Eine Perle deutscher Architektur
Der große Zug der Reisenden nach dem schönen Thüringer Lande und seinem frischen grünen Walde berührt zwischen Weimar und Gotha die preußische Festung Erfurt, deren umfangreiche Werke den Wanderer nicht zur Einkehr auffordern, obwohl ein freundliches, mit schönen Waldungen und reichen Blumen-, Frucht- und Gemüsegärten geschmücktes Hügelland die altehrwürdige thurmreiche Stadt umgiebt, welche auch an sich dem Freunde der alten Städtegeschichte und der Kunstdenkmäler erhebliches Interesse bietet.
[230] Die Chronisten nennen sie „die große, gedächtnißwürdigste, die volkreiche Hauptstadt Thüringens“, und in der That bestätigen noch viele Spuren, daß Erfurt im Mittelalter zu den größten und ansehnlichsten Städten Deutschlands gehörte. An der Hauptverbindungsstraße zwischen dem Norden und Süden des deutschen Reiches gelegen, bildete es zugleich einen Knotenpunkt für den Verkehr nach Osten und Westen. Handel und Gewerbe standen in höchster Blüthe, als es sich dem Bunde der Hansestädte anschloß. Aber auch eine bedeutende, bewegte Geschichte füllt die Annalen der kaiserlichen oder Reichsstadt. Ein sich fühlendes Bürgerthum lag fortwährend mit mächtigen Nachbarn in offener Fehde oder stritt mit der kaiserlichen oder Mainzer Statthalterschaft um alte Rechte. Gegen landadelige Patrizierkasten, die sich zu städtischer Aristokratie ausbildeten, brachen blutige Empörungen aus; kurz, es war ein unaufhörliches, muthiges, zu Zeiten tolles Treiben der stolzen Bürgerschaft außer- und innerhalb der Ringmauern. Aber auch ungeheure, sich öfter wiederholende Feuersbrünste legten große Theile der Stadt in Asche, und pestartige Epidemien rafften viele Tausende der Bewohner hinweg.
So erlosch der alte Glanz; doch heute noch zeugen von ihm viele Patrizierwohnungen, die aus der schönsten Zeit mittelalterlicher Baukunst herrühren. Von sechsunddreißig Kirchen, welche Erfurt früher besaß, sind noch viele und darunter prächtige Meisterbauten wohlerhalten. Die große Anzahl der Glockenthürme, der Stadt ein wahrer Schmuck, ragen weithin sichtbar über die Ziegeldächer der Häuser hervor.
Ueber alle Bauten hinaus aber erhebt sich majestätisch der Dom mit der an seiner Seite gelegenen Stiftskirche St. Severus, die wetteifernd mit der Höhe der kolossalen Kathedrale ihre drei kupfergedeckten schlanken Thurmspitzen in das helle Firmament streckt. Von einem außerordentlich großen Platze aus steigt die freie Riesentreppe, nach welcher der Platz noch immer vom Munde des Volks „vor den Graden“ genannt wird, zum Domberge empor. Zehn mächtige Bogen tragen einen sehr breiten, sich um den ganzen Chor ziehenden Vorsprung, welcher nach den aus diesen Bogen gebildeten Nischen mit dem seltenen Wort Cavate benannt ist. Man denke sich nun diese Cavate, die Treppe und den Platz von einer prunkvollen, mit wehenden Fahnen dahinziehenden Procession belebt, von einer bunten, mittelalterlichen Volksmenge umgeben, und es giebt ein Bild, der Arbeit des besten Künstlers würdig.
