Erinnerungen aus dem Schleswig-Holsteinischen Kriege/Nr. 1. Ein Soldaten-Diner

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Autor: A. Baudissin
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Titel: Erinnerungen aus dem Schleswig-Holsteinischen Kriege/Nr. 1. Ein Soldaten-Diner
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aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 137–139
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Erinnerungen aus dem Schleswig-Holsteinschen Kriege.

Von A. Baudissin.
Nr. 1.
Ein Soldaten-Diner.

Das dritte Schleswig-Holsteinsche Jägercorps lag nach der Schlacht bei Idstedt längere Zeit am Bissensee im Bivouac und erfreute sich nach den großen Verlusten, die es bei Idstedt erlitten hatte, einer besonders angenehmen Ruhe in der sandigen, magern und elenden Gegend des Bissensee’s.

Im Norden liegt das Dorf Breckendorf, welches von unsern lieben Freunden, den Dänen, täglich heimgesucht wurde, so daß zuletzt kein Halm Stroh, kein Huhn und kein Pfund Butter in dem großen Dorfe zu finden war. Wir beschlossen, diesem Wohlleben der Dänen ein Ende zu machen, und schickten jeden Morgen vor Tagesanbruch eine Compagnie Jäger nach dem so schwer geprüften Dorfe und hatten mehrmals das Glück, einer dänischen Fouragir-Colonne ein Gericht blauer Bohnen auf den Pelz zu brennen. Dies reizte nun wieder den Major des dänischen Bataillons, der uns zunächst commandirte, und es entspannen sich allmählich Tag für Tag kleine Gefechte in und um Breckendorf, die indessen zu nichts führten und den Vorrath der Lebensmittel auch nicht vergrößerten. Wir waren allmählich an diese Scharmützel so gewöhnt, daß es uns ging wie dem Wassermüller, der aus dem Schlafe erwacht, wenn seine Mühle steht. Wenn wir des Morgens aus unserm Strohlager erwachten, Mäuse und Hamster vertrieben und Kaffee tranken, so fehlte uns etwas, wenn wir es in Breckendorf nicht knallen hörten, und es wurden Bemerkungen laut, wie: „Es ist zu langweilig! Nicht einmal schießen hört man heute! Sollte der Major nicht ’mal Lust spüren, auszurücken? Was ist denn in Breckendorf los? es fällt ja kein Schuß! Es ist zum Verzweifeln!“

Wir mochten ungefähr sechs Wochen lang so zwischen Vergnügen und Langeweile, Gefechten und Nichtsthun verlebt haben, als wir auf den Einfall kamen, unserm Major ein „dîner fin“ zu geben. Mit fabelhafter Energie wurde das Project betrieben, und der Hauptmann von B., der von allen Officieren die schönste Hütte besaß, übernahm es, den Tisch zu besorgen. Von Morgens früh bis spät in die Nacht wurden fuderweise Epheukränze gewunden, Moos und Eichenlaub wurde herbeigeschafft, künstliche Sessel wurden bereitet, und als Krone des Luxus wurde aus Breckendorf eine Fensterscheibe herbeigeholt, die, künstlich in Moos und Epheu eingefaßt, über dem Platze thronte, wo unser Major sitzen sollte. Es war in der That ein niedliches Zelt! Alles war so geschickt und hübsch eingerichtet, daß wir anfingen, von uns selbst eine hohe Meinung zu bekommen und das Naturleben der rohen Völker in Amerika als etwas Idyllisches zu betrachten.

Wir schickten unsere Fouriere nach Rendsburg und ließen Cigarren, Wein, Punschessenz, Kaffee, Zucker, Austern und Citronen herbeibringen. Da diese Sachen leider nur für baar Geld zu haben waren, wir aber – wie alle Soldaten – kein Baargeld führten, so mußte uns der Zahlmeister Vorschüsse machen, was er aber erst dann that, als wir ihn feierlichst zu unserm „dîner fin“ eingeladen hatten. Ein Lieutenant M. aus Westphalen hatte ein Auge auf die Tochter eines reichen Pächters in der Nachbarschaft geworfen und bestand darauf, daß die ganze Pächterfamilie eingeladen werde, damit ihm endlich Gelegenheit geboten würde, das Siegel seines Herzens zu lösen und der schönen Marie unter vier Augen zu gestehen, daß er nicht abgeneigt sei, sich bei den Fleischtöpfen ihres Herrn Vaters häuslich niederzulassen. Der Vorschlag wäre durchgefallen, wenn nicht ein Jeder von uns ein Lottchen, Hannchen, Minchen oder Trinchen gekannt hätte, und es wurde somit endlich beschlossen, daß Jeder seine Herzenskönigin nebst Familie einladen dürfe, vorausgesetzt, daß die Eingeladenen Eß- und Trinkwaaren mitbringen würden.

