Für das Enkelchen

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Titel: Für das Enkelchen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 860–862
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[860]

Für das Enkelchen.

Es dunkelt schon – kaum ward es heute Tag;
Am Berghang liegt der Schnee mit schwachem Blinken.
Großvater steigt hernieder durch den Hag
Und sieht vom Thal des Dorfes Lichter winken.

5
Die Luft ist feucht und kalt; gemächlich wallen

Die Flocken durch das dürre Astwerk her,
Sein Pfeifchen dampft – vorsichtig schreitet er,
In schneebegrabner Wegspur nicht zu fallen.
Ein Tannenbaum auf seiner Schulter liegt

10
Ein Prachtstück, rund geformt und ohne Lücken:

Der Ast, der Fink und Meise sonst gewiegt,
Soll sich mit Licht und buntem Naschwerk schmücken.
’S ist hohe Zeit – der Weihnachtsabend dämmert;
Großvater lächelt heimlich vor sich hin;

15
Zum warmen Stübchen eilt voraus sein Sinn

In jener Schmiede, wo es drunten hämmert.

[861]

Für das Enkelchen.
Originalzeichnung von J. R. Wehle.

[862]

„Was für ’ne Freude wohl der Junge hat –
Wenn ihm der Baum so in die Augen flimmert!
Zwei Jahre zählt nun unser Karlchen glatt;
Als ob sich’s da nicht um den Baum bekümmert!
’S war ein Stück Arbeit für mich alten Knaben.
Doch wenn sein Vater unverständig ist,
Muß ich schon zusehn, was der Schnee hier mißt:
Denn seinen Christbaum muß der Junge haben.

Er wär’ zu klein noch. Ei warum nicht gar!
So ’n Pfiffikus wie der, so schlau und munter!
Was er für Augen macht, so quick und klar,
Und was für Reden führt er schon mitunter!
Der dankt mir’s noch, wenn sie mich längst begraben,
Daß ich auf seinen Vater nicht gehört.
Und mir – mir wär’ das ganze Fest gestört – –
Nein – seinen Christbaum muß der Junge haben.

So ’n süßer Flachskopf! Wie er auf mich hält!
Was kann er schmeicheln, daß ich ihn mal schwenke!
So ’n Junge war noch niemals auf der Welt –
Mich wärmt’s im Schnee hier, wenn ich sein gedenke.
Ich wollte gern noch Stunden Weges traben,
Gält’s drum, daß er ’ne rechte Weihnacht hat.
Er kriegt’s nicht, wie die Kinder in der Stadt –
Doch seinen Christbaum soll das Karlchen haben.“

Großvater steigt fürbaß. Es schneit so dicht:
Was kümmert’s ihn, wie sich die Kleider feuchten!
Längst g[i]ng die Pfeife aus – er weiß es nicht;
Sein Herz ist warm, und seine Augen leuchten.
Und als das Festgeläut durchzieht die Fluren,
Da strahlt sein Christbaum, und der Enkel lacht,
Und auf dem Berghang küssen still zur Nacht
Der Liebe Engel seiner Füße Spuren.