Fridigern
Fridigern.
Vergl. Ammianus Marcellinus 31, 5. und Zosimus 4, 34.
Fridigerns Thaten priesen die Gothen in Liedern. Von ihm ist folgende Sage aufbehalten worden. Als die Westgothen noch keinen festen Wohnsitz hatten, [10] brach Hungersnoth über sie ein. Fridigern, Alatheus und Safrach ihre Vorsteher und Anführer, von dieser Plage bedrängt, wandten sich an die Anführer des römischen Heers, Lupicinus und Maximus, und handelten um Lebensmittel. Die Römer aus schändlichem Geiz feilschten ihnen Schaf- und Ochsenfleisch, ja selbst das Aas von Hunden und andern unreinen Thieren zu theurem Preis: so daß sie für ein Brot einen Knecht, für ein Fleisch zehn Pfund (Geld) erhandelten. Die Gothen gaben, was sie hatten; als die Knechte und ihre Habe ausgingen, handelte der grausame Käufer um die Söhne der Eltern. Die Gothen erwägten, es sey besser die Freiheit aufzugeben als das Leben, und barmherziger, einen durch Verkauf zu erhalten, als durch Behalten zu tödten. Unterdessen ersann Lupicinus, der Römer Anführer, einen Verrath, und ließ Fridigern zum Gastmahl laden. Dieser kam arglos mit kleinem Gefolge; als er inwendig speiste, drang das Geschrei von Sterbenden zu seinem Ohr. In einer andern Abtheilung der Wohnung, wo Alatheus und Safrach speisten, waren Römer über sie gefallen und wollten sie morden. Da erkannte Fridigern sogleich den Verrath, zog das Schwert mitten am Gastmahl, und verwegen und schnell eilte er seinen Gesellen zur Hülfe. Glücklich rettete er noch ihr Leben, und nun rief er alle Gothen zur Vernichtung der Römer auf, denen es erwünscht war, lieber in der Schlacht als vor Hunger zu fallen. Dieser Tag machte dem Hunger der Gothen und der [11] ruhigen Herrschaft der Römer ein Ende, und die Gothen walteten in dem Lande, das sie besetzt hatten, nicht wie Ankömmlinge und Fremde, sondern wie Herren und Herrscher.