„Tractiren wollen wir nicht,“ sagte ein alter Oberlieutenant, der längst sein Trinchen heimgeführt hatte und dem die jugendlichen Gefühle seiner Cameraden etwas antiquirt erschienen, „tractiren wollen wir nicht; wenn die guten Leute aber etwas Gutes mitbringen, so mögen sie willkommen sein. Ich verderbe kein Fest, nur gegen das Tractiren habe ich einen Widerwillen, den ich mit in’s Grab nehmen werde.“

Nachdem also die Sache soweit in Ordnung war, wurden Briefe geschrieben an Meier, Schulze, Müller, Schmidt und Hansen, und in den höflichsten Ausdrücken wurde das Ersuchen gestellt, daß „die verehrten Herren mit ihren werthen Damen“ uns die Ehre ihrer Gegenwart schenken und am 12. August, Mittags zwölf Uhr ein Soldatenfrühstück im Lager am Bissensee einnehmen möchten. Da nun die Minchen und Trinchen, Lottchen und Hannchen ihrerseits einen August, Wilhelm, Theodor und Fritz hatten, und da ein gutmüthiger Pächter seiner pausbäckigen, heirathsfähigen Tochter nicht gut eine Bitte abschlagen kann, so erhielten wir auf unsre höflichen Einladungen höfliche Zusagen. – Die Aufregung unter den jungen Officieren war groß.

„Wenn Hannchen morgen kommt, so sprich Du recht viel mit ihrem Vater,“ bat M.

„Führe Lottchens Vater hier im Lager herum, wenn Du siehst, daß ich mit meinem Taschentuche winke,“ bat Lieutenant K.

„Du könntest mir wohl den Gefallen thun, Minchens Vater etwas anzusäuseln,“ flehte der junge Lieutenant W.

Trinchen’s Vater hat noch keine Kanonen gesehen, zeige sie ihm doch morgen, ich thue Dir auch einen Gefallen,“ wisperte Lieutenant B., indem er mir krampfhaft den Arm drückte. – Ich machte die ganze Nacht vor dem dîner fin kein Auge zu. Meine Cameraden erzählten mir um die Wette ihre Liebesaffairen von A bis Z; M. kratzte sogar auf der Guitarre, diesem Seufzerkasten aller Verliebten, und sang mit seiner krähenden Stimme hinaus in die Sternennacht: „Steh’ ich in stiller Mitternacht so einsam auf der stillen Wacht.“ Der alte Oberlieutenant schüttelte ärgerlich den Kopf und meinte: „Alles will ich mir gefallen lassen, nur das Klimpern auf dem Winselholz nicht.“

„Und das Tractiren nicht,“ rief M.

„Und das Tractiren nicht,“ fügte er hinzu. „Ihr kriegt die Mädchen doch nicht, das ist noch das einzige Glück bei der ganzen Geschichte, darum habt Erbarmen und macht mich mit Eurem Verliebtthun nicht melancholisch; es ist ja doch nichts, als reiner Larifari!“

So verging unter Liebesseufzern, Flohstichen, Mäuse- und Hamsterbesuchen die Nacht, und in niegesehener Glorie hob sich die [138] Sonne am 12. August aus ihrem Nachtlager, um das Festzelt am Bissensee zu betrachten und mit ihren Strahlen zu vergolden. Die Officiere verwendeten unendliche Zeit zum Anziehen; die reinen Hemden wurden aus den Koffern im Bagagewagen herbeigeholt und der muffliche Geruch derselben wurde mit Eau de Cologne, so weit thunlich, vertilgt. Haaröl war leider wenig vorhanden, daher wurde trotz der eifrigen Protestation des alten Oberlieutenants eine Flasche Salatöl geopfert, und wir erglänzten Alle in nie gesehener Pracht. Besonders M. war wie ein Oelgötze so blank. Er wiegte sich in den Hüften, spielte sinnend mit einer Lorgnette, zupfte Tausendschön und Gänseblümchen zwischen den Fingern und verschmähte es, eine Cigarre zu rauchen, weil Marie den Geruch nicht leiden mochte.

