Eine Schande des neunzehnten Jahrhunderts

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Titel: Eine Schande des neunzehnten Jahrhunderts
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aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 539–541
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Eine Schande des neunzehnten Jahrhunderts.

Wenn man in Paramaribo, Hauptstadt der holländischen Kolonie Surinam in Südamerika, an dem Gouvernementsgebäude vorüber, die Grafenstraße zu Ende geht, dann erblickt man zur Linken ein, nur wenige Fuß emporragendes und ganz allein stehendes hölzernes Gebäude. Es macht einen trüben und abschreckenden Eindruck. Vorn und an der hintern Seite erstrecken sich zwei Höfe, wovon der eine mit Pallisaden, der andere mit einem Bretterverschlage umgeben ist. Hier steht man auf dem Platze, wo Tausende unserer Mitmenschen leiden, auf der Stätte, wo die Sklaven Paramaribo’s gestraft – nein, gepeinigt, gequält, gemartert werden, – auf dem Richthofe der Sklaven.

Inmitten einiger Häuser, die durch Polizeibeamte bewohnt oder als Gefängnisse benutzt werden, in welchen eine Menge Unglücklicher in Ketten schmachten, bemerkt man auf jenem Hofe zwei rothangestrichene, schon in einiger Entfernung sichtbare Pfähle über der Einfriedigung emporragen. Zwischen beiden steht ein mit einem eisernen Fußbügel versehenes Fußstück, zur Aufnahme eines dritten Pfahles bestimmt. Das ist das unheilvolle Marterwerkzeug für jene Unglücklichen. Dorthin stellt die königlich-holländische Polizei Surinams ihre Diener zur Verfügung, um die täglich durch die Bürger ausgesprochenen Urtheile ohne jegliche weitere Untersuchung und äußerst billig, gegen einen Preis von nur einem halben Gulden (ungefähr 8 Ngr.), vollziehen zu lassen.

Fast jeden Morgen und Abend kann man Sklaven und Sklavinnen, fest geknebelt und durch Polizeiagenten geführt, hier ankommen sehen. Manchmal ist der Eigenthümer, öfterer ein jugendlicher Mensch, ja auch eines seiner Kinder bei dem traurigen Aufzuge. Aus der ganzen Haltung des Letzteren schaut die Zufriedenheit über seine Rolle; seine unruhig suchenden Augen, sein trotziges, dünkelhaftes Auftreten und jede seiner Bewegungen verkünden, daß er gern die ganze Stadt zum Zeugen davon machen möchte, wie er mit seinen „verworfenen Sklaven“ umzuspringen weiß. Um den schrecklichen Anblick noch abscheulicher zu machen, benutzt man oftmals zur Transportirung der Sklaven, der Billigkeit wegen, keinen Polizeiagenten, sondern einen andern Farbigen, dessen Loos es vielleicht morgen ist, zu demselben Zwecke hierhergeführt zu werden. Der unselige Platz ist erreicht. Man klopft an das Fenster eines an der Straße liegenden Zimmers, wo der wachthabende Polizist sich aufhält und die Taue zum Knebeln und die Peitschen aufbewahrt werden. Dann wird die Pforte des Platzes geöffnet und der Zug tritt ein.

Der Sklave oder die Sklavin wird sofort gezwungen die Kleider abzulegen und behält nur einen einfachen Schurz, um die Lenden zu bedecken. Durch ein an die Hände befestigtes Tau, das an der Spitze der beiden rothen Pfähle durch zwei Einschnitte läuft, wird der Delinquent aufgezogen und bald hört man das Klatschen der Peitsche und das Angstgeschrei, das Klagen und Heulen des Dulders oder der Dulderin. Hat man den Muth einen Blick auf die Schenkel des oder der Gemarterten zu werfen, so sieht man das Blut auf den Boden rieseln.