Die gewaltigen architektonischen Massen beider Kirchen wirken von ihrer hohen und freien Lage aus mächtig auf den Beschauer, der mit Bewunderung von der Großartigkeit des Dombaues erfüllt wird. Betreten wir mit ihm die fünf Mal vierzehn Stufen der breiten Treppenflucht, so erfreut uns zunächst an einem Pfeiler ein Denkmal der Dankbarkeit für die reichen Gaben zu diesem Bau in lateinischer Inschrift des 14. Jahrhunderts, die übersetzt lautet: „Im Lobe Christi jauchze, glückliches Thüringen, durch dessen Gnade du dich so hoher Gönner erfreuen kannst.“
Oben angelangt, stehen wir vor dem Hauptportal, einem vorzüglich schönen Bau- und Bildhauerwerke. Es ist ein seltsam herausgehobenes Dreieck am Quergebäude, zwischen Chor und Schiff, das zwei Eingänge von Osten und Westen bildet, über denen sich mit Knospenwerk reich verzierte Spitzgiebel, deren Füllung aus gothischen Rosen besteht, erheben. Aus dem Mittelpfeiler des vorderen östlichen Portals steht die Schutzpatronin der Kirche, die Mutter Gottes mit dem Christkinde auf dem Arme, an den inneren Wänden sind die zwölf Apostel, am westlichen Eingange die zehn klugen und thörichten Jungfrauen und zwei andere weibliche Statuen zu sehen. An der äußeren abgestumpften Ecke befindet sich eine vergitterte Nische in Kapellenform, welche eine uralte bemalte Statuette der heiligen Anna birgt, die wahrscheinlich früher das Ziel frommer Wallfahrer und somit eine ergiebige Quelle für die Baucasse war. Ueber diesem Kapellchen schmücken drei prächtige Bildsäulen von Bonifacius, Adolar und Eoban den aufstrebenden Eckpfeiler, den würdigen bedeutungsvollen Platz für die ersten Lehrer des Christenthums in Thüringen, welche auch die ersten Erbauer eines Kirchleins an derselben Stelle waren. Der Pfeiler geht in einer merkwürdigen steinernen Laterne von zierlicher Form aus, die gewiß nicht nur als bloßes Symbol des Lichtes, das von hier ausstrahlte, sondern zu wirklichem Leuchtfeuer gedient, ihre Helle weithin gesendet und den wunderbaren Steinbau mit magischem Lichte übergossen haben mag.
Dieses herrliche Portalwerk, das durch seine überreichen Verzierungen das höchste Interesse erregt, ist besonders wegen des hohen Alterthums der Bildsäulen wichtig, die vielleicht schon den ersten Dom, der im 12. Jahrhundert hier auf dem Felsen stand, schmückten. Die Restauration hat sich diesem baulichen Schatzkästlein mit besonderer Vorliebe und Meisterschaft zugewendet und alle Lücken und Verwüstungen, welche Zeit, Unglück und barbarische Mißhandlung vielfach angerichtet hatten, auf das Beste ergänzt und beseitigt.
Nahebei steigen von einem riesigen Unterbau, dem ältesten Theile des Domes, die kolossalen Thürme empor. Die einfachen Rundbogen des Frieses und der Fensteröffnungen bekunden den byzantinischen oder romanischen Baustyl, der im 13. Jahrhundert dem gothischen oder altdeutschen Spitzbogen weichen mußte. Noch in den oberen Stocken zeigen die Fenster bald Rund-, bald Spitzbogen.
Wir befinden uns auf dem sehr geräumigen, mit Sandsteinplatten belegten Umgange der Cavate und betrachten den Chorbau, der nach Osten uns auf der vortrefflichen Abbildung entgegensteht, in seiner großartigen reinen Schönheit. Fünfzehn bis zu enormer Höhe sich emporstreckende Fenster mit zierlichem, unerschöpflich mannigfaltigem Steinhauerwerk und zwischen ihnen die noch höher in Spitzen auslaufenden Pfeiler, mit trefflichen Bildnerwerken geschmückt, bilden diesen Haupt- und schönsten Theil des Gotteshauses.
