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Fliegende Fische

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Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Fliegende Fische
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 110-112
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803-1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: ULB Düsseldorf und Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[110]
Fliegende Fische.

Im Meere giebt es Fische, welche auch aus dem Wasser gehen und in der Luft fliegen können. Mann sollte meinen, es sey erdichtet, weil bey uns so etwas nicht geschieht. Aber wenn ein Mensch auf einer Insel wohnte, wo er keinen andern Vogel, als Maisen, Distelfinken, Nachtigallen und andere dergleichen lustige Musikanten des Waldes könnte kennen lernen, so würde er es eben so unglaublich finden, wenn er hörte, daß es irgendwo ein Land gebe, wo Vögel auf dem Wasser schwimmen und darin untertauchen; [111] und doch können wir dieses auf unserm Gewässer alle Tage sehen, und wir müssen daher auch nicht glauben, daß alle Wunder der Natur nur in andern Ländern und Welttheilen seyen. Sie sind überall. Aber diejenigen, die uns umgeben, achten wir nicht, weil wir sie von Kindheit an und täglich sehen.

Was nun die Fische und Vögel betrift, so schwimmt eine Ente freylich nicht eben so wie ein Fisch, und ein Fisch fliegt nicht wie ein Storch, sondern damit hat es folgende Bewandtniß. Die Floßfedern an der Brust dieser Thiere sind sehr lang und mit einer weiten Haut überzogen. Durch deren Hülfe kann sich der Fisch eine Zeitlang in der Luft erhalten. Aber erstlich das thut nicht länger gut, als diese Haut naß ist. Sobald sie trocknet, fällt der Fisch ins Wasser zurück. Zweytens, er geht nicht aus dem Wasser ohne Noth, fliegt nicht spazieren für Kurzweil oder um seine Kunst zu zeigen, sondern wenn ihn ein Raubfisch verfolgt, und kann ihm nicht mehr anderst entrinnen, und darinn ist er klüger als mancher Mensch, der schon Hals und Bein gebrochen hat. Denn der Fisch sagt: Man muß seiner Natur und seinem Stand getreu bleiben, solang man kann, kein Wagstück treiben, wenns nicht seyn muß, nicht oben zum Fenster hinaus springen, wenn die Thüre offen steht.

Solche fliegende Fische geben den Schiffahrenden, die viele Wochen lang nichts als Himmel und Wasser um sich haben, auf ihrer langweiligen Reise manche Kurzweil, besonders wenn der Raubfisch, welcher sie verfolgt, ebenfalls fliegen kann und ihnen nacheilt. Da sieht man eine seltsame Fischjagd in der Luft. Oft [112] erhascht der Raubfisch seine Beute, und zieht sie wieder in das Wasser hinab. Oft entgeht sie durch Geschwindigkeit oder Glück. Manchmal ist noch ein ganz anderer Spaß zu sehen. Denn gewisse Vögel fliegen über dem Wasser her und hin, und stellen den Fischen nach, können ihnen aber nichts anhaben, so lang diese daheim im Wasser bleiben, wohin sie gehören. Wenn aber ein solcher Luftkrieg zwischen ihnen angeht, so wird bald der Fliehende, bald der Feind, bald beyde von dem Vogel, der das Fliegen besser versteht, erhascht, und kommen ihr Lebenlang nimmer ins Wasser. Und dazu lachen die Schiffer.

Merke: Solcher Spaß, bey dem man aber oft lieber weinen als lachen möchte, ist manchmal auch mitten auf dem trockenen Lande zu sehen, wenn zwey Brüder oder Verwandte oder Bundesgenossen Prozeß und Streit miteinander führen, und kommt ein Dritter dazu, und beraubt beyde des Vortheils, den jeder von ihnen allein haben wollte und keiner dem andern gönnte. Merke: Wann die Fische im Meer Händel haben, ists lauter Freude für die losen Vögel in der Luft.