Von ärztlicher Untersuchung ist nicht die Rede. Die Beurtheilung der Körperbeschaffenheit oder der Krankheitssymptome ist rohen und unwissenden Polizeibeamten überlassen, die nicht leicht eine bejahende Erklärung abgeben, weil, wenn die Bestrafung nicht zur Ausführung kommt, sie wenigstens 50 Cents verlieren. Und das ist für jene keine Kleinigkeit, denn ihre Besoldung ist gering. Es ist schon eine besondere Güte von ihnen, wenn sie die Exekution aufschieben, denn sie sind nicht dazu verpflichtet.

Und wer sind nun eigentlich die Richter, die diese Strafen verhängen? Es ist furchtbar: die Bestrafung geschieht auf einfache Forderung des Besitzers. Der Herr schickt eigenmächtig seine Leibeigenen so oft zur Marterstätte, als es ihm gutdünkt. Es gibt folglich in Paramaribo so viele Richter als es Sklavenbesitzer gibt, Richter, die ihre Anstellung nur der Geldsumme verdanken, die sie zum Ankauf ihrer Sklaven verwandten; Richter, die durch die holländische Polizei nach Laune und Willkür Menschen quälen lassen, nicht weil sie etwas verbrochen, sondern weil es ihnen unmöglich ist, eine gewisse Summe Geldes zu entrichten, für die sie ihre Freiheit kaufen könnten.

Keine Macht der Erde kann die armen Sklaven von der Vollziehung des gesprochenen Urtheils erretten. Sein Herr kann ihn ebensowohl für das Rechts- oder Linksdrehen des Hauptes mit 25 Streichen züchtigen lassen, als für Diebstahl und sonstige Vergehen. Der Polizeibeamte hat sich keineswegs um das geübte Verbrechen zu kümmern, sondern nur um die Körperkräfte des Sklaven hinsichtlich der ihm zudekretirten Strafe und um die Befugtheit der Person, welche sie fordert. So werden die Gouvernementsbeamten zur Vollziehung körperlicher Züchtigung erniedrigt, auch wenn sie davon überzeugt sind, daß jene ungerecht, und die niederländische Polizei gibt ihre Diener zum Martern Unglücklicher her, die sich nicht vertheidigen können, die nie gehört werden und denen selbst das Anrufen des königlichen Rechtes der Gnade, das selbst der verächtlichste Mörder beanspruchen kann, verweigert ist.

Hunderten von Dramen, das eine abscheulicher noch als das andere, kann man auf diesem verfluchten Strafplatze der Schande Hollands und des neunzehnten Jahrhunderts beiwohnen. Hier nur eine dieser Missethaten.

Lydia war eine junge, schöne Mulattin, sie gehörte einer freien Schwarzen, die wir Johanna nennen wollen. Sie verrichtete täglich bei ihrer Herrin die Hausarbeit, bereitete das Essen und hielt die Wohnung in Ordnung. Ist dies um 10 oder 11 Uhr Vormittags verrichtet, so wird sie ausgesandt, um „Arbeit zu suchen,“ d. h. 32 Cents zu verdienen, die sie dieser Johanna jeden Abend abliefern muß.

Ein „Freier,“ Franz genannt, heirathet Lydia. Er ist Bote und Reiniger in einem Landhause und hat einen ziemlichen Verdienst. Die arme Sklavin ist gerettet. Jeden Morgen, wenn sie die Wohnung ihrer Herrin verläßt, geht sie zu der ihres Gatten, ordnet seinen Haushalt, verlebt mit ihm einige sorglose Stunden und empfängt dann von ihm jene 32 Cents. Franz hat ein kleines Häuschen auf dem Platze des Herrn A., liebt seine Lydia von ganzem Herzen und ist dort mit ihr ganz glücklich, während Lydia mit einer Liebe und Treue ihm anhängt, die als Beispiel dienen könnten. Aber immer hängt über der Gatten Häupter ein drohendes Schwert. Ihre Vereinigung dauert, so lange Lydia’s Herrin sie erlaubt. Diese ist ihr bis jetzt noch unbekannt; sie glaubt, die Sklavin suche und finde Arbeit und bringe darum so regelmäßig ihre 32 Cents.

