Eishandel und Eismaschinen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: G. B.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Eishandel und Eismaschinen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 87–88
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[87]
Eishandel und Eismaschinen.


Allem Anscheine nach wird der Winter des Jahres 1872 auf 1873 das gerade Gegentheil des von 1870 auf 1871 sein, und wird die Witterung in Mittel-Europa wohl eine so milde bleiben, daß es schwer, wenn nicht unmöglich werden wird, den Bedarf eines Artikels zu decken, dessen Verbrauch für Technik und Luxus in dem letzten Jahrzehnt eine colossale Ausdehnung angenommen hat.

Dieser Artikel, das Eis, wird bekanntlich außer seinem allgemeinen Gebrauch in Hospitälern schon seit langer Zeit als Kühlungsmittel zur Herstellung von Gefrornem und zur Erkaltung moussirender Getränke verwandt; eine größere, fast allgemeine Anwendung zur Abkühlung des Bieres und Wassers hat aber das Eis bei uns erst in neuerer Zeit gefunden.

Der Beginn des Eishandels datirt aus den dreißiger Jahren, zu welcher Zeit der praktische Nordamerikaner den Süden seines Continents, sowie Großbritannien und Ostindien, mit Eis zu versorgen anfing. Von da an blüht dieser Handel in ungeahnter Weise auf; die Versendungs- und Aufbewahrungsmethoden wurden immer vollkommener, und die amerikanischen Eismagazine (Eishäuser über der Erde) stehen jetzt noch unübertroffen da. Schon im Jahre 1860 beschäftigte der Eishandel allein in den Vereinigten Staaten zehntausend Personen und repräsentirte ein Capital von sechs Millionen Dollars, gegenwärtig sicher das Doppelte. Auch in Deutschland hat der Eishandel eine ganz bedeutende Ausdehnung angenommen, erinnern wir uns nur einer der neueren Gründungen, der Actiengesellschaft „Norddeutsche Eiswerke in Berlin“, deren Actiencapital über eine halbe Million Thaler beträgt, und welche eine Filiale nach Wien verlegt hat, um bei der diesjährigen Weltausstellung die österreichische Kaiserstadt mit Eis zu versehen.

Ist nun bei uns der Eisverbrauch zu Luxuszwecken, wenn dieser Ausdruck überhaupt noch anwendbar, schon ein ganz bedeutender, so steht derselbe doch in keinem Verhältniß zu dem Verbrauche von Eis zu technischen Zwecken und zwar hauptsächlich zur Bierbrauerei, zur Paraffin- und Chocoladen-Fabrikation.

Welch’ großer Nachtheil diesen wichtigen und ausgedehnten Fabrikationszweigen, besonders der Bierbrauerei, durch den Mangel an Eis erwächst, leuchtet aber jedermann ein, welcher nur einigermaßen einen Begriff von deren Herstellungsmethode hat, und so beschäftigen sich seit Decennien eine Reihe von Technikern mit der Frage, Eis in größerem Maßstabe auf künstlichem Wege zu erzeugen. Wie weit dies gelungen, soll in den folgenden Zeilen zu erläutern versucht werden.

Bekanntlich erzeugen schnell verdunstende Flüssigkeiten, wie zum Beispiel Aether, die man auf die Hand gießt, beim Verdampfen das Gefühl der Kälte. Bei dem Uebergang aus dem flüssigen in den gasförmigen Zustand nämlich muß der betreffende Körper eine bestimmte Wärmemenge aufnehmen, die er seiner Umgebung entzieht und diese abkühlt. Es benutzen dies zum Beispiel die Spanier zur Herstellung kalten Wassers. Sie bringen das Wasser in poröse Thongefäße, an deren Außenfläche die Flüssigkeit verdunstet und so die Temperatur des inwendig befindlichen Wassers erniedrigt. Aber nicht nur der Uebergang aus dem flüssigen in den gasförmigen Zustand ist mit einem Wärmeverbrauch verbunden, sondern es tritt ein solcher auch bei der Ausdehnung eines Gases ein. Umgekehrt ist die Compression eines Gases wieder mit einer Erwärmung verbunden, die sehr bedeutend sein und nutzbar gemacht werden kann, wie zum Beispiel bei dem pneumatischen oder Schlagfeuerzeug. Die Bindung der Wärme bei der Verdampfung bildet die Grundlage der Einrichtung und Wirkung der Eismaschinen.

Bekanntlich siedet nun aber Wasser bei um so niedrigeren Temperaturen, je dünner die umgebende Luft ist, so zum Beispiel auf dem Montblanc bei schon 84 Grad Celsius. Dasselbe gilt auch für den Aether und eine hierauf und auf die bei der Verdunstung des Aethers eintretende Abkühlung gegründete Eismaschine hat sich J. Harrison schon im Jahre 1856 patentiren lassen; sie bildete auf der Industrieausstellung in London im Jahre 1863 in einer von Siebe verbesserten Form einen der interessantesten Gegenstände. Der Amerikaner J. Gorrie wendete als wärmeentziehende Substanz comprimirte Luft an, welche bei ihrer Ausdehnung die erforderliche Wärme einem Wasservorrathe entzog und diesen in Eis verwandelte. Eismaschinen nach diesem Systeme werden in Deutschland in Braunschweig gebaut; dieselben haben sich auch bewährt, bedürfen aber zu ihrem Betriebe einer so bedeutenden bewegenden Kraft, daß dieselben nur für die allergrößten Verhältnisse passend und von Vortheil sind.

