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Eine wunderbare Werkstätte der Naturforschung

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Textdaten
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Autor: Emil Sommer
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Titel: Eine wunderbare Werkstätte der Naturforschung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 774–778
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Seismisches Labor am Vesuv
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[774]
Eine wunderbare Werkstätte der Naturforschung.

„In das Innere der Natur dringt kein erschaffener Geist,“ so lautet das bekannte, vielcitirte und für Viele so bequeme und so tröstliche geflügelte Wort – und doch wie weit ist dieser Geist schon eingedrungen in das Zauberreich der Alles belebenden Naturkräfte, wie hoch hat er sich rechnend und messend aufgeschwungen zu den leuchtenden und kreisenden Welten über uns, und wie tief ist er zugleich mit der Schärfe des Gedankens hinabgedrungen in die dunklen Tiefen und bis in das feurige Innere des Erdballes!

Mit Recht ergreift stets Bewunderung und Ehrfurcht die staunende Menge angesichts der an’s Zauberhafte grenzenden Resultate der Wissenschaft, wenn der Astronom mit wahrhaft peinlicher Genauigkeit auf Decennien und Jahrhunderte hinaus Minute und Secunde des Eintrittes einer Mond- oder Sonnenfinsterniß

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Schlundgang im Mittelpunkt des Berges.               Observatorium Palmieri’s               Der sogenannte kleine Krater.
Der Vesuv an der Mündung vor dem großen Ausbruch am 24. April 1872. Nach der Natur aufgenommen von Rob. Heck.

[776] daraus berechnet; in ganz ähnlicher Weise versucht nun heute auch der Geolog und Physiker die gewaltigen unterirdischen Ereignisse vorauszuverkünden, welche den Erdkörper in seinem innersten Marke erzittern machen. Um dies aber mit möglichster Sicherheit thun zu können, ist es nothwendig, ausdauernd und genau zu beobachten, und zwar an für diesen Zweck günstigen Punkten. In Europa bietet der Vesuv vortreffliche Gelegenheit. Der unermüdliche und gelehrte Wächter dieser nimmerruhenden Cyclopenesse ist der in neuerer Zeit so vielgenannte neapolitanische Professor Palmieri, der sich die sorgfältige wissenschaftliche Beobachtung des alten, höllischen Feuerspeiers sozusagen zur Lebensaufgabe gemacht. Bei dem letzten so verheerenden Vesuvausbruche hatte derselbe mit Bestimmtheit den Eintritt der Katastrophe zum Voraus angekündigt und verharrte während derselben, von den größten Gefahren bedroht und von glühenden Lavaströmen umfluthet, mit wahrem Heldenmuthe in seinem Observatorium, um ruhig den Gang des gewaltigen Naturereignisses zu verfolgen.

Wie es aber möglich ist, auf diese Weise als wissenschaftlicher Augur die geheimsten Launen Vulcan’s in den Eingeweiden des unheimlichen Feuerberges zu lesen, läßt sich nur begreifen, wenn man einen tieferen Blick in die innere Anlage und Ausstattung des genannten berühmt gewordenen Observatoriums näher in’s Auge faßt, wo, wie bereits erwähnt, Palmieri seine Beobachtungsstation aufgeschlagen hat, und hier mit Hülfe der ausgezeichnetsten Instrumente gewissermaßen in derselben Weise jede Regung und Zuckung des feuerspeienden Ungethüms registrirt, in welcher der Arzt am Krankenbette mit gespannter Aufmerksamkeit die Athemzüge und Pulsschläge des in Fieberhitze liegenden Patienten verfolgt. In der That umfassen die Räume dieser in ihrer Art einzigen Werkstätte der Wissenschaft eine Zusammenstellung von Apparaten, welche alles bisher auf diesem Gebiete Geleistete übertrifft und ein förmliches physikalisches Cabinet von höchstem und allgemeinstem Interesse bildet.