Die schöpferische Kraft der Erfindung, der Thaten- und Opferreichthum des christlichen Mittelalters, die Herrlichkeit der altdeutschen Baukunst, „der großen harmonischen Massen, zu unzähligen kleinen Theilen belebt“, treten uns da mit hoher Gewalt vor die Seele. Die erste Bestimmung aller Baukunst, einen Raum einzuschließen, scheint hier am Chor aufgehoben zu sein, denn es giebt keine Wände, sondern nur Fenster und Pfeiler nach oben strebend, wie der lichtvolle Gedanke des Christenthums. Wir werden an F. Schlegel’s schwärmerischen Ausspruch erinnert: „Die Kunst kann das Unendliche gleichsam unmittelbar darstellen und vergegenwärtigen.“
Das Lichtmeer, welches sich durch die überaus großen Fenster in das hohe Gewölbe des Innern ergießt, würde kaum zu ertragen sein, wenn es nicht durch Glasmalereien gedämpft würde. Fabeln aber immer noch neuere Romantiker von mystischem Dunkel in gothischen Tempeln, so ist diese poetische Licenz als ein Irrthum entschieden zurückzuweisen; denn es giebt keine lichtreichere Baukunst, als die altdeutsche. Die zum größten Theile ausdrucksvollen Bildsäulen der Pfeiler sind nach der Anschauung der christlichen Baukunst so aufgestellt, daß von diesen Wächtern des Gotteshauses die männlichen Heiligen die Ost- und Südseite, die weiblichen die Nordseite einnehmen, gemäß der urchristlichen Sitte, nach welcher Männer abgesondert von den Frauen in der Kirche dem Gottesdienste beiwohnten. An der Spitze der Statuen steht, symbolisch gerechtfertigt, die Patronin des Stifts, die Mutter Gottes, Maria.
An den Pfeilern und ihren untern Verbindungen sind noch schwache Ueberreste von mit Gold belegten Malereien und Aufschriften, deutlich aber die Jahreszahl 1436 zu erkennen. Unter dem Chor hin zieht sich eine geräumige Krypta. Am Ende der Cavate beim südlichen Eingänge zur Kirche beurkundet eine Inschrift, daß der Bau des Chors am 25. März 1349 begonnen. Von dieser Seite des altanartigen Vorsprungs, von dem eine zweite schmälere Treppe nach Osten zum Platze hinabführt, ist eine reizende Aussicht über einen großen Theil der Stadt, in das anmuthige Gerathal, die blauen Berge des Thüringer Waldes im fernen Hintergründe und nach den grünen Höhen des Steigers eröffnet. Von der schwindelnden Höhe der Thürme herab wird die Umsicht außerordentlich erweitert, auch durch den Hinblick auf Erfurts Umgebungen mit den bedeutenden Citadellen, der Cyriaksburg und dem Petersberge, eine ganz herrliche. An derselben Seite führen zu beiden Seiten einer Kapelle zwei Eingänge zu dem einen Garten umschließenden Kreuzgange. Dieser in seiner düstern Stille ist ein höchst interessanter und anziehender Theil des Dombaues.
Wenn man sich im Anschauen der ruhigen Größe, von der stummen Sprache des wunderbaren Steinbaues berührt fühlt, und wenn plötzlich, an einem Ostermorgen, die gewaltige laute Sprache der ehernen Zungen zu reden beginnt; wenn die großen weithintönenden Glocken den Ambrosianischen Lobgesang „Herr Gott Dich loben wir“ intoniren, so giebt es kein Menschenherz, in dem solche Klangschwingungen nicht nachzitterten.
[231] Das weitberühmte Geläute der Domkirche besteht aus zehn Glocken. Im mittleren Thurme befindet sich die sogenannte große Glocke; sie ist Maria gloriosa getauft, wiegt 286 Centner, hat 15 Ellen im Umfange bei 6 Zoll Dicke und 5 Ellen Höhe. Die lateinische Inschrift lautet übersetzt: „Zum Preise der Gönner töne ich ruhmvoll, verjage die Wetter und bösen Geister, verkünde mit heiligem Gesange den vom Volke zu beginnenden Gottesdienst. Ehrh. Won v. Kempen goß mich. 1497.“
Im südlichen Thurme hängen drei Glocken von 66, 28 und 19 Centner, im nördlichen zwei von 82 und 38 Centner Gewicht. Ferner sind noch vier sogenannte Silberglocken vorhanden.
An den Hauptfesten erheben alle Glocken der zahlreichen Thürme der Stadt ihre Stimmen zu einem Geläute, wie wir es in Deutschland kaum schöner hören. Ueber alle die lauten Klänge hinweg herrscht natürlich die Maria gloriosa mit ihrem energischen, sonoren tiefen F, das, obgleich es die Luft auf Meilen durchzittert, von wundersamer Sanftheit erklingt.
