Einzug (Fontane)
(7. December 1864)
Wer kommt? wer? –
Fünf Regimenter von Düppel her.
Fünf Regimenter vom dritten Corps
Rücken durchs Brandenburger Thor;
General Roeder, General Canstein,
Fünf Regimenter, vom Sundewitt
Rücken sie an in Schritt und Tritt.
Wer kommt? wer? –
Die Achter; Hut ab, Sapperment,
Vor dem Yorkschen Leibregiment;
Schanze Neun und Schanze Drei
Waren keine Spielerei.
Allemal hoch das Leibregiment!
Wer kommt? wer? –
Hurrah, die Vierundzwanziger.
Guten Tag, guten Tag und gehorsamster Diener!
Flinke Kerle, ohne Flattusen,
Grüß Gott Dich, Görschen und Brockhusen! –
Düppel war gut, besser war Alsen, –
Die Wasserfee vom Ruppiner See.
Wer kommt? wer? –
Hurrah, die Vierundsechziger.
Hurrah, die sind wieder breiter und stärker,
Die sind schon mehr für Kolbe und Knüppel,
Conferatur Wester- und Oster-Düppel
Verstehen sich übrigens auch auf Gewehre,
Siehe Fohlenkoppel und Arnkiel-Oere
Können nichts gegen Prenzlau und Angermünde.
Wer kommt? wer? –
Füsiliere, Funfunddreißiger.
Hurrah, das wirbelt und schreitet geschwinder,
Jeder, als ob er ein Gärtner wäre,
Trägt drei Sträußer auf seinem Gewehre.
Gärtner freilich, gegraben, geschanzt,
Dann sich selber eingepflanzt,
Die flinken Berliner sind vorbei.
Wer kommt? wer? –
Hurrah, unsre Sechziger.
Oberst von Hartmann, fest im Sitze,
Hut ab und heraus die Tücher!
Keine Knattrer und bloße Verschluser
Lauter Barnimer und Lebuser;
Major von Jena ist nicht mehr dabei.
Wer kommt? wer? –
Artillerie und Ingenieur;
Elfte Ulanen, Zieten-Husaren,
Halt! Der ganze Waffenblitz
Präsentirt vor König Fritz.
Alles still, kein Pferdegeschnauf,
Zehntausend blicken zu ihm auf;
„Concedire, es war gut.“
(20. September 1866.)
Viktoria hat heute Dienst am Thor;
„Landwehr, zeig’ Deine Karte vor,
Paßkart’ oder Steuerschein,
Eins von beiden muß es sein.“
Zahlten wir Steuer bei Langensalz,
Wir zahlten die Steuer mit Blut und Schweiß““; –
„Landwehr passir’, ich weiß, ich weiß.“
Viktoria hat heute Dienst am Thor;
Paßkart’ oder Steuerschein;
Ein Paß, das wird das Beste sein.“
„„Wir haben Pässe die Hände voll,
Zuerst den Brückenpaß bei Podòll,
Nachod, Skalitz und Podkòst,
Und wenn die Felsenpässe nicht ziehn,
So nimm noch den Doppelpaß von Gitschin,
Sind allesamt geschrieben mit Blut; –““
„Garde, zeig’ Deine Karte vor,
Preußische Garde, willkommen am Ort,
Aber erst das Losungswort.“
Und als Parole ’nen neuen Reim,
Einen neuen preußischen Reim auf Ruhm;
„Nenn’ ihn, Garde!“
„Die Höhe von Chlum.“
Preußische Garde passir’, passir’.“
Glocken läuten, Fahnen wehn,
Die Sieger drinnen am Thore stehn,
Eine Siegesgasse ist aufgemacht:
Und durch die Gasse die Sieger ziehn. –
Das war der Einzug in Berlin.
(16. Juni 1871.)
Und siehe da, zum dritten Mal
Ziehen sie ein durch das große Portal;
Der Kaiser vorauf, die Sonne scheint,
Alles lacht und Alles weint.
Garde und Garde-Grenadier’:
Elisabether, Alexandriner,
Franziskaner, Augustiner,
Sie nahmen, noch nicht zufrieden mit Chlum,
– Mit ihnen kommen, geschlossen, gekoppelt,
Die Säbel in Händen, den Ruhm gedoppelt
Die hellblauen Reiter von Mars la Tour,
Aber an Zahl die Hälfte nur.
Regiment des Kaisers, Mann an Mann,
Die Siebner, die Phalanx jedes Gefechts,
„Kein Schuß; Gewehr zur Attacke rechts!“
Die sieben ist eine besondere Zahl,
Was von den Turkos noch übrig geblieben
Spricht wohl von einer bösen Sieben.
Der Himmel strömt lachende Lichter aus
„Es giebt doch noch Neues unter der Sonne.“
Gewiß. Eben jetzt einschwenkt in das Thor
Keine Linie zurück, keine Linie vor,
En bataillon, frisch wie der Lenz,
Ein Corps bedeutet jeder Zug,
Das ist kein Schreiten, das ist wie Flug;
Das macht, weil ihnen ungesehn
Dreihundert Fahnen zu Häupten wehn.
Bayern und Baden nicht zu vergessen,
Sachsen, Schwaben, Jäger, Schützen,
Pickelhauben und Helme und Mützen,
Das Eiserne Kreuz ihre einzige Zier;
Nur ein Wettstreit in den Zahlen,
In den Zahlen derer, die nicht hier.
Zum dritten Mal
Ziehen sie ein durch das große Portal;
Preußen-Deutschland fühlt ihn mit.
Hunderttausende auf den Zehenspitzen!
Vorüber wo Einarm und Stelzfuß sitzen,
Jedem Stelzfuß bis in sein Bein von Holz,
[307] Halt,
Vor des Großen Königs ernster Gestalt.
Bei dem Fritzen-Denkmal stehen sie wieder,
Sie blicken hinauf, der Alte blickt nieder;
„Bon soir, Messieurs, nun ist es genug.“