Das Gebäude selbst, welches schon 1844 von der neapolitanischen Regierung zur Beobachtung der mit den Eruptionen des Vesuvs zusammenhängenden Erscheinungen errichtet wurde, liegt unweit der in Schilderungen des Vesuvs oftgenannten Eremitage, zweitausendundachtzig Fuß über der Meeresfläche, auf dem Rücken eines Hügels, an dessen Abhängen schon so manches Mal der Strom der Lava sich gebrochen, ohne denselben bis jetzt überfluthet zu haben, und dessen Gipfel daher stets ein sicheres Asyl für die Pioniere der Wissenschaft blieb.[1] Das Gebäude ruht zunächst auf einem Unterbau aus soliden Gewölben; über diesen befindet sich eine Halle mit interessanten Sammlungen von Lava und sonstigen vulcanischen Mineralien, und von dort aus gelangt man sodann auf Stufen zu dem eigentlichen Observatorium. Der interessanteste Theil des letzteren ist die reiche Rüstkammer der seismographischen Apparate, das heißt derjenigen Instrumente, welche zur Markirung der vielartigen Erderschütterungen, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunktes, der Dauer, Stärke und Richtung derselben dienen. Hier tritt uns in der That eine wahre Fülle des Neuen und Bewunderungswürdigen entgegen.

Die bisher gewöhnlich angewendeten Seismographen oder Erderschütterungsanzeiger bestanden meist einfach aus einer senkrecht stehenden, oben offenen und bis zum obersten Rande mit Quecksilber gefüllten Glasröhre. Trat nun ein Erdbeben ein, so wurde das Quecksilber, ganz ebenso wie bei einem vollkommen gefüllten und plötzlich angestoßenen Gefäße, in um so größerer Menge aus der Glasröhre herausgeschleudert, je heftiger der Erdstoß war, während zugleich die Richtung des letzteren deutlich durch die Seite angezeigt wurde, nach welcher sich das ausgeworfene Quecksilber ergossen hatte.

In wesentlich vervollkommneter Gestalt findet sich dieses mehr primitive Instrument auch in dem Palmieri’schen Observatorium und zwar in Form eines hölzernen Troges, welcher zu drei Viertheilen mit Quecksilber angefüllt und rings an seinem innern Umfange unmittelbar über dem Quecksilberspiegel mit acht gleich weit von einander abstehenden Löchern (den acht Haupt- und Zwischenhimmelsgegenden entsprechend) versehen ist, welche jedoch nach außen nicht offen, sondern mit einer Schraube verschlossen sind. Im Falle einer Erderschütterung gerät nun das Quecksilber, wie man sich dies an einem mit Wasser gefüllten Zuber vergegenwärtigen kann, in Schwankung, indem es an der betreffenden Wand des Troges emporsteigt und dabei zugleich in eines oder mehrere der bezeichneten, etwas nach außen geneigten Löcher einfließt, aus denen man dasselbe alsdann mittelst der erwähnten Schrauben, wie durch einen Hahn, außen ablassen und dessen Quantität bestimmen kann. Je mehr Quecksilber unter diesen Umständen in ein oder mehrere Löcher trat, desto heftiger waren offenbar die Erderschütterungen, und ebenso läßt sich auch aus der Lage der betreffenden, mit Quecksilber gefüllt gewesenen Löcher mit Sicherheit auf die Richtung der stattgehabten Stöße schließen.

Ungleich complicirter und umfangreicher, aber zugleich auch bedeutend vollkommener ist ein anderer höchst sinnreicher Apparat, bei welchem gleichfalls das Quecksilber die Hauptrolle spielt, daneben aber auch die Elektricität ihr wunderbares Spiel entfaltet. Man denke sich eine U-förmig gebogene, an beiden Enden offene Glasröhre, deren einer Schenkel beträchtlich länger als der andere ist, während dagegen der kürzere Schenkel in seinem Querschnitte die doppelte Weite vom ersteren besitzt. Bis zu einem gewissen Punkte ist die Glasröhre mit Quecksilber angefüllt, welches daher, wie bei allen communicirenden Röhren, in beiden Schenkeln gleich hoch steht. Von oben reicht sodann ferner in jeden der beiden Schenkel ein feiner Platindraht hinein, welcher in dem kürzeren und weiteren Schenkel in das Quecksilber eintaucht, wogegen er in dem längeren nur bis nahe an die Oberfläche desselben reicht: Jeder der beiden Platindrähte ist durch einen besonderen Leitungsdraht mit einem Pole einer keinen Daniell’schen Batterie verbunden, so daß demnach die hierdurch gebildete galvanische Kette nur an einer Stelle, nämlich in dem längeren und engeren Schenkel der Glasröhre unterbrochen ist, wo der Platindraht, wie erwähnt, nicht in das Quecksilber eintaucht.

