Falstaff mustert seine Rekruten

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Garrick als Richard III. W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Falstaff mustert seine Rekruten
Die schlafende Versammlung
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


[Ξ]
Falstaff mustert seine Rekruten.
[Ξ]

FALSTAFF MUSTERT SEINE RECRUTEN.
FALSTAFF EXAMINIG HIS RECRUITS.

[Ξ]
Falstaff mustert seine Rekruten.
(Falstaff examining his recruits.)




Vorliegendes Blatt scheint in die Jugendzeit des Künstlers zu fallen oder wurde von ihm nur gezeichnet. Von ihm selbst ist es nicht herausgegeben worden, seine Aechtheit scheint jedoch ohne Zweifel zu sein; von englischen Herausgebern wird dieselbe wenigstens angenommen und bietet auch Manches von Hogarth’s Manier. Auch findet sich dies Blatt in der von Riepenhausen herausgegebenen Sammlung.

Die dargestellte Scene ist die Aushebung der Rekruten beim Friedensrichter Schaal (Shallow) in Shakespeare’s Heinrich IV., 2ter Theil, Akt IV., Sc. 2, nach Schlegel’s Uebersetzung:

Falstaff.
Kommt, Herr, was soll ich für Leute haben?
Schaal.
Viere, was für welche Ihr wollt.

[806]

Bardolf (bei Seite zu Falstaff).
Herr, auf mein Wort, ich habe drei Pfund von Schimmlich (Mouldy) und Bullenkalb (Bull calf), um sie frei zu lassen.
Falstaff.
Schon gut!
Schaal.
Wohlan, Sir John! welche Viere wollt Ihr?
Falstaff.
Wählt Ihr für Euch.
Schaal.
Nun dann, Schimmlich, Bullenkalb, Schwächlich (Feeble) und Schatte (Shadow).
Falstaff.
Schimmlich und Bullenkalb! Ihr, Schimmlich, bleibt zu Hause, bis Ihr nicht mehr zum Dienste taugt, und was Euch betrifft, Bullenkalb, wachst heran, bis Ihr tüchtig seid. Ich mag Euch nicht.
Schaal.
Sir John, Sir John! Ihr thut Euch selber Schaden: es sind Eure ansehnlichsten Leute, und ich möchte Euch gern mit den besten aufwarten.
Falstaff.
Wollt Ihr mich meine Leute auswählen lehren, Herr Schaal? Frage ich nach den Gliedmaßen, dem Fleisch, der Statur, dem großen und starken Ansehn eines Menschen? Auf den Geist kommt es an, Herr Schaal. Da habt Ihr Warze (Wart). Ihr seht, was er für eine ruppige Figur ist; der ladet und schießt Euch so flink, wie ein Zinngießer hämmert, lauft auf und ab, geschwinder wie Einer, der des Brauers Eimer am Schwengel trägt. Und der Gesell da mit dem Halbgesicht, Schatte! Gebt mir den Menschen! Er gibt dem Feind keine Fläche zum Treffen, der Feind kann eben so gut auf die Schneide eines Federmessers zielen; – und gehts zum Rückzug, wie geschwind wird dieser Frauenschneider, Schwächlich, davonlaufen.

Die einzelnen Figuren dieser Scene sind leicht zu erkennen. Bardolf drückt seinem Capitän, dem Sir John, ein Goldstück, das erhalten, in die Hand; Schimmlich ist nur mit dem aufgeschwollenen Gesichte hinter Bardolf sichtbar. Bullenkalb verbeugt sich respektvoll vor Sir John; er ist offenbar der Sohn eines Landbauern (Yeoman) und reinlich gekleidet. Wahrscheinlich treibt er nach Art aller sächsischen Yeomen Wilddieberei. Das Jagdmesser ragt aus seiner Tasche hervor und ein Jagdhund ist mit ihm hereingekommen. Warze ist schon an dem Zeichen, [807] das er auf der Stirn trägt, zu erkennen, eben so wie Schwächlich an der Scheere und Schatten an seinem mageren Gesicht. Die drei ausgehobenen Rekruten scheinen übrigens auch das Goldstück sehr wohl zu erblicken. Schatten und Warze sind von der Art, wie Falstaff seine Compagnie in Heinrich IV., 1r. Theil, Akt IV., Sc. 2 beschreibt, indem er sagt: Nur anderthalb Hemden gibt es in meiner Compagnie, und das halbe besteht aus zwei zusammengenähten Servietten, die über die Schultern geworfen sind, wie ein Heroldsmantel ohne Aermel. Das Hemd ist, die Wahrheit zu sagen, dem Wirth in S. Albans gestohlen, u. s. w.

Die beiden Figuren, die am andern Ende des Tisches sitzen, sind der Friedensrichter Schaal (Shallow) oder Einfaltspinsel und dessen Schreiber Stille (Silence). Ersterer glaubt die neueste Mode in seinem Hute zu zeigen. Bekanntlich zeigt Shakespeare in diesem Charakter dieselbe Sucht der Countrygentlemen, die Moden des Hofes durch Steifheit zu carrikiren, die man von jeher bei jener Classe verspottete.

Wo Sir John Falstaff verweilt, darf es natürlich auch nicht am spanischen Weine fehlen. Ein geleerter Krug steht vor seinen Füßen und ein Bedienter trägt einen gefüllten durch die Thüre.

Auf dem Boden liegen Waffenstücke. Diese dürfen bei einer Aushebung natürlich nicht fehlen, um so weniger, da Falstaff sogleich nach den Worten der angeführten Scene Bardolf befiehlt, dem neu ausgehobenen Warze eine Muskete in die Hand zu geben, um dessen Trefflichkeit in Handhabung der Waffen zu beweisen.

Die Halle des Friedensrichters Schaal ist ebenfalls mit Waffenstücken ausgeschmückt, mit Schild und Schwert, Bogen und Köcher. Ein Familienbild, dessen Züge man nicht recht erkennen kann, hängt ebenfalls an der Wand mit einer Laterne, womit im Mittelalter Zimmer oft erleuchtet wurden. Auch sieht man über dem Camin zwei sonderbar gestaltete Löwen, welche Schilder halten, auf denen man jedoch das Wappen des Friedensrichters, die zwölf Hechte (nach den munteren Weibern von Windsor) vielleicht wegen der Kleinheit nicht erblicken kann.