„Aber wenn sie die Wahrheit erfährt,“ seufzte eines Tages Lydia, als sie gegen den Abend hin einige selige Augenblicke mit ihrem Franz verlebte.

„Nun, wenn sie es erfährt!“ antwortete ihr Gatte, „es kann ihr doch einerlei sein, von woher sie am Abend ihr Geld empfängt, wenn Du es nur bringst.“

„Und doch, Franz, sagt mir eine bange Ahnung, daß es besser sei, ihr die Wahrheit zu verschweigen!“

„So thue es, Frau, und rechne immer auf mich.“

Lydia hatte nicht umsonst gebebt. Als sie einige Monate in dieser seligen Verbindung gelebt hatte, erfuhr ihre Herrin, mit wem sie lebe. An sich war es ihr ganz gleichgültig, mit wem Lydia ein solches Verhältniß habe und aus welcher Quelle sie die 32 Cents schöpfe. Aber sie erfuhr den Namen des Mannes und sagte eines Morgens zu ihrer Untergebenen: „Dieser Franz ist ein brutaler Mulatte. Ich höre, daß Du seine Frau bist und verlange, daß Du ihn verläßt und einen andern Gatten nimmst.“

Die Herrin war ganz in ihrem Rechte. Sklaven heirathen nicht. Die Verbindungen, welche sie schließen, können durch ihre Herren jederzeit gelöst werden, ohne daß sie gezwungen wären, darüber Rechenschaft abzulegen. Jetzt war es nur eine Laune, nichts Anderes – aber auch dann muß der Sklave gehorchen. – Lydia gehorchte nicht. Wenn auch ihre Schönheit ihr die Gelegenheit gab, auf andere Weise die 32 Cents zu verdienen – sie liebte ihren Gatten und war zu jeder Aufopferung für ihn bereit. Lydia gehorchte nicht, und somit machte ihre Herrin von dem Gebrauch, wozu sie gesetzlich befugt war. Sie sperrte eines [540] Sonntags ihre Sklavin auf 24 Stunden ohne jegliche Nahrung ein. Aber am folgenden Tage ging Lydia wieder zu ihrem Franz.

Ihre Herrin war geduldig und langmüthig. Sie ermahnte, warnte, drohete – aber Lydia schwieg zu Allem und ging täglich zu dem „brutalen Mulatten.“

Darf man sich darüber wundern, daß Johanna endlich die Geduld verlor? Wer sollte sie bei solchen „starrköpfigen“ Sklaven nicht verlieren? Es ist sonnenklar, daß Lydia, trotz des Verbotes, noch immer mit jenem Manne lebt, den sie liebt und dem sie dankbar ist, während ihre Herrin verlangt, daß sie mit einem andern lebe, einerlei mit wen, nur gerade nicht mit ihm. Das Maß ist voll. Johanna macht Gebrauch von ihrer gesetzlichen Befugniß.

Ein schrecklicher Zug naht dem Richthofe. Zwei Frauen sind es; die eine gefesselt und durch einen Polizisten geführt, die andere frei und ohne weitere Begleitung. Die eine, strahlend in Schönheit, aber zitternd vor Angst und das Auge vor Scham gesenkt, ist die unschuldige Lydia, die andere, aus deren Zügen wilde Wuth spricht, ihre Herrin Johanna, welche ganz „in ihrem Rechte“ ist. Man hat den Platz der Schmerzen erreicht. Lydia wird entkleidet; wohl versucht sie ihren wogenden Busen mit den Händen zu bedecken, aber diese werden durch rohe Henkersknechte weggerissen, fest zusammengebunden und bei den Händen wird sie am Marterpfahle emporgezogen. Ueber ihre Wangen fluthen die Thränen, flehend ruht ihr Blick auf ihrer Herrin – aber die Exekution geht vor sich. Und warum nicht? S’ist eben nichts mehr, als eine Frau, die von der ihr durch das niederländische Gesetz gegebenen Befugniß Gebrauch macht und niederländische Beamte, die dem Gesetz genügen.