Wird nun aber Letzteres durch eine Erderschütterung plötzlich in Schwankung versetzt, so äußert sich die Wirkung hiervon in diesem engeren Schenkel naturgemäß weit stärker als in dem weiteren und kürzeren Schenkel, und steigt daher auch das Quecksilber in dem ersteren am weitesten in die Höhe, wobei es zugleich nothwendiger Weise mit der Spitze des Platindrahtes in Berührung kommt. Hierdurch wird aber in demselben Momente die Kette geschlossen und der galvanische Strom in Circulation gesetzt, welcher nun durch ein in die Drahtleitung eingeschaltetes Läutewerk, sowie durch andere, sogleich noch näher zu beschreibende, mehr telegraphische Vorrichtungen die Erdstöße signalisirt.

Jedermann hat wohl heutzutage schon Gelegenheit gehabt, in einem Telegraphenbureau die sogenannten, das Hauptorgan aller Telegraphenapparate bildenden Elektro-Magnete (in Form aufrechtstehender mit übersponnenem Drahte bedeckter Rollen) zu sehen, welche bekanntlich beim Durchgange des elektrischen Stromes magnetisch werden und dadurch den sogenannten Anker, das heißt den bei der Zeichengebung thätigen eisernen Hebel anziehen. Zwei solche Elekro-Magnete sind nun auf dem Wege der beschriebenen Drahtleitung in einiger Entfernung von einander derart angebracht, daß der durch eine Erderschütterung in Gang gesetzte elektrische Strom durch sie hindurchgehen und sie somit in Thätigkeit setzen muß. Der eine derselben zieht dabei, ähnlich wie eben geschildert, einen eisernen Hebel an, dessen anderer Arm hierdurch hemmend in das Räderwerk einer ständig gehenden Uhr eingreift und Letztere stille stehen macht, womit demnach der Moment des Eintrittes eines Erdstoßes auf’s Genaueste durch den Zeitpunkt angegeben wird, in welchem die Zeiger der Uhr stehen geblieben sind.

Eine gerade umgekehrte Aufgabe fällt dagegen dem zweiten Elektromagneten zu. In demselben Augenblicke nämlich, in welchem der erste den Gang der Uhr hemmt, setzt der andere ein zweites Uhrwerk dadurch in Bewegung, daß er das bis dahin außerhalb der verticalen Lage festgehaltene Pendel durch die Bewegung der mechanischen Hebelvorrichtung plötzlich losläßt und so in Schwingungen versetzt. Von einer durch diese Uhr bewegten Walze beginnt nun gleichzeitig ganz ebenso, wie bei den gewöhnlichen Schreibetelegraphenapparaten, ein schmaler Papierstreifen sich mit der Geschwindigkeit von drei Metern in der [777] Stunde abzurollen, während zugleich ein durch den nämlichen Elekro-Magneten angezogener Hebel einen Bleistift so lange gegen den unter ihm hinweggehenden Papierstreifen drückt, als der galvanische Strom circulirt, das heißt so lange das Quecksilber in dem engeren Schenkel der U-förmigen Glasröhre durch die Wirkung einer Erderschütterung mit dem Platindrahte in Berührung bleibt und hierdurch die Kette geschlossen hält.

Sobald dagegen die Erschütterung aufhört und in Folge dessen das Quecksilber, wieder auf sein gewöhnliches Niveau zurücksinkend, außer Berührung mit dem Platindrahte gesetzt wird, hört auch der galvanische Strom durch die so bewirkte Unterbrechung der Kette zu circuliren auf, die hierdurch entmagnetisirten Elekro-Magnete lassen machtlos ihre Anker los, und sofort zieht sich damit zugleich auch der Bleistift von dem Papierstreifen zurück, bis ein neuer Erdstoß dasselbe Spiel des Apparates erneuert und den Stift wieder gegen das Papier drückt.

