Zum Inhalt springen

Etwas von der schwarzen Schaar

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Etwas von der schwarzen Schaar
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 591–595
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[591]

Etwas von der schwarzen Schaar.

Ein Blick auf die deutschen Artillerie-Schießplätze.
Mit Abbildungen von Paul Heydel.

„Kanonendonner ist unser Gruß;
Wir sprechen mit Mörserblitzen.
Bald sind wir zu Pferd, bald sind wir zu Fuß,
Doch stets bei unsern Geschützen,
Und wenn der Kartätschenhagel kracht,
Nehmt euch vor dem schwarzen Kragen in Acht!“

     (Aus einem alten Soldatenliede.)


Das alte Soldatenlied hat auch heute noch Recht, ja vielleicht mehr Recht, als in jener entlegenen Zeit, in welcher das Lied entstand und in der die nunmehr in Arsenalen oder auf entlegenen Festungswällen langsam verrostenden „Feldschlangen“ und „Basiliske“ dem ungenannten kriegerischen Dichter einen gelinden Respect und eine nicht unbedeutende poetische Begeisterung einflößten. Ist doch, dank den modernen Fortschritten, die Wirkungsfähigkeit unserer Geschütze so gewaltig gesteigert worden, daß man mit ihnen in wenigen Stunden große Städte, wie weiland Alexandrien, völlig zusammenschießen kann, und daß der Wucht ihrer Geschosse selbst dicke Panzerplatten nicht zu widerstehen vermögen. Freilich ist diese Wirkungsfähigkeit nicht allein dem vortrefflichen Kriegsmaterial der Neuzeit, sondern zu einem guten Theile auch der vorzüglichen Ausbildung der Artilleriemannschaft im Frieden zuzuschreiben.

Nur Wenigen dürfte es aber bekannt sein, mit welcher Sorgfalt die Ausbildung der Artillerie betrieben wird, und wir laden daher unsere Leser zu einem wenn auch nur flüchtigen Besuche der großen Schießplätze ein, auf welchen deutsche Kanoniere im Kriegshandwerk geübt werden. Wir können dem donnernden Treiben, welches sich dort vor unsern Augen entwickelt wird, mit um so größerer Theilnahme folgen, als wir sicher annehmen dürfen, daß die Schlünde der deutschen Kanonen sich nie auf halbwehrlose Städte richten werden, um etwaige Raubgelüste zu verwirklichen, sondern daß sie immer drohend dastehen werden, um die Grenzen des Reiches vor feindlichen Uebergriffen zu schützen und den Frieden zu hüten.

Auf also mit der „schwarzen Schaar“! Begleiten wir einmal eine Truppe, die im Regimentsverbande auf dem Schießplatze einrückt, um eine mehrwöchentliche Uebung abzuhalten! Aber nach welchem Schießplatze soll es gehen? Da gerathen wir schier in Verlegenheit. Es giebt jetzt in Deutschland mehr als sechszig Artillrieregimenter, und da hat wohl ein jedes seinen Schießplatz? Nun, die Auswahl wäre nicht so leicht. Doch nein! Die Verhältnisse liegen für einen Berichterstatter viel günstiger. Die Artillerieschießplätze müssen wegen der großen Tragweite der modernen Geschütze, die manchmal über eine deutsche Meile beträgt, sehr groß sein, und da der Grund und Boden selbst auf wüsten Landstrecken und in Haidegegenden doch einen gewissen Werth darstellt, so würde es recht kostspielig sein, wenn man jedes Artillerieregiment mit einem besonderen Schießplatze versehen wollte. So hat man denn mehreren Regimentern je einen Schießplatz zur gemeinsamen Benutzung angewiesen, und die Gesammtzahl derartiger Plätze beschränkt sich im deutschen Reiche auf etwa ein Dutzend. Da wäre die Auswahl schon viel leichter. Sollen wir uns nun etwa nach Itzehoe in Holstein, nach Darmstadt, nach Wahn oder nach Zeithain in Sachsen begeben, Ortschaften, in deren Nähe die bekanntesten Schießplätze liegen? Nein! Jeder dieser Schießplätze hat zwar seine besondere Eigenthümlichkeit, aber zeigen wir dem Leser nur einen dieser Schießplätze, so wird er Manches, was sehenswürdig und belehrend ist, nicht erfahren. Wie sollen wir dem abhelfen?