Die Delicatessen wurden ausgepackt. Ein furchtbar schöner Anblick! Der Oberlieutenant stand mit den Händen in der Hosentasche am Tische und las mit Heißhunger die Vignetten der verschiedenen Flaschen, Schachteln, Krüge und Gläser. „Ananas! B., Sie sind ein Gott! Ananas! himmlische Gerechtigkeit, ist es Wahrheit oder Dichtung? träume ich, oder bin ich bei Sinnen? Ananas und Austern! Sie haben doch genug Austern? Sonst schicken wir lieber nochmals nach Rendsburg. Ich will meine Uhr versetzen, wenn es nöthig; wir wollen uns heute nicht lumpen lassen; nein, hole mich der Teufel, B., nur nicht lumpen lassen!“

„Komme doch, komme doch, komm, Du Schöne!“ flötete M.

„Herrrrjeses,“ schrie der alte Oberlieutenant, „Mensch, Freund und Kupferstecher, wie können Sie bei diesem Anblick da solch dummes Zeug herbrüllen!“

„Dein ist mein Herz,“ entgegnete M., indem er seinen Arm um den Leib seines Freundes schlang, „Sie sollen meine Portion Caviar haben, aber dann lassen Sie mich auch singen.“

„Caviar? Caviar?“ rief der Alte, indem er M.’s Hand preßte. „Goldjungen, die Ihr seid, mein Lieblingsessen! Caviar? Hört, Kinder, laßt mich ihn einmal versuchen, ob er auch gut ist. Was? Blos eine Messerspitze voll! Soll ich, B.? Ja?“

„Gott bewahre!“ rief B., „das wäre ja gegen die Kleiderordnung. Auch nicht daran riechen dürfen Sie. Geduld!“

„Es ist recht so,“ stöhnte der Alte, „na, wie spät ist es denn schon?“

„Elf Uhr,“ entgegnete M., „in der nächsten Stunden Schooße liegt das Schicksal einer Welt. Hurrah, da kommt schon ein Wagen.“ – Und so war es. Ein Wagen voll junger Mädchen erschien am Rande des Waldes, zwei, drei, vier Wagen folgten hinterdrein. Welch’ ein Anblick, so ein holsteinischer Wagen, von zwei dicken, fetten Dithmarser Pferden gezogen, den alten Kutscher in seinen Sonntagskleidern auf dem Kutschersitze, die Meerschaumpfeife mit der Perlenschnur unter der rothen Weste hervorguckend.

In langsamem Trabe nahte sich die Karawane, und als sie endlich anhielt – ja, wer beschriebe diese Scene ? Die alten Herren quetschten mit ihren Händedrücken unsre Finger, die Mama’s blickten uns mit ihren blauen Augen so unverwüstlich gutmüthig an, die Töchter waren so bodenlos verschämt und lächelten so riesig naiv, daß man aus Mitleid mit den armen Dingern hätte vergehen mögen. Der Ach’s und der O’s über diesen „reizenden Platz“ war kein Ende, das „Wetter war so schön“, „so hätten sie sich’s doch nicht gedacht“ und „so gemüthlich, wie wir uns eingerichtet hätten“, waren die Thema’s, über welche in der nächsten Stunde geplaudert ward.

Indessen trugen die Kutscher aus den Wagen unendliche Quantitäten von Lebensmitteln und stapelten sie in der Nähe des Zeltes auf. Der alte Lieutenant kam mit Thränen in den Augen zu mir, zog mich einige Schritte abwärts und sagte: „O Hauptmann – sie haben Gurkensalat und kalten Entenbraten mitgebracht.“

„Sonst nichts?“ fragte ich.

„Sonst nichts? Ist das nichts? Rothe Grütze, Kuchen, Torten, Gänse-, Enten-, Hühner-, Reh- und Hasenbraten, Fische gebraten, gesotten und in Gelée, Eistorten, Chocolade, gekochte Krebse, geräucherten Aal, Heringssalat einen Eimer voll! O! es sind Mordkerle, diese Pächter, es ist der schönste Tag meines Lebens! Na, ich sage Ihnen, ich will aber heute einen Zungenschlag entwickeln, der soll gut sein.“

Dabei liebkoste er seinen Schmeerbauch und blickte in die Zukunft, wie Einer, dem es nie fehlschlagen kann.

Der Major war indessen erschienen und hatte mit seiner liebenswürdiger Höflichkeit die Gäste willkommen geheißen. Die Pächter beeilten sich, dem allgemein bekannten und geachteten Commandeur ihre Hochachtung zu beweisen, und die jungen Officiere hatten einen Augenblick Gelegenheit gehabt, mit den jungen Damen Blicke und Händedrücke zu wechseln.