Die verbreitetsten Eismaschinen, welche je nach Größe fünfzig bis tausend Pfund Eis per Stunde produciren und demnach auch für den Kleinbetrieb und -Bedarf nutzbringend Anwendung finden, sind die von dem Franzosen Carré hergestellten Ammoniakmaschinen. Die sehr sinnreiche Einrichtung derselben beruht auf der Eigenschaft des Ammoniakgases, sich bei gewöhnlichem Druck bei –40 Grad C (es ist dies eine Temperatur, bei der Quecksilber gefriert) oder bei einem Druck von 6½ Atmosphären bei gewöhnlicher Temperatur zu einer farblosen Flüssigkeit zu verdichten, die unter gewöhnlichem Druck schon bei –33 Grad C., wie das Wasser bei + 100 Grad C., siedet. Solch verdichtetes Ammoniak wird mithin durch bloßes Aufheben des Druckes zum Sieden gebracht und dadurch eine bedeutende Abkühlung erzielt. Carré unterstützt die Wirkung des Ammoniaks durch eine andere hervorragende Eigenschaft dieses Gases, nämlich sein Verhalten zum Wasser, von welchem es mit großer Bereitwilligkeit schon bei gewöhnlicher Temperatur absorbirt, d. h. gelöst wird. Eine völlig gesättigte Lösung siedet schon unter 0 Grad, eine solche von fünfzehn Procent bei + 50 Grad C. Man verwendet bei der Carré’schen Maschine eine Lösung von achtundzwanzig Procent Ammoniakgehalt, da eine concentrirtere nicht versendbar ist.

Die Construction dieser Eismaschinen, welche in Deutschland zuerst und hauptsächlich von C. Kropf in Nordhausen gebaut worden sind, ist sehr complicirt, doch wollen wir versuchen, auch ohne Abbildung ein deutliches Bild einer solchen zu geben. Die Haupttheile der Maschine sind:

1) Der Kessel, welcher, stehend und nur zur Hälfte eingemauert, zur Aufnahme des wässerigen Ammoniaks und zur Entwickelung des Ammoniakgases dient. Derselbe wird durch Steinkohlenfeuer erhitzt, wobei dann alles Ammoniak gasförmig entweicht.

2) Der Condensator, in welchem sich das durch eine Kühlschlange geleitete Gas mit dem gleichfalls zum Theil übergegangenen Wasser zu einer sehr concentrirten Ammoniaklösung verdichtet.

3) Der Gefriertrog, welcher mit einer so concentrirten Lösung von Chlorcalcium angefüllt ist, daß selbige bei der erzielten niedrigen Temperatur (– 15 Grad C.) nicht gefriert.

Der Trog enthält ein System von Schlangenröhren, in welchen das condensirte Ammoniak verdampft. Es kühlt hierdurch die umgebende Chlorcalcium-Lösung ab und diese verwandelt das in eingehängten Blechkästen in sie gebrachte Wasser in circa zehn Pfund schwere Eistafeln. Das entstehende Ammoniakgas nimmt seinen Weg durch eine andere Reihe von Röhren und Gefäßen wieder zurück und wird, nachdem es unterwegs zu wässeriger Ammoniaklösung geworden, mittelst einer Pumpe vollends in den Kessel zurückgeführt. Hierauf beginnt [88] dasselbe Spiel von Neuem, und die Maschine kann somit continuirlich arbeiten und je nach ihrer Größe eine kleinere oder größere Menge Wasser in Eis verwandeln. Zur Bedienung einer Maschine, welche per Stunde fünfzig Pfund Eis liefert, ist ein Arbeiter hinreichend, doch muß eine Vorrichtung vorhanden sein, daß die beträchtlichen Mengen Kühlwasser durch eine andere Kraft der Maschine zugeführt werden. Eine solche Maschine kostet inclusive aller Zubehör fünfzehnhundert Thaler und stellt sich der Preis des Centners Eis auf siebenzehn und einen halben Groschen, bei größeren Maschinen selbstverständlich billiger, so daß bei gesichertem Absatze eine Concurrenz mit dem Natureise immerhin zu ermöglichen ist.

Wie aber schon Eingangs dieses Artikels gesagt ist, der volle Bedarf an Eis wird sich in diesem Jahre trotz aller vorhandenen Eismaschinen wohl nur zum kleinsten Theile durch in Deutschland gewonnenes Eis decken lassen, und die norwegischen und schweizerischen Gletscher werden sicher zur Abhülfe des Eismangels einen großen Antheil beitragen müssen, wahrscheinlich einen so großen Antheil wie nie zuvor.

L. im Januar.
G. B.