Nun, wir stellen uns für unsere Zwecke einen Schießplatz zusammen, der zwar in seiner Gesammtheit nirgends auf der Erde zu finden sein dürfte, dessen Einzelnheiten aber doch durchaus der Wirklichkeit entsprechen, indem sie bald auf diesem, bald auf jenem unserer Artillerieschießplätze vorkommen. Der Maler, der uns begleitet, hat in ähnlicher Weise gehandelt; er hat hier und dort seine Skizzen gesammelt und sie dann zu kleinen, recht instructiven Gesammtbildern vereinigt. Also, marsch! Auf nach unserm imaginären und doch wahrhaftigen Schießplatze!

Zu Fuß etwa? Nein, da wäre der Marsch zu anstrengend; [592] so müssen wir mit in den Militärzug einsteigen, welcher Mannschaft, Pferde und etwaiges Kriegsmaterial nach dem Schießplatze befördern soll.

„Wie lange fahren wir denn noch?“ fragen wir auf einer Station. Da erhalten wir gleich die Antwort.

Es tritt ein Unterofficier an das Coupé heran und macht die Mannschaften darauf aufmerksam, daß auf der nächsten Station ausgestiegen wird und daß sie sich hierzu bereit halten sollen. Demzufolge werden die Mützen in die gerollten Mäntel gesteckt, die Röcke zugeknöpft, die Helme aufgesetzt, die Tornister zur Hand genommen. Die Büchse war natürlich während der Fahrt nicht aus der Hand oder dem Arm genommen.

Auf dem Artillerieschießplatze: Lagerbelustigungen.

Jetzt hält der Zug auf einem Nebengeleise; die Wache verläßt zuerst den Wagen, und nun ertönt das Signal: „Aussteigen!“ Noch ein kräftiger Zug aus der Pfeife, die nunmehr in den Brodbeutel wandert, und rasch steigt Alles aus. Bald sind auch die Pferde und das Material ausgeladen, und sofort wird der Marsch nach dem nicht mehr weit entfernten Lager angetreten. Unter Sang und Klang natürlich, nach echter und rechter Soldatenart!

Auf dem Artillerieschießplatze: Nachtschießen mit Fünfzehncentimeter-Kanonen (Vierundzwanzigpfünder) aus einer Belagerungsbatterie.

Wer da gedacht hat, er werde in dem Lager auf dem Schießplatze nur ein paar elende Hütten finden, die kaum Schutz gegen Wind und Wetter gewähren, der muß sich eines Besseren belehren lassen. Es ist ja eine förmliche kleine Militärstadt, die da vor unseren Augen liegt; wohl an 2000 Mann mit der entsprechenden Anzahl von Pferden vermag sie Unterkunft zu geben. Da giebt es rechtwinklige Straßen, die das Lager in verschiedene Quartiere eintheilen, und die Namen der Straßen, die klingen recht gut für jedes deutsche Ohr: Sedan-, Wörth-, Moltke-Straße etc. Da finden wir auch ein freundliches Officierscasino, wie es unser Maler auf dem hübschen Initial an der Spitze unseres Artikels abgebildet und dessen Skizze er sich in dem Lager von Zeithain geholt hat. Auch die Baracken für die Mannschaften sind recht sauber und wohnlich; sie weisen zwar keinen besonderen Comfort auf, bieten aber durchaus eine menschenwürdige Unterkunft – und so muß es auch sein: das Volk zahlt ja gern die Steuern für unser Militärbudget.

