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Fallschirme (Die Gartenlaube 1889/26)

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Fallschirme
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 445–446
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[429]

Der Fallschirm des Luftschiffers Leroux. Nach einer Zeichnung von E. Hosang.

[445] Fallschirme. (Mit Abbildung S. 429.) Es giebt Erfindungen, die nach Jahren aufgewärmt werden und vielen neu erscheinen, weil sie inzwischen von der große Masse vergessen wurden. Eine solche Erfindung ist der Fallschirm. Der berühmte Leonardo da Vinci war der erste, der das Projekt eines Fallschirmes beschrieb und zeichnete; hundert Jahre später regte der venetianische Architekt Fausto Veranzio die Idee von neuem an und wir haben eine Abbildung seiner Zeichnung im [446] Jahrgang 1885, S. 467 unseren Lesern vorgeführt. Die Projekte blieben unausgeführt. Als nun der Luftballon erfunden wurde, dachte man gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts auch an den Fallschirm; denn man hatte inzwischen auch erfahren, daß chinesische Gaukler mit aufgespannten Schirmen von hohen Thürmen sich herabgelassen haben sollten, und solche Apparate mochten manchem als gute Rettungsgeräthe in Feuersgefahr erscheinen. In der That gelang es Sebastian Lenormand in Montpellier, mit einem aufgespannten und gegen das Umkippen gesicherten Regenschirm sich von seiner Wohnung auf die Straße hinabzulassen. Die Versuche wurden fortgesetzt, man ließ zuerst Thiere an Fallschirmen hinab, und endlich erfand im Jahre 1797 Jacques Garnerin einen brauchbaren Fallschirm. Der kühne Mann wagte am 22. Oktober desselben Jahres in Paris den Sprung vom Ballon aus einer Höhe von 1000 Metern und langte glücklich auf der Erde an. Seine That ist bis jetzt von anderen schwerlich übertroffen und auch sein Fallschirm wesentlich nicht verbessert worden. Er hatte die Form einer Kugelcalotte von 7,8 Meter größtem Durchmesser und auch das kleine Loch in der Mitte, durch welches die komprimirte Luft abfließen konnte und welches so viele Reklamehelden des 19. Jahrhunderts als ihre ureigenste Erfindung ausgegeben haben.

Der Fallschirm kam später in Mißkredit und schuld war daran eine „Verbesserung“ desselben. Der englische Gelehrte Cayley, der Erfinder der Luft- oder Flugschraube, die der Leser im Jahrgang 1882, S. 216 der „Gartenlaube“ abgebildet und beschrieben finden kann, verfiel auf den Gedanken, einen Fallschirm von der Form der Samenkrone der Kompositen zu konstruiren. Es fand sich ein „Amateur“, der seine ganzen Glieder der Idee anvertraute. Am 27. September 1836 nahm der Luftschiffer Green den Amateur Cocking in seinem Ballon von Vauxhall in London aus in die Höhe. Cocking ließ sich, als der Ballon die Höhe von 1200 Metern erreichte, nieder, aber der neue Fallschirm funktionirte schlecht; der Unglückliche sauste herab und wurde auf dem Erdboden zerschmettert. – Erst nach geraumer Zeit nahm man wieder Fallschirmexperimente auf, wobei man im großen und ganzen dem Modell Garnerins treu blieb. In Amerika wurden diese Schaustellungen, die ja ohne Zweifel interessant sind, Mode und die amerikanischen Luftstürzler kamen auch nach Deutschland.

Der Fallschirm des Luftschiffers Leroux hat kürzlich in der deutschen Hauptstadt auch seitens der militärischen Behörden Beachtung gefunden. In dem Gehöfte der Luftschifferabtheilung auf dem Tempelhofer Felde wurde der zwischen 11 und 12 Meter hohe seidene Ballon mit etwa 700 Kubikmetern Leuchtgas gefüllt und dann, trotz ungünstigen Wetters, für die Auffahrt in Bereitschaft gesetzt. Der Fallschirm war an der Seite des Ballons befestigt, von wo er durch eine einfache Vorrichtung leicht gelöst werden kann. Bis zu der Höhe von über tausend Metern war Leroux bereits emporgestiegen, als sich durch starke Ferngläser seine Vorbereitungen zum Fall erkennen ließen. Er löste den Schirm und im nächsten Augenblick glaubte man ihn auf die Erde niederstürzen zu sehen, aber schon hatte sich der Schirm entfaltet, aufgebläht und schwebte nun ruhig und langsam zur Erde nieder. Das Experiment war gelungen.

Der Aufstieg in dem Ballon ist in Berlin wiederholt worden und jedesmal der Absturz mit dem Fallschirm ohne Unfall von statten gegangen. Unsere Abbildung zeigt in der linken Ecke oben den aufsteigenden Ballon mit dem seitwärts daran befestigten „Schirm“, für den die Bezeichnung Reifrock vielleicht passender wäre. In einer am Ballon angebrachten Gondel hat neben Leroux sein Genosse Loyal Platz genommen, der in derselben bleibt, um nach dem Absturz des Fallschirmes seinerseits mit dem Ballon irgendwo zu landen. Die Darstellung rechts oben auf unserem Bilde zeigt den Schirm unmittelbar nach der Lösung vom Ballon, noch schlaff und mit schwindelerregender Schnelligkeit niedersausend. Doch nur eine oder zwei Sekunden noch, dann hat die Luft den Schirm gefüllt und ihm die Gestalt verliehen, welche unser Hauptbild wiedergiebt.

Seine ersten Versuche mit dem Schirm machte Leroux in New-York von sechs- und siebenstöckigen Häusern herunter, um zu erproben, ob bei Feuersbrünsten auf solche Weise Rettungen zu ermöglichen seien. Ob seine heutigen kühnen Experimente zu praktischeren Ergebnissen führen, wird wohl erst die Zukunft ausweisen können. Die Einführung des Schirmes zu Rettungszwecken bei Feuersbrünsten scheint vor der Hand ausgeschlossen. Das Interesse der Militärbehörden für den Fallschirm läßt aber seine Verwendung in Kriegszeiten nicht unmöglich erscheinen. **