Da klatscht der erste Peitschenhieb, der zweite – sofort gellt ein furchtbarer Schrei zum Himmel, das Blut strömt von zwei Frauenschenkeln herab – still, es ist schon vorüber. Das Gesetz verbietet, mehr als fünfzehn Hiebe zu geben und man sieht, mit dem fünfzehnten hört man auf.

Es ist kein Märchen, das wir erzählen, es ist eine Thatsache, die vor kaum drei Jahren in einer niederländischen Kolonie und unter dem Schutze einer europäischen, der holländische Regierung passirt ist.

Man darf Sklaven nicht mehr als fünfundzwanzig, Sklavinnen und Knaben zwischen sechszehn und vierzehn Jahren nicht mehr als fünfzehn, Mädchen desselben Alters nicht mehr als zehn Hiebe ertheilen lassen. Und doch gibt es Sklaven, die weit schwerer „gestraft“ zu werden verdienen, dennoch gibt es Sklavenbesitzer, die mit einer solchen „Kleinigkeit“ nicht zufrieden sind und für ihre Leibeigenen eine Züchtigung fordern, die weit schwerer trifft. Diesem billigen Wunsche kommt der holländische Gesetzgeber entgegen.

Der Eigenthümer, welcher glaubt, daß ein Sklave wegen Ungehorsam, Widerspenstigkeit oder anderer Fehler eine ernstere Strafe verdient, als er selbst befugt ist, ihm auf dem Richthofe aufzuerlegen, zeigt dies dem Generalprokurator an, der nach gehöriger Untersuchung der Sache den Sklaven auf dem erwähnten Platze schwerer darf züchtigen lassen.

Man sieht, das Drama, das beinahe täglich auf dem Richtplatze gespielt wird, hat mit dem, was wir erzählt, noch keineswegs die äußerste Grenze des Leidens, des Schmerzes und der Quälerei erreicht. Nicht selten werden „schwerere Strafen“ erkannt. Hier aber darf der Sklavenbesitzer nicht nach eignem Gutdünken handeln, hier ist die Vermittelung eines hochgestellten Beamten, des Generalprokurators nöthig und das ist wenigstens einige Bürgschaft. Aber man verliere dabei nicht aus den Augen, daß es hier der Herr ist, der um Bestrafung seines Sklaven nachsucht, daß es in Surinam allgemeine Regel ist, die Macht des Herrn dem Sklaven gegenüber überall geltend zu machen, daß vor Gericht das Zeugniß eines Leibeigenen wider seinen Herrn von gar keinem Gewicht ist, und daß, wenn Streit zwischen Herren und Sklaven entsteht, der letztere immer Worte gebraucht haben wird, denen eine mit seiner Unterthänigkeit streitige Deutung gegeben werden kann.

Worin besteht nun die „gehörige Untersuchung der Sache,“ welche das Gesetz vorschreibt? Wir müssen die Antwort schuldig bleiben und können nur zwei Einzelnheiten mittheilen: Erstens ist es eine der größten Seltenheiten, daß dem Sklaven dem Herrn gegenüber das Recht zugesprochen wird, und zweitens liegen Schriftstücke genug vor, die beweisen, daß lediglich einige Zeilen, eines Sklavenbesitzers ausreichen, dem Sklaven eine furchtbare Strafe zu verschaffen. Hier eins als Beispiel:

„Unterzeichneter ersucht den Herrn Generalprokurator freundlichst dem Sklaven N., Eigenthum von B., 50 Peitschenhiebe zuzählen zu lassen.

Paramaribo, den……………………… (Unterschrift).“

Darunter stand:

Fiat Bestrafung.

Der Generalprokurator der Kolonie Surinam.

(Unterschrift).“

Also weder über die Art des Vergehens, noch über die Motive, welche zur Ausführung der Strafe bestimmten, erfährt man etwas. Man wird jedoch auch solche Schriftstücke lesen können, welche die Missethat nennen. Wir sahen eins, welches 75 Peitschenhiebe für „Aufwiegelung der Sklaven“, eins, das 50 für „Brutalität“ verlangte. Häufig waren es zarte Frauenhände, die ohne Beben solche Billets geschrieben hatten.