Wie durch sein Glockengeläute so ist Erfurt auch durch Orgelspiel weithin berühmt. In einem langen Zeitraume bis heute hat die Stadt, wie Thüringen überhaupt, namhafte Organisten gezogen, deren Meisterschaft überall bekannt ist. Auch der Altmeister Joh. Sebast. Bach und sein Schüler Joh. Ludw. Krebs („der beste Krebs in meinem Bache“) sind in Thüringen geboren. Ein großes Orgelwerk ertönt im Dom. Wir treten durch den westlichen Haupteingang, von dem wiederum zwei Treppen zum Domberge hinabführen, in das Schiff, um von dem Innern des Doms sogleich den mächtigsten Eindruck zu empfangen. Es eröffnet sich vor uns eine fast unabsehbare Ferne von den buntesten Lichtern erhellt. Die ungemein hohen Gewölbe werden im Schiffe von acht Pfeilern getragen, so daß ein Mittel- und zwei ansehnliche Seitenschiffe gebildet werden. Das Quergebäude dehnt sich noch vor dem Chor aus, welchen ein schönes Eisengitterwerk abschließt. Einige Stufen führen zum hohen Chor, dessen Endpunkt der Hochaltar bildet.
Der Chor mit seinem kühngesprengten Gewölbe ohne alles Stützwerk, mit den kostbaren alten Glasmalereien, welche die Architektur durch lichtes Farbenspiel beleben, gewährt den erhabensten Anblick. Die Höhe der Gewölbe ist noch weit beträchtlicher als die des Langhauses. An beiden Seiten laufen Reihen von Chorstühlen, vortreffliche Holzschnitzarbeiten, hin; nur der Altar macht, abgesehen von guten Gemälden, dem Geschmack seines Erbauers wenig Ehre. Die sämmtlichen Fenster sind durchaus mit eingebrannten, zusammengesetzten Malereien erfüllt, welche in ihren figürlichen Darstellungen zwar mangelhaft, aber mit naiver und inniger Empfindung gezeichnet, prachtvoll colorirt und ein Schatz von höchstem Werthe sind. In der Mitte des Chors steht der sogenannte Wolfram, die metallene Gestalt eines fast lebensgroßen Mannes, in den ausgestreckten Händen Leuchter haltend. Es ist dies ein werthvolles Werk des 12. Jahrhunderts und wahrscheinlich die von einem Büßenden zur Sühne dargebrachte Gabe. Ein anderes Kunstwerk der neuesten Zeit, von dem rühmlich bekannten Erfurter Buchbinder Schropp aus Holz und Pappe gefertigt und der Kirche verehrt, ist der 18 Fuß hohe Kronleuchter, ein im reichsten gothischen Styl sich aufbauender Thurm mit einer Menge Statuetten. Die Kanzel nach Schinkel’s Entwurf und der Taufstein, ein vorzügliches Werk des 16. Jahrhunderts, ziehen im Schiff unsere Aufmerksamkeit auf sich. Daselbst ist ein riesiges Wandgemälde von 1499, den heiligen Christoph darstellend, wie er das Christkind durch die Fluthen trägt, eine Art Wahrzeichen von Erfurt. Darunter steht das interessante bemalte Denkmal des Grafen Ernst von Gleichen (1227), denselben zwischen seinen beiden Frauen darstellend. Unter mannigfachen bemerkenswerthen Bildern ist das vorzüglichste, eine Madonna von Lucas Cranach, in der Sacristei geborgen. Unter den Denkmälern zeichnet sich ein von Peter Bischer gegossenes aus. Von den vorhandenen zehn Altären sind mehrere schöne Werke der Sculptur und Malerei. Den Boden des Schiffes bedecken überall Leichensteine mit metallenen Epitaphien.
Zur Geschichte des Dombaues haben sich außer den steinernen Urkunden am Bau selbst nur dürftige Nachrichten in Annalen und Chroniken erhalten.