Doch die knapp zugemessene Zeit verbietet uns, hier über die Verpflegung der Truppe, über Schlaf- und Küchenräume oder über das interessante Marketenderwesen Studien zu machen; wir sind ja gekommen, um ein kriegerisches Vorspiel zu genießen – sehen wir uns also den Schießplatz etwas genauer an!

Es giebt hier Gebäude, die von Eisen wahrhaft starren, artilleristische Etablissements, Eisenmunitionsschuppen, Wagenhäuser, Parkplätze, Laboratorien und in gewisser Entfernung auch Pulvermagazine. Die letzteren sind vor Explosionen durch alle erdenkliche Mittel geschützt und mit hohen Erdwällen umgeben, durch welche die Wirkung etwaiger Explosionen in horizontaler Linie aufgehoben wird.

Doch siehe! – da marschirt eine Compagnie nach dem eigentlichen, unmittelbar an das Lager stoßenden Schießplätze. Wir folgen ihr und gewinnen nunmehr eine weite Aussicht über eine weithin gestreckte Sandfläche. Hier ragen Wälle empor; dort sind auf einem Erdhügel abschüssige und steile Wege angebracht – die Hindernißbahn für die Uebungen der reitenden und der Feldartillerie (S. 593); an den Grenzen des weiten Platzes bemerken wir hohe Gerüste, auf welchen weiße Scheiben in die Höhe gezogen werden, durch die der Umgebung auf weite Fernen kundgegeben wird, daß man auf dem Platze scharf schießt und daß alle Unberufenen sich von demselben fernzuhalten haben. Auch finden wir hier manchmal Feldschanzen, deren Bedeutung durch die Kämpfe um Plewna weit und breit bekannt wurde – und eine solche Feldschanze neuester Coustruction hat unser Zeichner links auf seinem Bilde (S. 593) sehr naturgetreu wiedergegeben.

Inzwischen hat die Compagnie, mit der wir ausgerückt waren, Halt gemacht und aus dem an Ort und Stelle vorhandenen Strauchmateriale Faschinen und Schanzkörbe zu arbeiten begonnen. Wie wir erfahren, soll in der kommenden Nacht eine Belagerungsbatterie gebaut werden, und die Mannschaft ist soeben mit den nöthigen Vorarbeiten beschäftigt.

Um nun die Bedeutung dieser Vorarbeiten richtig zu würdigen, wolle der Leser hier eine kurze kriegswissenschaftliche Abhandlung mit in den Kauf nehmen.

Da die Fußartillerie im Kriege dazu bestimmt ist, entweder die feindliche Festung anzugreifen oder die eigenen Bollwerke gegen feindlichen Ansturm zu vertheidigen, so muß sie auch hier auf dem Platze ihre Uebungen in einer Weise abhalten, die nach beiden Richtungen hin ihrer Aufgabe gerecht wird. Betrachten wir sie hier als Belagerungsartillerie!

Diese hat die Aufgabe, die feindliche Artillerie in der Festung niederzukämpfen, militärische Etablissements, wie Casernen, Laboratorien, Proviantmagazine etc. zu vernichten, gedeckte, bombensichere Unterkunftsräume zu zerstören, Eingänge, Passagen, Thore zu öffnen und schließlich durch Niederlegen eines Theiles der Umwallung eine prakticable Bresche herzustellen. Dabei ist sie bestrebt, feindliche Ausfälle zurückzuweisen, wendet sich gegen Truppenansammlungen, macht sich mit einem Worte der feindlichen Besatzung, zum Theil auch den Einwohnern, so unleidlich und widerwärtig, [593] wie sie nur kann, und wenn der Belagernde glaubt, daß bei einer unzufriedenen Bevölkerung oder nicht zuverlässigen Besatzung und einem energielosen Commandanten ein Bombardement zum Ziele, d. h. zu schneller Uebergabe führen könne, so wird auch dieses anscheinend barbarische Mittel angewendet werden.