Auf letzterem müssen daher, je nach der Dauer der Erdstöße, Punkte oder Striche, von leeren Stellen unterbrochen, entstehen, und da man die Geschwindigkeit (drei Meter in der Stunde), mit welcher sich der Papierstreifen abwindet und auch während der Pausen und Stromunterbrechungen fortrückt, kennt, so liefert, wie leicht einzusehen, die Länge der entstandenen Striche und Zwischenräume ein genaues Maß für die Dauer sowohl der Erderschütterungen selbst, als auch der zwischen den einzelnen Stößen verstrichenen Zeit. Jede Schwankung des Quecksilbers in der Glasröhre spiegelt sich somit augenblicklich in treuem Bilde auf dem rollenden Papierstreifen ab, der so gleichsam mit seinen Punkten und Strichen als eine telegraphische Depesche aus dem dunkeln Reiche Vulcan’s zu betrachten ist.

Um aber dem Instrumente noch eine erhöhte Empfindlichkeit zu verleihen, ist nicht blos eine solche U-förmige Röhre, sondern es sind vier derselben in Verbindung mit der gleichen galvanischen Leitung aufgestellt, von welchen die eine von Norden nach Süden, die zweite von Westen nach Osten, die dritte von Nordwesten nach Südosten und die vierte von Nordosten nach Südwesten gerichtet ist. Ein Erdstoß, mag er in der einen oder anderen horizontalen Richtung erfolgen, muß daher jedenfalls in einer dieser Röhren zum Ausdruck gelangen.

Außerdem ist, behufs weiterer Controle und Messung der Bewegungen, über jedem längeren Schenkel dieser U-förmigen Röhren ein sehr leicht um seine Achse sich drehendes Elfenbeinröllchen angebracht, über welches ein feiner Coconfaden läuft, der mit seinem einen Ende in die Röhre hineinreicht und hier einen leichten, auf der Oberfläche des Quecksilbers ruhenden eisernen Schwimmer trägt, während an seinem andern, außerhalb der Röhre freihängenden Ende ein entsprechendes Gegengewicht befestigt ist. Ferner findet sich an dem Röllchen ein feiner Zeiger angebracht, welcher bei der Drehung des ersteren einen graduirten Kreisbogen durchläuft.

Beim Eintritt einer Erderschütterung wird nun der eiserne Schwimmer in dem längeren Röhrenschenkel beim Steigen des Quecksilbers mit letzterem in die Höhe gehoben, während das Gegengewicht vermöge seiner Schwere auf der andern Seite den Coconfaden um ebensoviel nach abwärts zieht und denselben hierdurch über das Elfenbeinröllchen hinbewegt, welches in Folge dessen in Drehung versetzt wird. Zugleich wird der erwähnte Zeiger vorwärts gerückt. Der letztere bleibt, auch nach dem Aufhören der Erschütterung, in der Lage, bis zu welcher er sich bewegt hat, stehen, weil das Gegengewicht das Herabsinken des Schwimmers mit dem Quecksilberniveau verhindert, und bildet so der von dem Zeiger durchlaufene und in Graden ausdrückbare Bogen ein Maß für die Größe des betreffenden Stoßes.

Ein weiteres, gleichfalls zur Controlirung horizontaler Erdstöße dienendes Instrument von befriedigender Empfindlichkeit ist das im Folgenden beschriebene, bei welchem kein Quecksilber, sondern lediglich feste Körper zur Anwendung gebracht sind. Das Princip desselben besteht einfach darin, daß eine mittelst eines feinen Drahtes frei aufgehängte Metallkugel, das heißt also ein Pendel, nothwendiger Weise in der Richtung schwingen wird, in welcher ein Erdstoß erfolgt. Ein solches Pendel ist nun an einem feststehenden Arme derart angebracht, daß die Kugel desselben gerade im Mittelpunkte eines horizontalen hölzernen Ringes oder Kreises hängt, welcher rings an seinem ganzen Umfange von wagerechten, gleichweit voneinander abstehenden Löchern durchbohrt ist, in welchen runde Stäbchen oder Glasröhren, leicht verschiebbar, stecken, welche somit vom Mittelpunkte des Ringes, das heißt von der Kugel aus nach allen Seiten hin strahlenförmig auseinander laufen. Erfolgt nun eine Erschütterung, so muß die in der entsprechenden Richtung schwingende Kugel an eines oder mehrere dieser Stäbchen anschlagen, und sie um so weiter nach außen verschieben, je heftiger die Erschütterung war. Der Grad dieser Verschiebung giebt daher einen Maßstab für die Stärke der Erdstöße ab, sowie man andererseits aus der Lage der verschobenen Stäbchen einen sichern Schluß auf die Richtung derselben ziehen kann.