Bonifacius, der Apostel der Deutschen, errichtete um die Mitte des achten Jahrhunderts in dem damals noch kleinen Erfurt eine Kirche, welche er zum Sitz eines Bischofs in der Person seines Amtsgenossen Adolar zwar bestimmte, die aber nach dem Märtyrertode beider Heiligen (in Friesland 755) erst in ein Kloster, dann in ein Collegienstift verwandelt wurde, nachdem Thüringen dem Erzstift Mainz in geistlichen Dingen unmittelbar untergeben worden war. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts stürzte der Bau theilweise zusammen, der Rest wurde niedergeworfen, und ein neuer weit größerer Bau begann wahrscheinlich 1153; denn das folgende Jahr wurden die Körper Adolar’s und Eoban’s beim Ausgraben der Fundamente feierlich erhoben und ausgestellt. Von den für diese Reliquien erlangten Opferspenden mag der Kirchenbau langsam weitergeführt worden sein. Die Gebeine beider Heiligen wurden in silbernen Särgen in einer Kapelle des Domes beigesetzt; im Bauernkriege bewahrte sie zu größerer Sicherheit der Rath der Stadt auf dem Rathhause, ließ jedoch später zur Zeit einer Hungersnoth aus dem edeln Metall der Särge Münzen schlagen, die den Numismatikern unter dem Namen „Sargpfennige“ bekannt sind.
Im Jahre 1225 wurde bereits die erste Orgel aufgestellt, und 1236 feierte man die Heiligsprechung der Landgräfin Elisabeth von Thüringen während zehn Tagen in festlichster Weise unter dem Zuströmen unzähligen Volkes. Eine der größten Glocken Europas, 300 Centner schwer, wurde 1251 auf den Thurm gezogen. Das Schiff der Kirche stürzte wiederum 1452 zusammen, und zwanzig Jahre später ereignete sich bereits ein neues schweres Unglück. Ein aus politischer Rachsucht an mehreren Stellen der Stadt angelegter Brand erreichte auch den Domberg, entzündete das Balkenwerk der Thürme und das Langhaus; die Glocken schmolzen, und das glühende Metall soll die breiten Stufen herabgeflossen sein.
Beim sogenannten Pfaffenstürmen und im Bauernkriege litt hauptsächlich der äußere Schmuck der Kirche; 1717 endlich zerstörte der Blitz die Thurmspitzen. Einen größeren Ruin aber brachte das Jahr 1813. General d’Alton, der französische Commandant der Festung Erfurt, zog die beiden Stiftskirchen wegen der hohen Lage und der Nähe der Citadelle Petersberg zur Befestigung der letzteren und ließ sie durch Palissaden mit ihr verbinden. Schon hierbei wurde rücksichtslose Zerstörung geübt; im Laufe der Blokade aber sind beide Gotteshäuser zu Ställen, Magazinen und Kasernen entwürdigt, und das Innere derselben mit vandalischer Rohheit gänzlich verwüstet worden.
Das Domcapitel begann 1829 hie Restauration des Innern, und 1842 wurde die neue Orgel des Meisters Hesse, aus Dachwig bei Erfurt, aufgestellt.
Wir dürfen diese Mittheilungen nicht schließen ohne ein Wort der Anerkennung für die Männer, welche seit einer Reihe von Jahren die Restauration des Aeußeren des herrlichen Domes leiten. Je langsamer diese gründliche Herstellung nach dem Maße der vom Capitel mit unermüdlicher Opferwilligkeit aufgebrachten Geldmittel vorschreitet, um so solider, geschmackvoller und harmonischer treten die neuen Theile in die Reihe der alten ein. Wir müssen uns über das bisherige glänzende Ergebniß freuen und nicht am wenigsten darüber, daß es besonders heimathliche Talente sind, die hier schaffen und wirken, und ein neues unwidersprechliches Zeugniß für die Tüchtigkeit unsers thüringischen Volksstammes ablegen. Leitende, wir dürfen wohl mit Recht sagen, inspirirende Behörde von ausdauerndster und kenntnißreichster Thätigkeit ist der Regierungs- und Baurath Drewitz; unter ihm arbeiten Pabst und Meygebauer im Bureau; dem Bildhauer Kölling und seinen Gehülfen verdanken wir die schönen Bildhauerwerke.
Mögen sie fortfahren die alten Wunden des schönen Tempels zu heilen, der mit vollem Rechte einst an der Spitze der Prachtbauten stehen wird, die anderwärts nur durch fürstliche Opfer und Beihülfe von Millionen ihrer Vollendung entgegengeführt werden konnten! Möge Thüringen den Dom als einen der ältesten Zeugen seiner bedeutenden Geschichte und die alte Hauptstadt hoch in Ehren halten, deren Ruhm noch vielen Jahrhunderten Erfurts Dom durch Glockenklang und Orgelton verkünde!