest) mit den großen europäischen Telegraphennetzen verbunden.

Außer einer lithographischen Presse beschäftigte General Canrobert noch eine ordentliche Druckerei. Die Guttenberg’schen Truppen wurden somit unseres Wissens zum ersten Male unmittelbar zwischen Krieg und Schlachten beschäftigt. Keine besondere Ehre für sie oder vielmehr für uns, die wir es mit 400jährigen Exercitien derselben noch nicht so weit gebracht haben, daß sich der barbarische Mars mit seiner Todtschlägerei gar nicht mehr hervorwagen könnte.

Für den Transport über’s Wasser beschäftigten die Franzosen stets 132 Schiffe von der Staatsmarine, welche mit 905 Reisen 270000 Mann, 4300 Pferde und 116000 Tonnen Material beförderten. Dazu kamen als Transportmittel 8 englische Kriegs- und 42 andere gemiethete Schiffe, dazu außerdem 1264 Kauffahrteifahrzeuge aller Art mit 66 Dampfschiffen und 22 Schnellsegelklippers. Alle zusammen beförderten während der zwei Kriegsjahre 550000 Mann, 50000 Pferde und 15400000 Centner Material hin und her.

Das sind die Hauptsachen einer einzigen Kriegsrechnung. Die englische ist bereits auf mehr als das Doppelte im Geldpunkte veranschlagt worden. Von der russischen, türkischen und sardinischen wissen wir noch gar nichts. Erstere muß auch mindestens das Doppelte der französischen betragen. Nehmen wir daher nur die direkten Gelder, an die Soldaten ausgezahlt als die Hauptkosten, als den großen Preis des Krieges, also Russen-, Franzosen-, Engländer-, Türken- und Sardinier- oder fünfmal 285000000 Francs, so kommt das runde Sümmchen von 1425000000 Franken heraus, wofür wir 400 Millionen Thaler annehmen wollen.

Das ist vielleicht blos die Hälfte der wirklichen, direkten Kosten, wobei wir 700000 vernichtete, jugendliche, starke Menschenleben und das mit ihnen todtgeschlagene Produktionskapital und dessen Zinsen gar nicht rechnen.

Für diesen Preis ist zwar Sebastopol gefallen, aber Rußland hat dafür Festungen in ganz Europa gewonnen. Das ist kein Geschäft. Um recht prosaisch zu schließen, fragen wir: was hätten Nicht-Diplomaten, gewöhnliche producirende Unterthanen, Fabrikanten, Bürger, Bauern, Handwerker, Künstler mit diesem Kapitale für Leben und für Freude in der Welt geschaffen?

Und hat denn nun wenigstens Europa ehrenvollen, dauernden Frieden? Neue Pariser Konferenz, antworte, wenn du es nicht wieder vorziehst, etwas zu sagen, um deine Gedanken zu verbergen!



Anmerkungen (Wikisource)

  1. vergl. aber: Berichtigung in Heft 6
  2. Vorlage: equipages militaires