Der „schwereren Strafen“ gibt es zweierlei, nämlich: Peitschenhiebe, aber in doppeltem oder dreifachem Maße und Geißelhiebe mit Tamarindenruthen.

Der Sklave oder die Sklavin wird an einen Pfahl gebracht, die Füße werden in eiserne Ringe geschlossen, der Mittelleib mit einem breiten Riemen festgeschnürt, und die Hände werden aufgezogen. Nun werden die Schläge mit den Tamarindenruthen verabreicht. Jeder Schlag bringt eine tiefe Wunde, das Blut spritzt umher, und nicht selten wird das Fleisch lappenweise aus dem Körper des Unglücklichen gerissen. Man kann sich kaum eine Vorstelluug davon machen, in welchem Zustande der Sklave in die Wohnung seines Herrn zurückkehrt. Wochenlang verursacht ihm das zerschlagene Gesäß die unerträglichsten Schmerzen. Der barmherzige Herr versucht dann, ihm die Wunden mit Essig, Salzwasser und andern beißenden Mitteln zu heilen. Man behauptet, daß dies durchaus nöthig sei, um den Tod oder den kalten Brand fern zu halten. Ja, es ist kaum glaublich, es gibt in Surinam Damen, die sich nicht scheuen, die zerrissenen Schenkel ihrer Sklaven zu untersuchen, um zu erforschen, ob die Tiefe der Wunde auch zum bezahlten Gulden im Verhältniß stehe, Damen, die die blutigen Glieder mit spanischem Pfeffer einreiben.

Der Ekel ergreift einem beim Anblick dieses Richthofes, aber wir müssen bitten, uns einen kurzen Augenblick noch zu folgen. Wenn wir auch das Gefühl durch die Schilderung der verschiedenen übrigen Marterwerkzeuge nicht noch mehr beleidigen wollen, so können wir Ihnen doch den Anblick dieser Peitschen nicht ersparen. Das sind nicht gewöhnliche Peitschen, von Hanf geflochten; einige sind von Rindshautstreifen, andere aus der Haut des Flußpferdes verfertigt. Aber diese Peitschen hier sind von Bromus ananas geflochten, und sind sehr stark und hart.

Wir frugen unsern Führer, woher die sonderbare Farbe dieser Peitschen rühre.

„Blut, meine Herren, Blut!“ lautete die Antwort. „Der erste Schlag mit dieser Peitsche gibt eine Wunde, als wenn sie mit einem Messer geschnitten wäre. Sehen Sie hier!“ und er zeigte uns eine andere Peitsche, die schwarz war vom getrockneten und geronnenen Blut.

Die weiteren Mittheilungen des Führers, eines Polizeibeamten, waren haarsträubender Art: „Es werden fast eben so viel Weiber als Männer zur Bestrafung gebracht,“ erzählte er, „Mädchen von vierzehn Jahren sowohl wie Erwachsene. Oft sind ihre Schenkel so weiß, daß man sie von denen eines Europäers kaum unterscheiden kann.“

„Also werden die Frauen auch immer nackt bestraft?“

„Gewiß, sonst würden die Schläge nicht ihre gehörige Wirkung thun. Oft haben wir schöne Mädchen, so weiß wie Sie, an den Pfählen hängen.“

Wir ertrugen es nicht länger. Mit Abscheu und Beben wandten wir uns ab, und wollten uns entfernen.

„Nein, meine Herren, wollen Sie nicht noch die Strafregister ansehen?“

Auf unsre bejahende Antwort wurden uns drei gezeigt. Eins derselben ist zum Aufzeichnen der körperlichen Strafen bestimmt. Die Einrichtung ist sehr einfach. Eine laufende Nummer, der Name des Eigenthümers, der Name des Sklaven oder der Sklavin, [541] das Alter der letzteren, die Anzahl der Hiebe, die Art des Vergehens – das ist Alles. Noch bündiger und einfacher ist die Eintragung in diese letzten Kolonnen. Fast immer wird die Ursache der Strafe mit einem einzigen Wort angegeben: „Pflichtversäumniß“ oder „Brutalität“ oder „Ungehorsam“ sind die drei Prädikate, die vorzüglich miteinander abwechseln. Diebstahl kommt sehr spärlich vor.