Als B. die Gruppen richtig vertheilt sah, meldete er, daß der Tisch gedeckt sei, und der Major führte eine dicke, fettstrahlende Pächtersfrau an den Platz, wo die Fensterscheibe paradirte. Ich nahm M.’s künftige Schwiegermutter und wußte mich so mit ihr zu placiren, daß ihr Ehegatte den verliebten Lieutenant und sein ebenso verliebtes Mariechen nicht zu Gesicht bekommen konnte.

Ein dankbarer Blick von M. war mein Lohn. Der alte Lieutenant hatte sich nicht mit einer Tischdame „behaftet“, er saß am obern Ende, von wo aus er den ganzen Tisch mustern konnte. Ich habe ihn nie so selig lächeln sehen.

Suppe hatten wir keine, es ging daher gleich über Braten und Compote her. Die Schlacht sollte mit Hühnern anfangen und mit Austern aufhören; die Hühner lagen in Petersilie in den Schüsseln und hielten ihre Herzen und Lebern zwischen den Beinen; sie dufteten so schön, ach so schön, daß ich noch nicht begreifen kann, wie der Unhold von einem Adjutanten in gestrecktem Galopp an das Zelt reiten und laut ausrufen konnte: „Der Major des dritten Jägercorps!“

Der Major erhob sich, empfing eine schriftliche Ordre. Einen Augenblick tiefe Stille. Dann tönte des Majors laute Stimme:

„An die Gewehre!“

Und an unsre Gäste sich wendend, sagte er: „Die Dänen rücken an, sie haben die Mühle bei Stenten genommen, wir müssen vorgehen. Auf Wiedersehen!“

Binnen fünf Minuten erschollen die Commando’s: „Ueber das Gewehr! In Sectionen vom rechten Flügel abmarschirt! Ohne Tritt, Marsch!“

Wir zogen rasch vorwärts, denn es begegneten uns schon Wagen mit Verwundeten. Adjutanten und Ordonnanzen ermahnten unaufhörlich zum raschen Marschiren, und als wir die Höhe von Stenten erreichten, da sahen wir das zweite Jägercorps langsam einer Uebermacht der Dänen weichen.

„Rechts das Gewehr! Trab, Trab, Jungens!“ rief der Major. „Haltet gut Ordnung, Kinder, Trab, Trab!“

Wie ein Gewitter stürzte sich das dritte Jägercorps in’s Gefecht, die Dänen zogen sich zurück und hielten die Mühle bei Stenten besetzt, von wo sie mit 4 Geschützen und gegen 1000 Mann auf die Schleswig-Holsteiner feuerten. Die Mühle lag auf einem schmalen Damm, mitten in einem kleinen See und war durch die Feigheit eines Hauptmanns vom zweiten Jägercorps an die Dänen verloren gegangen. Der Major von E. klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Nehmen Sie die Mühle schnell, ehe das zweite Jägercorps sich sammelt.“

Ich hatte bei meiner Compagnie einen schwedischen Officier, Premierlieutenant L., den verwegensten Mann, den ich je gesehen habe. Er riß sein Käppi vom Kopfe, als er den Befehl zum Angriff hörte und rief laut: „Gud forbanda de Danska.“ Ich nahm ihn, einen östreichischen Officier, Lieutenant, und alle Freiwilligen an die Spitze der Compagnie und ließ im Paradeschritt vorrücken. Plänkeln und Schwärmen konnten uns nichts helfen; nur ein geschlossener Angriff konnte uns in Besitz der Mühle setzen. Meine braven Jäger sangen während des Vorgehens: „Der Hauptmann, er lebe!“ – und schritten mit geschultertem Gewehr auf den Damm zu. Eine furchtbare Salve empfing uns.

„Zum Angriff das Gewehr!“ rief ich meinen Leuten zu.

„Schießt erst, wenn wir in der Mühle sind. Trab!“

In diesem Augenblick ritt ein Stabsofficier an mich heran und fragte: „Haben Sie viel verloren?“

Ich kannte den Officier nicht, erwiderte daher kurz: „Ich glaube es nicht, habe mich übrigens nicht umgesehen.“

Da rief plötzlich ein Freiwilliger aus Frankfurt, Namens D.: „Das ist Heinrich v. Gagern!

Ein Hurrah, wie es wohl selten ertönt haben mag, begrüßte den edlen Mann, der in schleswig-holsteinischer Uniform sich an die Spitze der Sturmcolonne setzte. Wie wir an die Mühle kamen, das weiß ich nicht. Wir stürzten jubelnd vorwärts, und als wir die Mühle erreichten, da sprangen die Dänen aus Fenstern und Thüren zu Hunderten heran.