Nun geht es aber nicht so rasch mit dem Schießen und große Vorbereitungen sind dazu nöthig, bevor wirklich der erste Gruß aus den Kanonen dem Ziele zugesendet werden kann.

Ehe man schießt, ist das Nächste, daß man sich Deckungen baut; das Bauen und Einrichten dieser Deckungen, in der Artillerie Batterien genannt, muß natürlich auch geübt werden, da ja im Kriege der Belagerungsartillerist dieselben sich selber bauen muß, eventuell unter Zuhülfenahme von zugetheilten Mannschaften der Infanterie.

Die Batterien sind nun Bauten aus Erde, Faschinen (lange Strauchbündel, die fest zusammengeschnürt sind), Schanzkörben (cylindrische Strauchgeflechte von circa 1 Meter Höhe und ½ Meter Durchmesser), Hurden (flache Strauchgeflechte von 1 Meter Höhe und 1½ Meter Länge) und verschiedenen Arten Hölzern, womöglich auch Eisenbahnschienen. Letzteres ist überhaupt ein herrliches Material, um sich eine feste Decke zu bauen, durch die der böse Feind sich nicht sofort mit seinen unhöflichen Geschossen hindurch arbeiten kann, und da es heutzutage in civilisirten Ländern kaum Festungen giebt, die nicht an Eisenbahnen liegen, so wird man dieses Hülfsmittel fast nie zu entbehren brauchen.

Auf dem Artillerieschießplatze: Schießübungen der reitenden und der Feldartillerie.

Wie nun die zum Bau der Batterien nothwendigen Materialien angefertigt werden, das hat der Soldat im Lager zu lernen.

Es werden hier die Faschinen gewürgt, Schanzkörbe und Hurden geflochten, Faschinenpfähle gespalten, Bindeweiden gedreht und Anker aus Draht gefertigt, auch noch andere Arbeiten vollbracht. Die einzelnen fertig gestellten Stücke werden auf ihre vorschriftsmäßige Abmessung und probemäßige Beschaffenheit geprüft, und wenn das ganze Pensum geleistet worden ist, was doch immerhin vier Stunden in Anspruch nimmt, marschiren die Compagnien in das Lager zurück.

Dem eigentlichen Bau der Batterie geht noch das Abstecken derselben, das Traciren, sowie das Einrichten des Batteriedepots voran. Da der Batteriebau am Tage nicht stattfinden kann, weil sonst der Vertheidiger den arbeitenden Soldaten das Leben sehr sauer machen würde, so wird vor dem Feinde mit seltenen Ausnahmefällen in der Nacht gebaut. Das muß auch im Frieden geübt werden. Aber da in der Dunkelheit der Nacht leicht Unordnungen und Mißverständnisse eintreten können, so müssen die Vorbereitungen so weit wie möglich am Tage stattfinden.

Zunächst erfolgt das Abstecken der Batterie: die Abmessungen werden durch Officiere und Unterofficiere auf der Erde bezeichnet und durch kleine Pfähle die Richtungen bestimmt. Hinter dem Bauplatz aber wird das sogenannte Batteriedepot errichtet, welches fertig sein muß, wenn der Bau beginnt.

Hier wird in einzelnen Unterabtheilungen Alles geordnet niedergelegt, was nur irgend zum Bau gebraucht wird: Spaten, Kreuzhauen, Aexte, Beile, Sägen, Bohrer und Nägel, weiter Faschinen, Schanzkörbe, Hurden, Bettungsrippen, Bohlen u. dergl. m.

Das Alles wollen wir uns bis zum Einbruch der Dunkelheit fest in’s Gedächtniß einprägen, um dann mit besserem Verständnisse dem Baue der Belagerungsbatterie zusehen zu können.

