Ferdinand Hiller an Emil Rittershaus 27.11.1884

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Autor: Ferdinand Hiller
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Titel: Ferdinand Hiller an Emil Rittershaus 27.11.1884
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 368
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Abdruck des Briefes anlässlich des Nachrufes. Mit Vorbemerkung der Gartenlauben-Redaktion
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[368] Willkommen den Freunden und Verehrern des Verstorbenen und für alle unsere Leser sicher von großem Interesse wird der nachstehend abgedruckte Brief sein, den Hiller an Emil Rittershaus richtete, als dieser dem Meister in Köln am Ende des vorigen Jahres seine jüngste Gedichtsammlung „Am Rhein und beim Wein“ mit einer poetischen Widmung zusandte:

„An Emil Rittershaus.

Liebster Freund! Das haben Sie gut gemacht, aber es war fast des Schönen zu viel! Die Sonne vergoldet den Rhein, als habe sie auf der ganzen großen weiten Welt nichts Anderes zu thun als ihm zu schmeicheln! Ich vergaß mich in dem Anblicke (sich zu vergessen, gehört bekanntlich zu den besten Dingen) und da kommt Ihr holdseliges Büchlein ‚Am Rhein und beim Wein‘ mit der Aufschrift ‚Respekt! Es kommt der Jubilar, der Wein von 84‘. Sie sind der Jubilar, lieber Rittershaus; ich weiß nicht, von welchem Jahrgang, aber sicherlich von jedem, der uns am Rhein etwas Gutes und Schönes gebracht hat. Die gepriesensten Weine sind nicht erfrischender, belebender, männlich stärkender als die Lieder, die Sie mit zauberhafter Schnelle Ihrem Geiste entschlagen, wie der Stahl dem Kiesel seine Funken. Wieviel Herrliches enthält Ihr neues Büchlein! Was es Schönes, Gutes und Großes in dem Leben von uns gemeineren Sterblichen giebt, kommt an die Reihe. Freilich keine Descendenztheorie, keine Komma-Bacillen, keine ägyptische Weisheit, weder alte noch moderne, keine chinesische Diplomatie! Aber alle die alten und doch nie veraltenden Neigungen, Wünsche, Freuden, welche das Menschengeschlecht gewohnt ist mit einem Worte Glück zu nennen: der trauliche Freundeskreis, das Erwachen des Frühlings und der Liebe, das Athmen im Freien, die Treue den Genossen, die Brüderschaft in seinem Volke – und durch dies Alles windet sich die herrliche deutsche Rebe – ein Symbol begeisterter Einigkeit! Ich gestehe es, als mein Blick auf Ihr Büchlein fiel und ich ihn dann wendete auf die vorüberströmenden Wogen des Rheins, da mußte ich mir eine Thräne im Auge zerdrücken, – ich griff jedoch zur Homöopathie und ein Becher alten Weines machte wieder gut, was der Anblick des guten alten Vaters zu verderben im Begriff gewesen war. Nun aber macht Euch auf, Freunde und Genossen, und legt die Hand auf die neue Spende Emil’s. Schwört auch Mancher von Euch auf andere Farben, als auf die, die der goldenen Rebe entsprießen, in der Hauptsache sind wir einig: der Rheinberger und der Reinthaler und der Reinecke und der Bruch und der Brahms und der Brambach und so viele Andere innerhalb und außerhalb unserer ‚sogenannten‘ Grenze – sie Alle werden sich einstellen, wie ihre Namen auch klingen mögen, ihre Töne klingen ja gut und das ist die Hauptsache.

Werde ich aber noch mitthun dürfen? Der Himmel weiß es. Aber etwas Besseres will ich thun, was ich eigentlich nicht thun dürfte, doch wenn der Zweck ein guter und das Mittel ein unschuldig-unerlaubtes, so wird mir wohl Absolution gewährt werden, und derjenige, der mich strafen oder mir verzeihen kann – vor dem ängstige ich mich nicht, es ist mein vortrefflicher Freund Rittershaus! Zu stolz machen mich die Verse, die er mir gewidmet, zu viele Freude werden sie Anderen machen, als daß ich sie nicht dem ‚offenen Briefe‘ zugesellen sollte. Mag man mich darum beneiden oder schelten – im Grunde des Herzens wird man mir Recht geben.


An Ferdinand Hiller.

Was beim Wein mir in den Sinn
Kam in manchen Jahren,
Was ich von der Winzerin
Beim Pokal erfahren,
Was in duft’ger Frühlingspracht
Aufging in der Seele,
Was in froh durchschwärmter Nacht
Klang aus meiner Kehle,
Was mir an des Rheines Strand
Sagten luft’ge Geister,
Leg’ ich heut in Deine Hand,
Theurer, würd’ger Meister!

Bist ja selbst des Weinlands Kind,
Stammst aus Rebengauen!
Wolle freundlich, mild gesinnt
Auf die Verslein schauen,
Die gesungen frisch und keck
Hinter’m Glas der Zecher! –
Philosophisch’ schwer’ Gepäck
Paßt nicht zu dem Becher,
Paßt nicht, wenn zur Weinlandsfahrt
Wir das Ränzel schnüren –
Doch ich denk’, die Rheinlandsart
Wirst Du drin verspüren! –

Aber willst Du recht erfreu’n
Den, der sang die Reime,
Eh’ die Wolken Flocken streu’n,
Komm’ zu meinem Heime,
Setz’ Dich auf den Ehrenplatz,
Freund, an meinem Tische!
Meines Kellers schönster Schatz,
Meister, Dich erfrische!
Fröhlich soll dann sonnenwärts
Unser Sinn sich kehren –
Und empfinden soll’s Dein Herz,
Wie wir Dich verehren!

Und nun Ade, verehrter Freund! Wenn Ihnen Ihre neuen Lieder vorgesungen werden in neuen Weisen und wohl auch von neuen Menschen, dann gedenken Sie Ihres getreuen
Ferdinand Hiller.”     

Köln, den 27. November 1884.