[139] „Feuer! Feuer!“ riefen die Officiere. Ein Schrei, der auf unsre Salve folgte, bewies, daß wir getroffen hatten. Die Dänen flohen wild vor uns über die Haide, wir hinterher. Die Jäger warfen Käppi’s, Gewehre und Hirschfänger, Alles, was sie im Laufe hindern konnte, von sich und verfolgten die fliehenden Dänen, von denen sie manchen mit den Händen ergriffen. Ich habe nie eine größere Aufregung unter Menschen gesehen, als an dem Tage herrschte, von welchem ich hier erzähle. Ein preußischer Militär sagt in seiner Abhandlung über den schleswig-holsteinischen Krieg, daß W. seine Truppen nicht zu beurtheilen verstand, weil er an jenem Tage nicht Schleswig erstürmte. Er verglich den Angriff der Jäger mit dem der französischen Garde bei Waterloo. Ich glaube, daß unsere Truppen bei Stenten einen fünffach überlegenen Feind vor sich hatten; sie warfen sich mit solcher Wuth und ohne einen Schuß zu thun, auf die Dänen, daß diese beim ersten Angriff zurückprallten und erst dann wieder zum Stehen kamen, als unsere Nachtmütze von einem General „Hahn in Ruh“ blasen ließ.

Es war ungefähr sechs Uhr Abends, als das dritte Jägercorps wieder versammelt war. Die Leute standen lachend und schwitzend bei den Gewehren, die Officiere sprachen mit dem Major, der freudestrahlend seine „Kinder“ lobte und den General tadelte, weil er uns nicht vorwärts marschiren lassen wollte.

„Wenn wir nur bald abmarschirten,“ sagte der alte Lieutenant, „damit wir doch Abendessen vorfänden. Mir soll’s heute Abend nach der verfluchten Laufpartie doppelt schmecken! Herrgott von Mannheim! habe ich einen Hunger.“

M. hatte einen Streifschuß am Arm erhalten und freute sich auf Mariechens Pflege; T. war durch den Arm geschossen, grinste aber vor Vergnügen, weil er den „Forbanda de Danska“ durch und durchgerannt hatte; sonst war keiner von uns verwundet, und auch von unsern Leuten waren sehr wenig leicht verwundet. Wir konnten uns aber über den Ausgang des Gefechtes doch nicht recht freuen, denn erstens war es nutzlos gewesen, wie alle unsere Kämpfe, und zweitens das Dîner fin! – Was war aus den Pächtern, den Mama’s, den Minchen und Trinchen geworden? Wie befand sich der Caviar? Wo waren Hühner- und Entenpasteten? Wo war Wein und Ananas? Hielten die reizenden Pausbäckchen Wache bei unsern Schätzen, oder war ihnen Uebles widerfahren? Lauter Fragen, die wir Alle stellten und die Niemand beantworten konnte.

Endlich gegen 7 Uhr erhielten wir Befehl, wieder in unser Bivouac zu marschiren. Hungrig und durstig, wie wir waren, legten wir den Weg nach Bissensee schnell zurück, immer ängstlich nach vorn lugend, ob wir nicht einen Blick auf unser Heiligthum werfen könnten; aber es ward dunkel, bevor wir unsere „Heimath“ erreichten, und als wir sie erreichten, was fanden wir da?

Die Bauern von Breckendorf, des langen Fastens müde, hatten sich an den Bissensee begeben und nach kurzem Proceß mit den Pächtern und deren „verehrten Familien“ eine heillose Razzia angestellt, so daß auch nichts, sage gar nichts von unsern schönen, wunderschönen Delicatessen nachgeblieben war. Ja, wenn nur Brod, oder Erbsen, oder Bohnen dagewesen wären; aber nichts, partout nichts war zurückgelassen, als der Epheukranz; sogar die Fensterscheibe war von ihrem egoistischen Besitzer wieder abgeholt worden. Was sollten wir anfangen? Etwas muß der Mensch essen, wenn er hungrig ist, das lehrt die Erfahrung. Wir zogen daher auf Raub aus, melkten die Kühe auf einem nahegelegenen Gute, stahlen Kartoffeln und schossen einen Schafbock, den wir nachher nicht essen konnten, weil er zu polizeiwidrige Düfte gen Himmel sandte.

„Singen Sie doch,“ spöttelte der alte Oberlieutenant. „Singen Sie doch, Herr M.“ – „Ja,“ antwortete dieser, „tractiren Sie doch! wie hat die Messerspitze voll Caviar geschmeckt? He?“