Allmählich verschwindet die Dämmerung; einzelne Sterne funkeln am Himmel; bald wächst ihre Zahl zu Myriaden an, und endlich hat die Nacht das weite Gefilde in ihren schwarzen Mantel eingehüllt. Nun kommen die Colonnen heranmarschirt, welche die Batterien bauen sollen. Die Leute sind im Arbeitsanzuge, aber die treue Büchse mit Patronen führen sie doch bei sich und legen diese Genossin im Kampfe unmittelbar in die Nähe des Arbeitsplatzes, um den Spaten sofort mit ihr zu vertauschen, wenn ein zudringlicher Feind sich nähern sollte. Den Leuten ist die größte Ruhe anempfohlen; Tabakrauchen ist untersagt, um sich dem Feinde nicht zu verrathen.

Diesen vertreten in Friedenszeiten Officiere, welche auf entsprechende Entfernung mit dem Auftrage entsendet sind, im Falle sie etwas von der geplanten Unternehmung hören oder sehen, es durch Signalschüsse markiren zu lassen. Auch Blendlaternen dürfen beim Bau so wenig wie möglich angewendet werden, und nur so, daß das Licht nie nach der Festung hinüberstrahlt. [594] Die Arbeiter sind nun vertheilt worden; die Grundfaschine wird gelegt; darauf werden die Schanzkörbe gesetzt und mit Erde gefüllt. Diese Arbeit ist wichtig; denn wenn auch ein gefüllter Schanzkorb nicht einem vollem Geschoß aus der Kanone widerstehen kann, so sichert er doch gegen Shrapnel- und Infanteriefeuer. Und diesem Feuer kann die Truppe leicht ausgesetzt werden, denn ein aufmerksamer Feind verläßt sich durchaus nicht darauf, was seine stehenden Posten sehen oder hören. Kleine Schleichpatrouillen sind vielleicht in der Dunkelheit nahe an die Baustelle der Batterie herangekommen und haben die Meldung nach der Festung zurückgebracht. Auch ist das elektrische Licht ein Verbündeter der Vertheidiger: auf einem erhöhten Punkte in der Festung entsteht oft plötzlich ein heller Lichtstrom, der das Vorterrain in großer Breite erhellt. Langsam dreht sich diese elektrische Sonne um ihre Verticalachse und sucht gleichsam das Terrain vor der Festung ab. Langsam nähert sich der Lichtstrahl auch dem Bauplatze der Batterie, wo die Arbeiter aber auch schon ihre Spaten hingeworfen und sich möglichst gedeckt und platt auf die Erde gelegt haben. Nun beleuchtet der Lichtstrom das angefangene Werk. Still liegt Alles da, und nur schlechte Witze der Compagniespaßmacher lassen sich vernehmen, denen ein unterdrücktes Kichern oder eine ernste Ermahnung, sich nicht zu regen, folgt. Dank der Farbe der ausgeworfenen Erde, die sich in diesem Falle nicht vom Boden unterscheidet, ist der Feind nicht mißtrauisch geworden; langsam geht das Licht weiter, und Alles athmet auf; denn wenn der Bau entdeckt worden wäre, was leicht hätte geschehen können, so würde der Bauplatz alsbald mit einem Hagel von Geschossen überschüttet werden, der den Fortgang der Arbeiten sehr erschweren, unter ungünstigen Verhältnissen ganz verhindern würde.

Emsig wird weiter fortgebaut; die Brustwehr, welche Erde aus einem Vor- und Hintergraben erhält, verstärkt sich mehr und mehr, und im Innern der Batterie, dem Batteriehof, werden die Bettungen gestreckt. Der eigentliche Stand der Geschütze befindet sich natürlich auf der dem Feinde abgekehrten Seite der Brustwehr, aber nicht auf dem gewachsenen Boden, sondern circa dreiviertel Meter unter dem Bauhorizont. Hier können aber unsere Geschütze, die zum Theil im Vereine mit der Laffette ein sehr großes Gewicht repräsentiren, nicht auf der Erde selbst stehen. Deshalb bauen wir uns für die Geschütze eine sogenannte Bettung, das heißt eine ebene Plattform aus starken Kreuzhölzern und Bohlen, auf welche dann das Geschütz gestellt wird. Zwischen je zwei solcher Geschützbettungen befindet sich ein Unterkunftsraum für Mannschaften; diese Räume sind womöglich mit Eisenbahnschienen und Faschinen so fest eingedeckt, daß sie dem feindlichen Geschoß Widerstand leisten. Ferner sind Munitionsgelasse gebaut, um den vierundzwanzigstündigen Bedarf an Geschossen aufzunehmen, und auf einem Flügel findet die stark umhüllte Pulverkammer ihren Platz.