Allein auch zur Beobachtung verticaler Erderschütterungen hat Palmieri Apparate von einer Feinheit und Empfindlichkeit construirt, wie dieselben kaum vollkommener gedacht werden können. Auch hier machen sich Magnetismus und Elektricität den Zwecken der Wissenschaft in einer Weise dienstbar, daß dieselben so zu sagen als die eigentlichen Beobachter zu betrachten sind und dem Forscher fast nichts zu thun übrig bleibt, als die durch die Apparate registrirten und telegraphierten Thatsachen abzulesen, wie wir dies bereits bei dem oben geschilderten galvanischen Apparate gesehen haben, und kann daher in dieser Beziehung das nachstehend geschilderte Instrument gewissermaßen blos als eine Modification jenes Apparates bezeichnet werden, indem es in der Hauptsache ganz auf demselben Principe beruht.

Dasselbe besteht zunächst aus einer ziemlich langen, äußerst leichten Spirale von feinstem Messingdrahte (den gewundenen Springfedern in Matratzen vergleichbar), welche, circa dreizehn bis vierzehn Windungen umfassend, einen hohen Grad von Beweglichkeit und Elasticität besitzt und mit ihrem oberen Ende an einem eisernen Arme frei aufgehängt ist. An ihrem untern, freischwebenden Ende ist dagegen eine feine verticale Platinspitze angebracht, welche von oben in ein mit Quecksilber gefülltes eisernes Becken hinein und bis dicht an die Oberfläche des Quecksilbers reicht.

Vermöge ihrer Elasticität geräth aber die Spirale bei jeder äußeren, auch noch so leisen Erschütterung in lebhaft auf- und abwärtsgehende Schwankungen, wobei die Platinspitze regelmäßig mit dem Quecksilber in Berührung kommen und in dasselbe eintauchen muß. Fügen wir nun noch hinzu, daß der eiserne Arm, an welchem die Spirale aufgehängt ist, in derselben Weise, wie wir dies bereits oben beschrieben haben, durch einen Leitungsdraht mit dem einen Pole einer galvanischen Batterie und in gleicher Weise auch das eiserne, mit Quecksilber gefüllte Becken mit dem andern Pole der Batterie verbunden ist, und daß ferner dieselben Elektromagnete, wie oben, nebst den dazu gehörigen Uhren und bereits beschriebenen telegraphischen Vorrichtungen mit dieser Leitung in Verbindung gesetzt sind, so ist das Spiel des Apparates von selbst klar.

So oft nämlich ein verticaler Erdstoß die Spirale in Schwingung versetzt und hierdurch die Platinspitze in das Quecksilber eindringt, wird die bis dahin allein an dieser Stelle unterbrochene Kette geschlossen, das heißt der galvanische Strom beginnt mittelst der Leitungsdrähte von der Batterie aus durch den eisernen Arm, die Spirale und das Quecksilberbecken hindurch zu circuliren, womit zugleich die Elektromagnete in Function treten und zunächst durch ein elektrisches Läutewerke dem Beobachter den Eintritt des Phänomens signalisiren, während gleichzeitig der durch den einen Elektromagneten bewegte Bleistift die Dauer und die Unterbrechungen der Stöße genau auf dem sich abwindenden Papierstreifen in Strichen und Punkten registriert. Sobald dagegen die Erschütterung nachläßt, kehrt die Spirale mit ihrer Platinspitze wieder in ihre gewöhnliche Lage zurück, das heißt es tritt letztere aus dem Quecksilber heraus, wodurch somit in demselben Augenblicke die Kette und der Strom unterbrochen und folglich die Thätigkeit des Apparates so lange eingestellt wird, bis eine neue Erderschütterung die Platinspitze wieder in das Quecksilber eintauchen macht, und so die Brücke wieder herstellt.