Vom 1. Januar bis zum Schlüsse des Jahres 1853 wurden laut dieses Register 507 Unglückliche, Frauen und Männer, Mädchen und Knaben, Farbige und Neger, mit Peitschen und Tamarindenruthen gezüchtigt. Ihre Richter bestanden aus Reichen und Armen, Gebildeten und Ungebildeten, Christen und Juden, Männern und Frauen. Wenn aber auch alle diese 507 Menschen dieselbe Anzahl Schläge empfingen, so war diese Strafe nicht für Alle gleich schwer. Der rohen Negerin, die seit ihrer frühesten Jugend Feldarbeit verrichtete und in der Negerhütte lebte, die zu unzähligen Malen Peitschenhiebe erhielt, der alle Gelegenheit zur Geistesbildung fehlte, wird es oft weniger kümmern, daß sie auf dem Richthofe nackt an dem Pfahl aufgezogen wird, dem wollüstigen Auge einer rohen Menge zur Schau. Wenn aber die Negerin in Paramaribo groß geworden ist, wenn sie dort zu häuslichen Verrichtungen benutzt wurde und in Folge dieses gewohnt ist, sich reinlich und sogar gefällig zu kleiden, wenn sie Bekanntschaften mit freien Leuten hat und in Beziehungen zu ihnen steht, dann wird die Strafe ihr nicht nur körperlich doppelt schmerzhaft sein, es wird sie bis in das Innerste ihrer Seele verwunden, wenn sie, wie die niedrigste Verbrecherin nach der Strafstätte geführt wird, sich dort vor aller Augen entkleiden muß und ihre nackten Glieder durch Henkershände angefaßt werden.

Und nun denke man sich ein jugendliches Mestizenmädchen, dessen Gesichtszüge, Haltung und Farbe ihre europäische Abstammung verräth; ein reizendes Mädchen, erzogen mit den Kindern ihres Herrn, welches sich auszeichnet durch Bildung und gute Sitten. Sie weiß so gut wie ihre Herrin, daß das Schamgefühl eine der schönsten weiblichen Zierden ist; ihre Ehre und ihr guter Name sind ihr Kleinodien. Durch Verkauf oder Erbschaft fällt sie in andere Hände, vielleicht in die einer Johanna. Gerade ihre vortrefflichen Anlagen und ihre Schönheit sind die Ursachen der Unzufriedenheit ihrer Gebieterin. Auch sie soll morgen nach dem Richtplatz geschickt werden. Welch eine Nacht voll Seelenleiden, schmerzhafter als die Quälereien am folgenden Tage, durchwacht sie. Und keine Macht der Welt kann dies Verhängniß von ihr nehmen. – Die Nacht voll Thränen und Verzweiflung wird vom Morgenroth besiegt, die Stunde kommt; sie wird zur Strafstätte geführt; dort werden ihre zarten Hände mit Stricken zusammengebunden, dort werden ihr die Kleider vom Leibe gerissen, dort wird sie völlig nackt den gierigen Blicken der Polizeibeamten und der erbarmungslosen Menge preisgegeben. Ist solches Seelenleiden nicht schmerzhafter als die Peitschenhiebe, die ihre zarte, weiße Haut zerreißen?

Und das Alles geschieht mit Genehmigung einer Regierung, die sich eine christliche nennt, geschieht in einem Jahrhundert und von einem Lande aus, das sich rühmt, ein „humanes“, ein „frommes“ zu sein. Das Alles ist von einem europäischen Staate gesetzlich eingerichtet und sanktionirt, dessen Organe sich spreizen, Civilisation und Bildung nach dem Westen zu tragen. Welch ein Jahrhundert!