Es genügt nun nicht allein, daß in einer Nacht die Batterie als solche fertig gestellt wird, sondern sie muß auch armirt werden, das heißt die Geschütze müssen eingefahren werden (gewöhnlich sechs an der Zahl), auch muß sie mit Munition für vierundzwanzigstündigen Bedarf completirt werden. Beides klingt leichter, als es in der That ausgeführt werden kann. Die schweren Geschütze können schon auf der Straße nur mühsam fortbewegt werden – von der Straße über das Feld weg nach den Batterien wachsen die Schwierigkeiten noch mehr, und oft wird durch untergelegte Bohlen erst ein fester Fahrgrund geschaffen. Dabei darf kein Lärm verursacht werden, da sonst der wachsame Vertheidiger sein Feuer eröffnen würde. Auch der Munitionsersatz ist schwieriger, als man glaubt. Nimmt man eine schwere Mörserbatterie von sechs Geschützen an und normirt die Schußzahl auf vierzig pro Geschütz für vierundzwanzig Stunden, so muß man allein über dreihundertachtzig Centner Eisenmunition heranschaffen, da jede Einundzwanzig-Centimeter-Granate circa achtzig Kilo wiegt. Während des Kampfes ist aber ein Munitionsersatz nicht gut durchzuführen.

Sind diese Arbeiten nun alle ausgeführt und ist die Batterie am Morgen schußfertig, so ist das Pensum erfüllt. Gelingt es aber nicht, die Batterie in einer Nacht fertig zu stellen, und wird das feindliche Feuer nicht durch andere, schon fertig gestellte Batterien abgelenkt, so hat man natürlich einen schweren Stand, da der Vertheidiger den weiteren Ausbau der Batterie nach Kräften stören wird. Deshalb muß der Angreifer darnach streben, bei Beginn des Tages das Feuer aus der Gruppe fertig gestellter Batterien zu eröffnen, um seinerseits die Vertheidigungs-Artillerie zu überraschen. Ein Hoch auf den Kriegsherrn begleitet vor dem Feinde die ersten Schüsse aus der Batterie gegen die Festung.

Hier auf dem Uebungsplatze wird das Schießen mit der vielseitigsten Instruction verbunden, um es möglichst belehrend zu gestalten. Systematisch fängt man dabei mit dem Leichtesten an und endet mit dem Schwierigsten. Wir übergehen das Schießen nach einfachen Scheiben und wenden uns gleich den Uebungen zu, welche auf kriegerische Handlungen Bezug nehmen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes sind, wie unser Hauptbild zeigt, Erdwälle aufgeführt, welche gegnerische Batterien bedeuten; die feindlichen Kanonen, sowie ihre Officiere und Mannschaften, sind entweder roh aus Holz gezimmert oder durch einfache Bretter markirt, und die Pulverdämpfe, welche wir von dort aufsteigen sehen, rühren selbstverständlich von blinden Pulverentladungen her, die auf elektrischem Wege entzündet werden. In der Nähe dieser feindlichen Batterien sind in Schutzhütten Officiere postirt, welche die Treffer der im Vordergrunde feuernden Geschütze notiren und über die erzielten Resultate durch Telephone mit den Führern der Batterie correspondiren. So dauert die Kanonade schon längere Zeit fort, und die Mannschaft freut sich, einige gute Treffer erzielt zu haben. Aber da heißt es plötzlich: „Die Laffette des dritten Geschützes unserer Batterie ist demontirt, das Geschütz nicht mehr schußfähig.“

