Friedrich Harkort (Die Gartenlaube 1892/3)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Friedrich Harkort
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 98, 99
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[98] Friedrich Harkort. Es ist ein prächtiges Charakterbild, das des „alten Harkort“, des wetterharten Westfalen, des unermüdlichen Kämpfers für wirthschaftlichen und sittlichen Fortschritt, das uns aus der Geschichte seines Lebens und seiner Zeit von L. Berger entgegenleuchtet. Den älteren Lesern der „Gartenlaube“ ist der „alte Fritz“ kein Fremder. Im Jahrgange 1870 und wiederholt ist über ihn berichtet worden. Die jetzt von seinem Schwiegersohne herausgegebene ausgezeichnete Biographie ermöglicht es, die Laufbahn des trefflichen Mannes ins einzelne zu verfolgen; aber nicht bloß das: der Verfasser hat es auch verstanden, für die einzelnen Abschnitte dieses Lebensganges den allgemeinen politischen und kulturgeschichtlichen Hintergrund in wirkungsvoller Deutlichkeit zu entwerfen und uns so die Bedeutung des Geschilderten erst recht verstehen zu lehren. Nicht versäumen möchten wir, darauf hinzuweisen, daß der Reinertrag aus dem bei Julius Bädeker in Leipzig erschienenen Buche – ganz im Sinne des thatkräftigen Streiters für Schule und Lehrerstand – zur Unterstützung nothleidender Lehrerwitwen bestimmt ist.

Ein „Bahnbrecher der Industrie“ wurde Friedrich Harkort zunächst durch seine Maschinenwerkstätte in Wetter. Als sein Vater starb – am 10. Mai 1818 – da blieb nach westfälischem Erbrechte dem ältesten der hinterlassenen sechs Söhne der Stammsitz Harkorten als Majorat, die übrigen fünf sahen sich auf ihre eigene Kraft gestellt. Friedrich betrieb erst kurze Zeit eine Gerberei und übernahm daneben ein Kupferhammerwerk, bald aber überließ er diese Unternehmungen jüngeren Verwandten, die ihn bei der Einrichtung und Führung unterstützt hatten, um sich selbst einem neuen Industriezweige zu widmen, welcher für die gewerbliche Entwicklung Westfalens von höchster Bedeutung zu werden bestimmt war. Er trat in Verbindung mit Heinrich Kamp, einer genial veranlagten Persönlichkeit, welcher für ihre Unternehmungslust ansehnliche Mittel zu Gebot standen. Durch das eifrige Studium englischer technischer Zeitschriften auf die riesige Entwicklung des Maschinenwesens in Großbritannien aufmerksam gemacht, in der Erkenntniß, daß Deutschland sich die gleichen Vortheile zu eigen machen müsse, wenn seine Industrie nicht binnen kurzer Zeit von England vollständig überflügelt werden solle, vereinigten sich beide zur gemeinsamen Anlage einer Maschinenfabrik oder sogenannten „mechanischen Werkstätte“.

Kamp sollte die erforderlichen Geldmittel beschaffen, Harkort die Leitung übernehmen. Bei der Suche nach dem geeigneten Ort für das neue Unternehmen kam man, da das Augenmerk vorzugsweise auf die Herstellung von Dampfmaschinen gerichtet war, nothwendig auf den Industriebezirk an der Ruhr, dessen bedeutender Bergbau nicht nur die gute Aussicht auf Absatz solcher Motoren, sondern auch den Vorzug billigen Bezugs von Eisen und Kohlen darbot. Die Wahl fiel schließlich auf die alte Burg in Wetter, die, vom Fiskus zum Verkaufe gestellt, im Jahre 1818 von den beiden Theilhabern der neuen Firma Harkort und Comp. erworben wurde. In demselben Jahre noch führte Harkort seine Braut heim, mit der er sich einst, 1813, am Vorabend der Befreiungskriege verlobt hatte, dann segelte er im folgenden Jahre, über die unzähligen Bedenken zaghafter Verwandten und Freunde sich hinwegsetzend, nach England, um von dort Sachverständige und Arbeiter herüberzuholen.

Das war freilich keine leichte Sache. Tüchtige Leute waren nur durch hohe Gehälter zu bewegen, die Heimath zu verlassen, die Zahl der anständigen Männer, die Harkort folgten, war darum nur klein, und er mußte, aus der Noth eine Tugend machend, auch solche annehmen, denen der Aufenthalt in ihrem Vaterlande aus irgend welchen Gründen schwül geworden war, wenn sie nur Kenntniß der Maschinenarbeit besaßen. „Ich habe damals verschiedene meiner Engländer,“ pflegte er in späteren Jahren zu äußern, „sozusagen vom Galgen herunterschneiden müssen, nur um überhaupt welche zu bekommen.“

[99] Und auch zu Hause waren die Schwierigkeiten groß. „Der Uebermuth und die Völlerei der Ausländer,“ berichtet Harkort in seiner „Geschichte von Wetter“, „Mangel an passenden Materialien und guten Wegen, die Unerfahrenheit der hiesigen Arbeiter – all dies führte eine Menge Uebelstände herbei, welche man heute nicht mehr kennt. Allein durch Beharrlichkeit behauptete sich die neue Industrie. Sie hat die alte feudale Burg erobert und in ihr einen bleibenden Sitz aufgeschlagen, in welchem Eisen und Stahl in die mächtigsten Waffen des Gewerbfleißes umgeschaffen werden.“