Aehnlich, aber ungleich einfacher und darum natürlich auch weniger exact ist eine andere Anordnung, bei welcher gleichfalls eine Spirale, wie die oben beschriebene, frei an einem Arme herabhängt und an ihrem untern Ende statt der Platinspitze in verticaler Richtung ein Magnetstäbchen trägt, unter welchem ein kleines Gefäß mit Eisenfeilspähnen steht, welche letztere der Magnet jedoch nicht berührt, sondern blos bis dicht an deren Oberfläche [778] heranreicht. Wird nun die Spirale durch einen vertikalen Erdstoß in Schwingung versetzt, so kommt das Magnetstäbchen hierdurch nothwendiger Weise mit den Eisenfeilstäubchen in Berührung, von welchen letzteren alsdann um so mehr daran hängen bleiben, je tiefer dasselbe durch eine mehr oder weniger kräftige Erschütterung in dieselben eingetaucht wurde. Allerdings vermag dies nur annähernd einen Maßstab abzugeben; allein es liegt darin immerhin eine nicht zu unterschätzende Controle der Angaben der übrigen Instrumente, worauf es zur Vermeidung von Irrthümern hier in hohem Grade ankommt.

Einen bemerkenswerthen Gegenstand der in Rede stehenden Beobachtungen bilden außerdem die regelmäßig durch Erderschütterungen bedingten Störungen und Abweichungen in den täglichen Variationen der Magnetnadel oder mit anderen Worten der Einfluß vulcanischer Vorgänge auf den Erdmagnetismus, und ist deshalb für diesen Zweck neben den eigentlichen seismographischen Apparaten in einer besonderen Abtheilung des Observatoriums auch eine Reihe magnetischer Instrumente aufgestellt.

Professor Palmieri inspicirt sämmtliche Apparate selbst regelmäßig dreimal am Tage, und außerdem ist neben ihm stets noch ein Assistent zur Ueberwachung der Apparate anwesend, um sofort beim Schalle der Glocke des elektrischen Läutewerks nachzusehen, die gemachten Wahrnehmungen zu registriren und die Instrumente für neue Beobachtungen wieder auf ihren normalen Stand zurückzuführen.

Was nun die Leistungen der letzteren anbetrifft, so sind dieselben wirklich erstaunlich. Nicht wenig trägt hierzu allerdings die vorzügliche Lage des Observatoriums auf dem Rücken des alten, ewig kochenden und qualmenden Feuerberges bei, in dessen unterwühlten Flanken jede Bewegung, jedes Aufwallen des glühendflüssigen Erdinnern noch aus ganz enormen Entfernungen, wenn auch oft nur in leisen, kaum fühlbaren Schwingungen, nachzittert. So war zum Beispiel Palmieri bei Gelegenheit der letzten großen Eruption auf Santorin im griechischen Archipel auf Grund seiner Beobachtungen im Stande, lange bevor die Nachricht von jenem Naturereignisse nach Italien gelangt war, öffentlich zu verkünden, daß irgendwo eine unterirdische Störung stattgefunden haben müsse, und ebenso documentiren sich auch die vom Aetna auf Sicilien ausgehenden Erscheinungen und Erschütterungen regelmäßig durch die entsprechenden Veränderungen an den Instrumenten der gelehrten Warte des Vesuvs. Ueberhaupt finden erfahrungsgemäß alle vulcanischen Bewegungen in dem ganzen Bereich des mittelländischen Beckens mehr oder weniger hier ihren seismographischen Ausdruck und ergiebt sich schon hieraus zur Genüge auch die hohe praktische Bedeutung dieser ganz eigenartigen vulcanischen Beobachtungsstation.

Zu wünschen wäre dabei nur, daß dieselbe möglichst selten diesen ihren praktischen Nutzen zu betätigen und vor ernsten Katastrophen zu warnen haben möge.

Emil Sommer.



  1. Um unseren Lesern ein Bild von der Lage des Observatoriums zu geben, fügen wir diesem Artikel eine Abbildung des brodelnden Berges nach einer Skizze des Malers Heck bei, welche derselbe vor dem großen Ausbruche am 24. April in unmittelbarer Nähe der Kratermündungen aufgenommen hat.
    D. Red.