Schnell spielt der Telegraph nach dem Geschützpark, wo die Reservelaffetten auf kleinen Spurwagen verladen stehen; in wenigen Minuten gelangen dieselben auf der Bahn an die Batterie. Das Geschütz wird mit Hülfe eines starken Hebezeuges ausgelegt, die zerschossene Laffette beseitigt und die neue Laffette dafür eingestellt. So rasch wie möglich muß der Unterofficier, der das Geschütz commandirt, dieses wieder schußfertig machen; während dessen fährt das Feuer in der Batterie regelmäßig fort; würde nämlich der Feind ein Nachlassen im Feuer bemerken, so würde er sich mit verdoppeltem Eifer dieser Batterie widmen, um sie womöglich ganz zum Schweigen zu bringen.

Inzwischen belebt sich der Schießplatz immer mehr. Am frühen Morgen erscheinen auf demselben Abtheilungen der Feld- und der reitenden Artillerie, welche ihre Evolutionen machen und bald auch mit dem Feuern beginnen. Da werden unblutige Schlachten geliefert. Es heißt wiederum plötzlich: „Batterie N. N. wird von der feindlichen Cavallerie angegriffen,“ und in der That sehen wir einige auf einer Leinwandscheibe gemalte Reiter mit Galoppgeschwindigkeit gegen unsere Stellung vorrücken. Diese bewegliche Scheibe ist mit einem Drahtseil versehen, welches um eine Rolle läuft, von einigen im nahegelegenen Walde aufgestellten Pferden gezogen wird und so die Scheibe auf einem Schlittengestell vorwärts bewegt. Nun heißt es, diese Scheibe mit Granaten, Shrapnels etc. zu beschießen.

Doch da rückt langsamer schon eine andere Scheibe vor, und deutlich erkennen wir auf derselben gemalte Infanterietruppen, welche, wie die obenerwähnte, an einem Drahtseil von Soldaten vorwärts gezogen wird. So wird ein Infanterie-Angriff marquirt, der gleichfalls zurückgewiesen werden muß.

Nun donnert es aus den verschiedenen Batteriegruppen gegen die mannigfachsten Ziele, bis die letzte Granate des Tages das Rohr verlassen hat; „Feuer halt“ ertönt es nun aus den Batterien und als Antwort von den Scheiben.

Ein Theil der Truppen, die abgeschossen haben, sind commandirt, um die verschossene Munition in ihren Theilen wieder zu suchen, da ja die Geschosse sämmtlich crepiren sollen; einige derselben thun es aber nicht, und diese widerspänstigen aufzufinden und unschädlich zu machen, ist Aufgabe der Kugelsucher. Solche Geschosse können nämlich schon bei geringer Berührung crepiren und die Umstehenden in Stücke reißen. Die aufgefundenen Granaten werden an Ort und Stelle in folgender Weise unschädlich gemacht: eine Dynamitpatrone von einem halben Pfund wird auf das fragliche Geschoß gelegt, nachdem sie mit Bickford’scher (mit Kautschuk übersponnener) Zündschnur versehen ist. Die einige Minuten brennende Leitung wird entzündet; Alles entfernt sich bis auf einige hundert Schritt; die Detonation erfolgt, und durch den gewaltigen Druck der plötzlich wirkenden Gase wird das Geschoß in kleine Stücke zerschlagen, und zwar ist die Explosion so heftig und schnell, daß nicht einmal das Pulver der Sprengladung entzündet wird.

