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Eine industrielle Verleumdung

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Titel: Eine industrielle Verleumdung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 744
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[744] Eine industrielle Verleumdung. Wir erzählen unseren Lesern eine Thatsache, die, weil sie durch eine Menge Blätter gegangen, Vielen nicht neu, in ihrem Ausgange aber vielleicht doch nicht Wenigen unbekannt und deshalb noch immer geeignet ist, einen deutschen Industriezweig, der bis jetzt die Concurrenz des Auslandes siegreich bestanden, durch heimische Thorheit oder Niederträchtigkeit zu ruiniren.

Vor fünf Jahren suchte die „Gartenlaube“ (Jahrgang 1874, S. 377) das damals in Deutschland die durch ihre treffliche Modellirung besonders ausgezeichneten Waaren der Papierwäschefabrik von Mey und Edlich zu Plagwitz-Leipzig, die schon damals durch ihre großartige Production als die erste Deutschlands dastand; ein Nachtrag dazu erkannte auch die Firma A. und C. Kaufmann in Berlin als eine um diese Branche sehr verdiente an.

Seitdem hat dieser Fabrikationszweig sich auf eine Höhe emporgeschwungen, die längst den Neid Englands und Amerikas herausforderte; nur der Uebermacht und dem Weltruf des Plagwitz-Leipziger Etablissements verdankte es Deutschland, daß dieses Gebiet uns ungefährdet blieb.

Da veröffentlicht ein deutsches Blatt, die „Coblenzer Zeitung“, am 22. August die Warnung, es sei in mehreren Stücken Leipziger Papierwäsche bei einer von der Medicinalpolizei in Coblenz angeordneten chemischen Untersuchung Arsenik gefunden worden, und sofort beeilt sich die Firma A. und C. Kaufmann in Berlin, ein Circular zu erlassen mit der ausdrücklichen Angabe:

„Die Medicinalpolizei in Coblenz fand sich dieser Tage veranlaßt, eine Anzahl papierner Kragen und Manchetten aus einer großen Leipziger Fabrik chemisch untersuchen zu lassen. Das Ergebniß lautete dahin, daß diese beliebten Wäsche-Artikel einen starken Zusatz von Arsenik enthielten –“

und preist ihr eigenes Fabrikat als frei von allen gesundheitsnachtheiligen Bestandtheilen an.

So läuft diese Nachricht, einem Flugfeuer gleich, von einer Zeitung zur andern und wird mit besonderem Eifer auch von englischen, norwegischen und holländischen Zeitungen in alle Welt verbreitet. Und doch erwies schon nach wenigen Tagen sich Alles als Lüge. Die höchste Behörde zu Coblenz erließ selbst Folgendes zur Aufklärung des Falles:

„Auf die (von der Firma Mey u. Edlich) an das hiesige königliche Medicinal-Collegium gerichtete, an uns zum ressortmäßigen Befinden abgegebene Vorstellung vom 30. vorigen Monats, betreffend die in Coblenz stattgefundene Analyse von Papierwäsche, erwidern wir Euer Wohlgeboren, daß man bei der – nicht in Folge unserer Anordnung oder Anregung vorgenommenen – chemischen Untersuchung von Papierkragen in einer hiesigen Officin in einem Kragen das Vorhandensein von Arsenik zu erkennen glaubte. Eine nochmalige näher eingehende Untersuchung stellte indessen die vollständige Grundlosigkeit dieser Annahme unzweifelhaft heraus. Wir bedauern, daß durch Mittheilung des Resultates jener ersten Untersuchung seitens Unberufener an die Presse die unbegründete Nachricht von dem Vorkommen arsenikhaltiger Papierwäsche in hiesiger Stadt durch Aufnahme in mehrere Zeitungen Verbreitung gefunden hat. Coblenz, 13. September. Königl. Regierung, Abtheilung des Innern. von Laski.“

Die „Coblenzer Zeitung“, welche am 30. August einen neuen Verdächtigungsversuch gemacht, indem sie berichtet hatte, daß „die Sache zur criminellen Verfolgung“ überwiesen sei, mußte sich schließlich zum Widerruf ihrer falschen Angaben bequemen, dem man indeß, nach obigem Regierungs-Zeugniß, keinen Werth mehr beilegen kann.

Beachtenswerther sind die zahlreichen Gutachten gerichtlich vereideter Chemiker, namentlich von Dr. Pabst in Stettin, Dr. Kratschmer in Wien, Dr. Ulex in Hamburg, Dr. M. Müller in Braunschweig, Dr. R. König, Dr. O. Bach und Professor Dr. Reclam in Leipzig, ferner von Dr. Arthur Hill Hasall und Otto Henner in London, welche sämmtlich, nach strengster Untersuchung der Leipziger Papierwäsche auf Arsenik, „nicht eine Spur dieses Giftes, noch irgend eine Substanz, welche der Gesundheit nachtheilig sein könnte“, gefunden haben. Ebenso beachtenswerth sind die Aussprüche von Fachblättern, wie namentlich dem „Süddeutschen Bank- und Handelsblatt“ in München und dem „Centralblatt für die deutsche Papierfabrikation“ in Dresden. Beide deuten aus die Möglichkeit „schmutziger Concurrenz-Manöver“ hin, und letzteres empfiehlt strenge Untersuchung gegen den schuldigen Chemiker. Mögen sämmtliche deutsche Papierwäsche-Fabrikanten bedenken, daß mit der Schädigung von „Mey und Edlich“ auch ihnen das Messer an die Kehle gesetzt würde, denn die ausländische Concurrenz lauert an allen Thoren und würde den Markt der Leipziger Firma überschwemmen, ehe sie selber ihn besetzt haben. Daß der „industrielle Patriotismus“ in Deutschland noch keinerlei Sicherheit gewährt, dafür spricht erschreckend deutlich die Möglichkeit der vorliegenden „industriellen Verleumdung“.