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Falmouth in der Grafschaft Cornwallis

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCVII. Die Moschee Omar’s bei Jerusalem Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band (1838) von Joseph Meyer
CCVIII. Falmouth in der Grafschaft Cornwallis
CCIX. Das Königsschloss in Madrid
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FALMOUTH HARBOUR

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CCVIII. Falmouth in der Grafschaft Cornwallis.




Am südwestlichen Ende Englands sieht man eine stiefelförmige Landzunge, welche auf der nördlichen Seite vom atlantischen Ocean, südwärts von den Fluthen des Canals bespült wird. Ihre größte Länge beträgt 70 englische Meilen. Ihre Breite verringert sich von 20 bis auf 2 Stunden. Dieser Theil Englands ist die Grafschaft Cornwallis.

Ueppiger Getreide- und Graswuchs schmückt die südlichen Thäler; Pfirsiche und Aprikosen, Wein sogar, kommen an sonnigen Wanden im Freien fort; im Ganzen jedoch ist das Land nicht fruchtbar, und in den Bergdistrikten ist es holzarm und öde. Vor einigen Jahrzehnten lag die Hälfte des Bodens noch unbebaut und wüste. Damals kamen menschenfreundliche Landeigenthümer und Grubenbesitzer auf den Gedanken, jedem armen, jungen Bergmann, wenn er heirathete, zunächst den Gruben, 3 Morgen des öden Landes in Erbpacht zu geben, mit der Verpflichtung, sie urbar zu machen und sich eine Wohnung darauf zu bauen. Der Erfolg übertraf jede Erwartung. Was Einzelner Versuch gewesen, erhob sich zur allgemeinen Anwendung. Auf diese Weise entstanden und entstehen noch immer Dörfer und Flecken in der Nähe der Bergwerke mit jedem Jahre; der Charakter der sonst ödesten Strecken hat sich auf das vortheilhafteste geändert.

Die südliche Küste ist voll malerischer Szenen; wild und großartig ist der Charakter der nördlichen. Senkrecht steigen hier die Granitwände mehre hundert Fuß aus den Fluthen empor, oder, zerklüftet, gleichen sie Castellen, zwischen denen sich das Meer tiefe Canäle weit in das Land hinein grub. Ein 1000–1200 Fuß hohes, wildes Gebirge, durchzieht die Grafschaft und theilt sie der Länge nach in 2 ungleiche Hälften. Sein Rücken ist großentheils Granit. Um und über dieses Gestein aber lagert Thonschiefer, und in dessem Schooße sind jene unermeßlichen Metallschätze verborgen, welche schon vor 4 Jahrtausenden die Phönizier herbei lockten, und um welche Cornwallis berühmt und beneidet ist. Seine Zinngruben allein beschäftigen weit über 24,000 Menschen, und die jährliche Ausbeute an Metallen, jene der nicht minder wichtigen Kupferbergwerke eingeschlossen, kommt dem Werthe von 14 Millionen Thalern gleich. Kein Land in der Welt, Peru und Mexiko nicht ausgenommen, kann eine Ausbeute von solcher Größe aufstellen, und nirgends sonst auf der Erde treibt man den Bergbau so großartig, so kühn, so vortheilhaft und geregelt, und mit so großen Kapitalien.

[54] Die eigenthümliche geographische Lage von Cornwallis, seine Kultur und Bodenverhältnisse geben dem Lande einen Reichthum von theils großen und romantischen, theils malerischen und lieblichen Ansichten. Ein Ruinenkranz von Burgen, Klöstern und Kapellen, welcher die Vorgebirge und Hochufer schmückt, umschlingt so zu sagen die ganze Landschaft, und an jede Trümmer knüpft sich eine uralte Sage, oder Legende, die im Munde des Volks fortlebt von Jahrhundert zu Jahrhundert. Auch die Lebensweise des Volks stimmt zum Romantischen der Landschaft. Die Hälfte der Einwohner besteht aus Fischern, Schmugglern, Seeleuten, die kühnsten, geschicktesten, verwegensten in ganz England. Die andere Hälfte ist vergraben in die Nacht der Schachte, und das düstere Grubenlicht ist ihre Sonne. –

Falmouth, der wichtigste Ort in der Grafschaft, dankt seine Entstehung dem vortrefflichen Hafen, welcher schon den Phöniziern bekannt war; Ptolomäus rühmt ihn und erwähnt des alten Cenia als der Hafenstadt. Camden vergleicht ihn dem Brundusium des alten Italiens, und bemerkt, 100 Schiffe könnten in ihm vor Anker liegen, ohne daß (wegen der vielen tiefen, kleinen Buchten und Einschnitte seiner Ufer) eins das andere gewahre. 5–600 Seeschiffe finden hier vollkommene Sicherheit, und zu Zeiten, wenn widrige Winde die Handelsflotten Englands, Hollands, Deutschlands und Frankreichs wochenlang am Versegeln aus dem Kanale hindern, ist Falmouth die Station, wo sich die Fahrzeuge zu tausenden versammeln. –

Falmouth hat gegenwärtig 10,000 Einwohner, deren Erwerb sich auf den gelegentlichen Besuch der Schiffe gründet, welche hier Sicherheit in Sturm und vor widrigem Winde suchen. Die Hälfte der Häuser sind daher Gasthöfe, Kaffee- und Branntweinschenken, Spielhäuser oder Aehnliches. Merkwürdig ist der numerische Unterschied der erwachsenen männlichen und weiblichen Bevölkerung. Der neueste Census ergab ein Mehr der letztern von fast 1100 Personen.

Die diese Beschreibung begleitende Ansicht zeigt uns den Hafen und die Stadt von der Seeseite.