Das Schießen wird nun noch einige Wochen lang fortgesetzt; [595] doch auch andere Dienstzweige werden betrieben; so wird das Exerciren mit Gewehr, im Bataillon und am Geschütz weiter geübt und Munition angefertigt; auch werden Instructionen abgehalten, und Nachtschießen findet statt. Raketen, deren Leuchthauben mit Feuerwerkskörpern gefüllt sind, werden aufgelassen; beim Schein dieser Leuchtsterne wird das Geschütz gerichtet und die Stellung des so eingerichteten Geschützes auf der Bettung bestimmt; dann kann das Schießen beginnen.

In großer Abwechselung verläuft nun die mehrwöchentliche Uebung; die jungen Soldaten haben mit allen Calibern und Geschützarten, wie sie in und vor Festungen gebraucht werden, geschossen, sind mit ihren Eigenthümlichkeiten vertraut geworden und wissen, was sie von denselben erwarten können. Die Inspicirungen, die gegen Ende der Schießübung eintreten, sind gut abgelaufen; die hohen Herren haben ihre Zufriedenheit ausgesprochen, und Vorgesetzte und Untergebene sind erfreut, daß das Regiment die Prüfung wiederum mit Ehren bestanden hat.

Die eigentliche Schießübung ist beendet – es findet nur noch das Prämienschießen statt, in welchem die Unterofficiere um die Schießauszeichnung, die Mannschaften um silberne Medaillen, respective Geldpreise concurriren. Nach dem letzten Schusse am letzten Schießtage ertönt das Signal „Das Ganze halt!“. Die Fahne vor der Wache wird langsam heruntergelassen.

Der nächste Tag gilt der Vorbereitung zum Abmarsch, aber der Nachmittag wird noch einmal der Freude gewidmet. Jüngere Officiere in Verbindung mit einigen Unterofficieren und gewandten Einjährigen haben ein kleines Programm aufgestellt und Vorbereitungen getroffen, daß zu guterletzt noch Jeder eine lustige Erinnerung an das Lagerleben mitnimmt.

Ist Feldartillerie im Lager, dann wird ein Wettrennen abgehalten, an welches sich sonstige Belustigungen schließen. Aus Ersparnissen am Menagefonds oder Ueberschüssen der selbstverwalteten Marketendereien, respective Pachtgeldern erhalten die Mannschaften Bier und Cigarren, und die Musik spielt an einem passenden Platz des Lagers, wo sich Alles sammelt.

Der uns eng zugemessene Raum gestattet uns leider nicht, alle die fröhlichen Soldatenbelustigungen hier zu schildern, wie das Wettrennen der Mannschaften mit Hindernissen, das Wettspringen nach Würsten, die oft heimlich mit Syrup gefüllt sind und den nach ihnen Schnappenden mit dem süßen Saft übergießen, das Wettessen eines Heidelbeerkuchens, in welchem ein blanker Thaler sich befindet, der demjenigen gehört, der ihn zuerst mit den Zähnen erfaßt, etc. Das beigegebene Bild (S. 592) zeigt einige dieser Spiele. Oft findet auch das beliebte Wettrennen der Officiershunde statt, wobei die Thiere Hindernisse „moralischer“ Art, wie Würste und Bratenstücke, zu überwinden haben.

Schließlich wird aus alten Holz und Strauchresten ein Lagerfeuer angezündet, und bei den Klängen der Musik tanzen nun die Leute mit einander; in den Zwischenpausen wird gesungen. Natürlich sind es auch hier, wie immer, wenn Deutsche heiter sind, schwermüthige Weisen, die erklingen; z. B. „Morgenroth, leuchtest mir zum frühen Tod“, „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ und „Ist Alles trübe“ etc.

Nachdem nun das Lagerfeuer heruntergebrannt ist, ertönt der Retraiteschuß; die Musik bläst die Retraite und das Gebet. Allmählich wird es still, und nach einer Stunde herrscht tiefe Ruhe im Lager; die Krieger träumen auf ihren Feldbetten von den Freuden der Garnison, die ihnen nun so nahe winken.

Nur noch ein Tag, und der Rückmarsch beginnt; freudig werden wir bei dem Einmarsch daheim von Freunden und Bekannten begrüßt.